Verzweifelt schloss Libra ihr Buch über Verwandlung. Diese Prüfung würde sicher nicht die beste werden, das wusste sie. Aber jetzt musste sie erstmal zum Nachsitzen, dass Snape ihr gestern noch aufgebrummt hatte. Sie machte sich auf den Weg und betrat um Punkt 19 Uhr das Klassenzimmer für Zaubertränke. Professor Snape saß bereits an seinem Pult und hob nichtmal den Blick als er sagte: „Sie kennen ja den Weg in den Vorratsraum. Alle Behälter müssen entstaubt und alphabetisch geordnet werden.". Libra erwiderte nichts darauf und machte sich eilig daran so schnell wie möglich fertig zu werden. Als sie allerdings den Raum betrat, wurde ihr erstmals das Ausmaß des Chaos bewusst, das in dem Raum herrschte. Die letzten Monate mussten die Schüler wohl nie darauf geachtet haben, wo welche Zutat hingehört. Die verschiedenen Behälter standen wahllos verteilt auf den Regalen und auf manchen schien sogar das Etikett mit der Beschriftung zu fehlen. Bei dem entsetzten Einatmen, dass er aus dem Nachbarraum hörte, konnte Snape sich das Grinsen nicht verkneifen. Er musste doch zugeben, dass es ihm eine gewisse Genugtuung verschaffte, Schüler zu triezen. Libra machte sich unterdessen daran die einzelnen Zutaten in die vorgesehen Regale zu räumen. Die Behälter mit fehlender Beschriftung stellte sie vorerst zur Seite, für diese müsste sie nachher Etiketten besorgen. Sie begann mit dem Buchstaben Z, da diese ganz unten rechts ins Regal gehörten. Je weiter sie sich hinaufarbeitete, desto schwerer wurde es für sie, die Regalbretter zu erreichen. Sie ließ die Zutaten also mit einem simplen „Wingardium Leviosa" nach oben schweben. Eines der Gläser wollte sich beim besten Willen aber nicht vom Boden heben. Ein Räuspern ließ ihn von seinen Aufsätzen aufblicken, die er gerade versuchte zu korrigieren. „Was?", schnarrte er in verärgertem Ton. „Sir, ich bräuchte eine Leiter. Ich kann das oberste Regalbrett nicht erreichen und die Zutat lässt sich auch mit einem Schwebezauber nicht bewegen." Libra schaute ihm fest in die Augen. Dieses Kind nervte ihn unglaublich. Ständig ging es ihm mit seiner Fragerei auf die Nerven und dann ließ sie sich nicht einmal durch seinen strengsten Blick einschüchtern. „Dann lassen Sie sich was einfallen und stören Sie mich nicht weiter", zischte er nur und begann abermals die Aufsätze zu korrigieren. Libra machte wütend auf dem Absatz kehrt und stapfte zurück in den Vorratsraum. Kurzerhand beschloss sie auf das Regal zu klettern, um so schnell wie möglich wieder zurück in den Gemeinschaftsraum zu können. Beherzt griff sie nach einem Regalbrett und begann sich an diesem Hochzuziehen. Es gelang ihr besser als gedacht und sie hatte beinahe das oberste Brett erreicht, als sie mit ihrem Knie am Rocksaum ihrer Schuluniform hängenblieb und das Gleichgewicht verlor. Wie in Zeitlupe rutschte ihre Hand von dem Regalträger ab, an dem sie sich noch mit letzter Kraft versuchte festzuhalten und sie fiel rücklings auf den harten Boden.
Das Poltern aus dem Nebenraum ließ Snape hochschrecken und mit einem Satz war er auf den Beinen und er lief mit schnellen Schritten in den Vorratsraum. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ in scharf die Luft einziehen. Das Mädchen lag in einer Lache von der Zutat, die sie wohl gerade versuchte hatte in das Regal zu räumen. Ein beißender Geruch breitete sich im Raum aus und er pflückte das verdattert aussehende Kind vom Boden und setzte sie im angrenzenden Klassenzimmer auf eine Schulbank. Libra hielt sich schmerzerfüllt ihre rechte Hand an die Brust. Es war wohl etwas von dem Alraunenwurzelkonzentrat auf ihre Haut gekommen und diese brannte nun ganz fürchterlich. „Geben Sie mir Ihre Hand", befahl Snape. Als er ihre Hand in seine nahm, konnte er sich gerade noch beherrschen sein Gesicht nicht zu einer Grimasse zu verziehen. Die Alrauenwurzel hatte in dieser hohe Konzentration eine starke Ätzwirkung und Libras Hand war mit roten Flecken überzogen. Mit einem Wink seiner Hand flog ihm eine kleine Phiole mit einer hellen Tinktur in die Hand, die sich wie von Zauberhand auf Libras verletzter Haut verteilte. Sofort ließ der Schmerz nach und Libra atmete erleichtert auf.
„Was haben Sie sich bei dieser Leichtsinnigkeit denn gedacht?", fuhr er sie anschließend ungehalten an. Er packte ihr Kinn mit einer Hand als sie den Kopf abwenden wollte. „Sehen Sie mich gefälligst an, wenn ich mit Ihnen spreche. So etwas wie eben erlauben sie sich nie wieder. Haben Sie mich da verstanden?". Als Libra bedrückt nickte, seufzte ihr Professor nur und sagte jetzt in einem etwas freundlicheren Ton: „Es mag zwar nicht so aussehen, aber so sehr verabscheue ich meine Schüler dann doch nicht, dass ich will, dass sie in meinem Klassenraum sterben.".
„Es tut mir leid", sagte Libra mit brüchiger Stimme „Ich wollte Sie nicht weiter stören". Snape schüttelte entsetz den Kopf „Sie bleiben jetzt die verbleibende Zeit ihres Nachsitzens hier und rühren sich nicht von der Stelle. Ich möchte Sie noch ein wenig unter Beobachtung haben, nicht dass Sie auf dem Weg in ihren Gemeinschaftsraum umkippen. Sie wissen sicherlich was das Gift in Alraunen bewirkt".
„Alraunen enthalten ein Alkaloid, dass hemmend auf die Signalübertragung im Nervensystem wirkt. Somit hat es eine narkotisierende Wirkung...", begann sie zittrig Wort für Wort zu zitieren.
Forsch unterbrach er sie: „Immerhin ihren Verstand haben Sie durch den Sturz nicht verloren, Gratuliere". Mit diesen Worten drehte er sich um und setzte sich wieder an sein Pult. Die Aufsätze aus der Prüfung korrigierten sich ja nicht von selbst. Einen Heidenschrecken hatte sie ihm eingejagt, als sie da plötzlich auf dem Boden lag. Aber was hatte sie sich auch dabei gedacht, wie ein Äffchen auf ein Regal zu klettern. Nach einigen Minuten hob er frustriert den Kopf: „Sie sind entlassen. Ich kann ihre selbstkritischen Gedanken beinahe hören.". Eilig verließ Libra das Klassenzimmer.
Ein sehr kurzes Kapitel, aber die nächsten werden hoffenlich wieder länger.
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Another Snape?
FanficAls Libra ihren Hogwartsbrief bekommt und schon im Zug Freundschaft mit Draco Malfoy schließt, verspricht es ein aufregendes Jahr zu werden. Neben Schule und Hausaufgaben versucht sie Aufschluss darüber zu finden, wer ihr Vater ist. Und warum fühlt...