Kapitel 25

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Mit einem rasselnden Atemzug schlug ich meine brennenden Augen auf. Stellte geschockt fest: Schon wieder lebte ich. Ich war wirklich bescheuert! Zweimal überlebte ich den Tod. Wieso?

Aber mir fiel sofort noch etwas auf. Dies hier war nicht die Krankenstation. Auch nicht mein Zimmer. Es sah anders aus. Anders geschnitten, vielleicht sogar etwas größer.

Am Fenster nahm ich im schwachen Abendlicht eine schemenhafte Gestalt war, wenn auch leicht verschwommen.

„Wieso hast du das gemacht?“, ich klang richtig hysterisch.

Er drehte sich um und lehnte sich scheinbar an das Fensterbrett. Schwieg.

Ich schwang meine Beine aus dem Bett und versuchte aufzustehen. Es misslang mir. Kläglich.
Ein weiterer Versuch und ich stand mit wackeligen Beinen vor dem Bett.

Ich stolperte unbeholfen bis zur Tür, stützte mich gegen das kühle Holz.

Meine Hand tastete nach der Klinke, als er anfing zu sprechen.

„Du kannst nicht einfach sterben. Du wirst hier noch gebraucht!“, er redete leise, aber ich verstand jedes Wort.

Meine Hand lag auf der Klinke, bereit sie jeden Moment nach unten zu drücken und den Raum zu verlassen. Aber mein Körper verharrte und die Rädchen an meinem Gehirn ratterten. „Von wem soll ich gebraucht werden?“, fragte ich verächtlich lachend und meinte es genauso, wie ich es sagte. WER sollte mich brauchen? Mich vermissen?

Ich hörte wie er sich von dem Fenster abstieß und langsam auf mich zu kam, mein Blick blieb dennoch starr auf die Tür gerichtet.

Hinter mir blieb er stehen, ich spürte seine Präsenz ganz deutlich, ich konnte seinen Atem auf meinem Nacken spüren. Oder bildete ich mir das nur ein?

„Du zeigst den Kindern hier, dass es noch Hoffnung gibt, dass man seinen Charakter behalten und seinen Willen verfolgen kann, wenn man es will! Du hast beschlossen mit würde zu sterben und das bewundern sie! Du bist ihr Vorbild, Marisa!“, eindringlich und bestimmt drangen die Worte in meine Ohren und machten mir bewusst, was er meinte.

Ich sollte ein Vorbild für andere sein? Ich?! Was war an mir denn bitte würdig, um eine Vorbildfunktion übernehmen zu können? Ich schaffte nichts! Nicht mal mich umzubringen! Das konnte nicht sein! Keiner bewunderte MICH. Wieso sollte es jemand tun?

Völlig verstört bemerkte ich, wie mir Tränen in die Augen gestiegen waren und nun meine Wangen hinab rollten. Ich wollte nicht, dass sich irgendjemand nach mir richtete. Ich konnte das nicht glauben und wollte es nicht glauben.

Der Junge fasste mich an der Hüfte und drehte mich vorsichtig zu sich um. Er stand wirklich nah vor mir, so nah, dass das Licht ausreichte, um ihn genauer zu erkennen als vorher.

„Du bist mein Vorbild“, flüsterte er und wischte mir mit den Daumen die Tränen von den Wangen.

Ich wollte schreien, weg rennen, zusammen brechen. Keinem sollte es gehen wie mir, keinem! Besonders nicht ihm.

Ich schüttelte den Kopf, wand mich aus seinen Händen und stürzte auf den von ein paar Lampen spärlich beleuchteten Gang. Wo war dieses verdammte Zimmer? Wo befand sich mein eigenes.

Egal. Ich versuchte möglichst ohne hin zu fallen den Flur entlang zu rennen, suchte vergeblich meine Zimmernummer.

Kraftlos und verzweifelt sank ich irgendwo auf dieser verdammten Station in einer kleinen Nische auf den Boden, zog die Knie an und legte meine Stirn darauf. Weinte.

Wieso? War das alles nicht schon schlimm genug? Und wieso suchten sie sich genau mich aus? Sie würden eh nur enttäuscht werden.

Scheiße…ich wünschte niemandem so zu enden wie ich, ich war so erbärmlich. So fürchterlich erbärmlich.

Niemals war ich nur annähernd ein Vorbild…ich war nur ein Mädchen, dass sterben wollte. Das des Lebens müde war, aber einmal vor ihrem Tod ein glückliches Leben haben wollte. Nur wenige Minuten würden reichen. Aber das würde nicht passieren und im Grunde hatte ich mich bereits damit abgefunden unglücklich ins Grab zu gehen. Ich hatte nicht vor zu kämpfen. Nicht darum, glücklich zu sein. Diesen Kampf würde ich verlieren. Ganz sicher.
Nichts an mir hatte Potential. Was wollten die anderen?!

Folge deinem Herzen bis in den TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt