Kapitel 12

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Stille umhüllte meinen Körper. Ich war gefangen in der Stille. Keiner Stille wie letzte Nacht. Nein. Diese Stille war anders. Es war eine weite, endlose Stille, die mich umgab wie ein Herbstnebel. Überall durch die Luft schwebend hüllte sie mich ein, während ich durch diese weißen Schwaden schritt.

Ich schritt durch den Nebel dieser nie endenden Ruhe.

Wenn dies sterben war, dann war es das Beste, was ich je gemacht hatte. Wenn dies der Tod war, warum hatte man überhaupt Angst vor ihm?

Es war so friedlich und leicht, ganz anders als die Realität. Es fühlte sich so gut an…so richtig.

Im Gegensatz zu den Gefühlen die ich in der Welt meiner Vergangenheit gefühlt hatte, war das hier das Paradies. Der Himmel. Ich fühlte kaum etwas. Und das, was ich fühlte, waren die schönsten Gefühle, die ich jemals bisher fühlen hatte dürfen.

Das Sterben war schön. Es ließ einen einfach glücklich durch eine Welt gehen, die einem unbekannt, aber doch vertraut erschien. Dieser Gegensatz, der mir bisher eigentlich als unmöglich erschienen war, hatte etwas Magisches an sich. Etwas, das man nicht beschreiben konnte. Nicht in menschliche Worte fassen konnte. So Traumhaft war es.

Das Sterben, es erlöst einen von Leid und Schmerz, führt einen in die Zufriedenheit.

Ich wollte nie wieder diesen Ort verlassen. Nie wieder aus diesem Traum erwachen. Nie wieder lebendig werden. Einfach für immer so weiter machen. Es war perfekt. Einfach perfekt.

Wie aus dem Nichts ertönte ein ohrenbetäubender Knall und ein Spalt tat sich unter meinen Füßen auf.

Ich schaffte es irgendwie mich an dem Rand des Spaltes fest zu klammern und versuchte mich wieder nach oben zu ziehen, jedoch schien meine Kraft zu schwinden und ohne es zu wollen ließen meine Hände den rettenden Boden los und ich fiel.

Fiel hinein in die Dunkelheit. Ich wollte schreien, schreien so laut ich es irgend konnte, doch kein Laut verließ meine Kehle, sie war wie zugeschnürt.

Ich fiel immer und immer weiter und es schien, als würde ich niemals irgendwo auftreffen, als ich mit einem rasselnden Atemzug die Augen aufriss und mich geschockt umsah.

Nein! Nein! Nein! Alles nur das nicht! Bitte nicht! Das war nicht möglich! Das. War. Nicht. Möglich.

Geschockt starrte ich in das Gesicht einer Frau im weißen Kittel. Ein Arzt. Scheiße! Scheiße, scheiße, scheiße!

Innerlich flehte ich, dass mein Herz aufhörte zu schlagen und ich wieder in diese wundervolle Welt gelangte. Ich wollte es so sehr.

Ich bemerkte, dass meine Arme und Beine an dem Bett fest gegurtet waren. Warum das? Was sollte der Scheiß?

Warum verdammt lebte ich noch? Ich müsste tot sein! Mausetot! Nicht hier liegen, sondern in irgendeinem Grab. Dort verrotten, während ich die beste Zeit überhaupt erlebte, ohne Schmerz und Leid.

„Wo bin ich?! Und machen Sie mich verdammt noch mal los!“, brummte ich. Meine Stimme klang krank und dünn.

„Du bist in der Klinik für Suizidgefährdete Jugendliche. Du wolltest dich umbringen, aber wir konnten dich wieder holen!“, antwortete die junge Frau und klang dabei, als würde sie mit einem Kleinkind reden.

„Was, wenn ich sterben wollte?“, fragte ich spitz und funkelte sie an.

Sie gab eine Art lachen von sich. „Oh Mädchen! Du bist doch viel zu jung um zu wissen, was du willst!“ Und sie? Sie war sicher selbst erst Anfang 30. „Egal…Hauptsache du lebst. Wenn du sicher über den Berg bist, kommst du in die geschlossene Abteilung und musst nicht hier auf der Station bleiben!“

Ernsthaft?! Hauptsache ich lebte?! Wenn ich keine Fesseln angehabt hätte, hätte ich sie ermordet!

Folge deinem Herzen bis in den TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt