Kapitel 15

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Dank  Internetflat konnte ich auch in diesem Knast ins Internet. Ich öffnete Whatsapp. Meine beste Freundin hatte mir geschrieben. Ich tippte auf den Chat und ließ meine Augen über den ziemlich langen Absatz gleiten.

„Hi…ich habe gehört was passiert ist. Wie so ziemlich jeder. Ich kann das nicht verstehen! Wieso machst du so etwas?! Das ist KRANK!! Ich dachte immer, du wärst ein normales Mädchen, das ich meine BF nennen konnte. Aber du bist nicht normal! Du bist definitiv gestört! Ehrlich? Ich bin froh, dass sie dich in die Geschlossene gesteckt haben! Vielleicht kann man dir ja doch noch helfen?!

Ich habe einen Ruf zu verlieren, es tut mir leid, aber wir können nicht mehr befreundet sein Risa…“

Ich starrte diesen Text an, starrte und starrte, Wut übermannte mich. Wut und Trauer. Meine beste Freundin hatte mir die Freundschaft gekündigt. Bzw. das Mädchen, das mal meine beste Freundin gewesen war.

Und ich wollte nicht, dass mir geholfen wurde, ich wollte einfach nur zurück in diese unfassbar schöne Welt. Und zurück zu Alex.

Ich hatte nicht mitbekommen, wie ich Facebook geöffnet hatte, aber jetzt sah ich die Zahl 100 rot auf der blauen Weltkugel leuchten und eine noch viel höhere Zahl bei den Nachrichten.

Ein schauer lief mir den Rücken hinunter, als ich auf meine Pinnwand sah. Wie viele Leute hatten darauf gepostet?!

„Zu dumm zum sterben!“, „Wie kann man nur so bescheuert sein?!“, „Krank!“, diese Posts kamen häufiger vor, bei jedem neuen Wort, das ich las stiegen mir mehr Tränen in die Augen.

Aber endgültig austicken tat ich erst, als ich den Post eines Jungen sah, der sich mal mein Freund genannt hat. Wir waren mehrere Monate zusammen gewesen, bis ich ihn verlassen hatte, ca. ein Jahr vor diesem Tag. „Marisa, ich verstehe dein Handeln nicht! Du bist echt Psycho! Und so etwas war mal meine Freundin? Das kann ich gar nicht glauben! Sprich mich nie wieder an, ist dir das nicht peinlich? Ich meine das Sterben ist doch die einfachste Sache der Welt und du bekommst nicht mal das hin?! Dummheit tut weh, wirklich!“

Ein Schrei riss mich aus dem Bann, in den mich diese Worte gezogen hatten und es verging einige Zeit, bis ich verstand, dass dieser markerschütternde Schrei aus meiner Kehle entwich.

Eigentlich bemerkte ich es erst, als eine Frau ins Zimmer gestürzt kam und ich einen starken stechenden Schmerz im Arm spürte, bevor ich von einer zur anderen Sekunde nur noch von einem düsteren Schwarz umgeben war.

Grelles Licht zwang mich, meine Augen sofort wieder zu schließen, nachdem ich sie hatte öffnen können. War es wirklich schon wieder hell? Was hatte diese Frau nur mit mir gemacht?

Ich war nicht alleine im Raum, eine Frau stand am Fenster. Sie sah nach draußen, mit dem Rücken zu mir.

„Du solltest dich nicht so aufregen, wir fühlen uns sonst gezwungen, dich noch öfter ruhig zu stellen!“

„Ich zwinge Sie nicht dazu es zu tun, lassen Sie es doch einfach bleiben!“, gab ich zurück und erschrak vor meiner dünnen Stimme.

„Doch Marisa, doch das tust du!“, meinte sie und tat einige Schritte auf mich zu, bevor sie sich auf einen Stuhl, der neben meinem Bett stand setzte. War er gestern auch schon da gewesen? „Marisa, wieso hast du versucht dich umzubringen?“

Dass sie diese Frage so direkt stellte, verwirrte mich. Sollte sie nicht eher verschleiert und unbemerkt an ihr Ziel kommen? Sie war schließlich Psychologin.

Ich beschloss erst einmal nichts als Antwort zu sagen. Erstens vertraute ich ihr nicht, zweitens würde es nichts bringen und drittens wusste ich es nicht.

„Nun gut, ich habe schon fast erwartet, dass du es mir nicht sagen wirst. Andere Frage, ist dir bewusst, dass du, wenn du hier raus bist kaum Berufschancen hast?“

„Frau Ibis…wir wissen beide, dass ich hier nicht mehr raus kommen werde!“, ich sah sie finster an. Aus ihren Augen sprach das ganze Leid, dass sie in ihrem Leben hatte sehen müssen. Sie sah nicht aus, wie jemand, der jemanden einer Gehirnwäsche unterziehen wollte, sein Inneres umkrempeln wollte. Eher wie eine nette alte Oma.

„Wieso nicht?“, sie wusste es ganz genau, dass hörte man deutlich aus ihrer Stimme heraus.

„Weil ich, sobald ich hier raus bin, erneut versuchen werde mich umzubringen und nichts kann mich davon abhalten!“

Sie nickte wissend. Dann seufzte sie und schloss die Augen.

Einige Zeit herrschte Schweigen zwischen uns. Ob das ihre Taktik war? Oder ob sie wirklich nicht wusste, was sie sagen sollte?

„Marisa, du bist 16 Jahre alt. Du hast dir damit dein Leben ruiniert und es ist mein Job, dir das Leben wieder näher zu bringen. Mein Job birgt Risiken und Chancen, ich habe über 40 Jahre Berufserfahrung und du wirst nicht einer der Fälle werden, die man nicht heilen kann. Wir können dir helfen wieder ein normales Leben zu führen. Es kann einige Zeit dauern, aber ich bin sicher, dass du nicht erneut sterben wollen wirst!“

Da kannte sie mich sehr schlecht. Wie konnte sie so etwas behaupten? 40 Jahre hin, 40 Jahre her, sie würde mich nicht davon abhalten können. Sie hatte dieses Gefühl schließlich noch nie verspürt.

Sie wusste nicht, wie ich mich fühlte, woher auch? Es war ihr wahrscheinlich auch egal. Ich war bloß eine ihrer Patienten.

„Morgen werden wir noch ein Gespräch haben, im Übrigen: Dein Facebook-Account wurde gelöscht und dein Handy vorerst konfisziert. Wir sehen uns und ich würde mich sehr über etwas mehr Kooperation freuen!“, sagte die Dame, als sie schon beinahe die Tür erreicht hatte und sie hinter sich ins Schloss fallen ließ.

Sie hatten mein Handy? Und meinen Account gelöscht? Ernsthaft?! Das war mein Eigentum! Meins! Meins! Meins! Allein meins. Was bildeten sich diese Arschlöcher eigentlich ein?!

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