Chapter 3

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Die Zeit verging wie im Flug und ehe sie sich versah war es der erste September. Heute würde sie mit dem berühmten Hogwartsexpress fahren, ganz viele neue Freunde finden und Spaß haben.

Schon sehr früh morgens wachte sie auf und packte die letzten Sachen in ihren Schrankkoffer. Stolz steckte sie auch ihren Zauberstab ein, mit dem sie in den letzten Wochen schon fleißig ein paar kleine Zauber geübt hatte. Hastig verschlang sie ihr Frühstück und hielt ihre Mutter an, sich zu beeilen. Mit ihrem Muggleauto fuhren sie in die Innenstadt zum King's Cross Bahnhof. Ihre Mutter verabschiedete sie mit vielen Tränen, Küssen und Umarmungen, aus denen sich Libra schnell wieder befreite. Auch an so einem Tag war sie nicht in Kuschelstimmung. Sie winkte ein letztes Mal und hievte ihren Koffer in den Zug. Ein leeres Abteil war schnell gefunden, da sie besonders früh zum Bahnhof gefahren waren. Auch heute musste ihre Mutter arbeiten. Seufzend zog Libra das Buch über seltene Trankzutaten hervor. Sie hatte es in den letzten zwei Wochen schon unzählige Male gelesen und inzwischen konnte sie es beinahe auswendig. Doch sie fand jedes Mal neue Zusammenhänge, die ihr davor noch nicht aufgefallen waren. Sie las, bis die Türe aufgerissen wurde und ein Junge, wahrscheinlich Abschlussjahr, in ihr Abteil platzte.

„Was machst du hier? Das ist mein Abteil", fauchte er sie an. Sie betrachtete ihn mit emotionslosem Blick. „Ach ja? Ich wusste nicht, dass man Abteile reservieren kann. Und nur weil du zufällig ein paar Jahre älter bist, kannst du dir so einen Tonfall nicht erlauben. Aber du darfst dich gerne zu mir setzen." Libra redete sich immer mehr in Rage, bis sie sich zum Schluss hin wieder etwas beruhigte. Der Junge mit den platinblonden Haaren schaute sie überrascht an. Wahrscheinlich hatte er nicht mit Widerstand gerechnet und Libra klopfte sich innerlich auf die Schulter für ihren Auftritt. Sie sah den Jungen mit hochgezogener Augenbraue an und wartete, ob er sich tatsächlich zu ihr setzen würde. Und wirklich hob er seinen Koffer in die Ablage und ließ sich ihr gegenüber elegant auf die Bank gleiten. Er schlug ein Bein über das andere und Libra konnte den Blick einfach nicht von ihm abwenden. „Erstklässler?", fragte er sie monoton. Libra seufzte. Das konnte ja noch interessant werden. „Ja, ich habe heute meinen ersten Tag", antwortete sie deshalb mit einer genauso kalten Stimme. Er nahm dies nickend zur Kenntnis und widmete sich einem Buch, das er aus seiner Tasche gezogen hatte. Auch Libra hob ihr Buch wieder und begann weiterzulesen. Nach einer Weile räusperte sich der Junge und sie hob leicht genervt den Blick. Sie schaute ihn fragend an. „Mein Name ist übrigens Malfoy, Draco Lucius Malfoy." „Dein Vater ist...", er unterbrach sie harsch. „Ja, Lucius Malfoy ist mein Vater." Libra nickte.

„Du ähnelst ihm", war alles, was sie gerade herausbrachte. „Du bist ihm schon einmal begegnet?" Jetzt lag es an Malfoy sie verdattert anzusehen.

„Naja, nicht wirklich. Ich traf ihn in der Winkelgasse. Er hat mir freundlicherweise dieses Buch geschenkt", sie deutete mit dem Kinn auf das Buch in ihrem Schoß.

„Das warst du? Mein Vater hat davon erzählt. Er meinte, du erinnerst ihn an jemanden und jetzt, wo ich dich sehe, erkenne ich auch an wen du ihn erinnert hast." Der letzte Teil erweckte Libras Interesse. „Ach ja, und an wen erinnere ich euch?"

„Diesen Jemand lernst du früh genug kennen, wenn wir in Hogwarts sind."

Diese Zugfahrt wurde immer interessanter. Libra bohrte noch ein paar Mal nach, bis sie einsah, dass Malfoy ihr nichts sagen würde. Den Rest der Zugfahrt schenkte sie ihrem Buch ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

„Du solltest langsam deine Uniform anziehen. Wir sind bald da." Erschrocken blickte sie auf, um festzustellen, wie schnell die Zeit verflogen war. Zum Glück musste sie nur noch ihren Umhang anziehen, da sie daheim unbedingt schon den Rest der Uniform anziehen wollte. Hastig packte sie ihr Buch ein, nur um einen entspannt auf der Bank sitzenden Malfoy zu sehen. „Was glotzt du so? Du hast doch gerade gesagt, wir seien bald da", fuhr sie ihn an.

„Mit bald meinte ich in zwanzig Minuten und nicht in fünf." Lachte Malfoy sie gerade etwa aus? Wütend setzte sich Libra wieder auf die Bank und schaute aus dem Fenster. Sie war noch nie so weit im Norden von England. Sie war generell noch nie so weit von London entfernt gewesen. Es war einfach nie genügend Geld für einen Urlaub da und so waren sie in den Schulferien immer zu Hause geblieben und Libra hatte ihre Mutter ab und zu in der Universität besucht und dort die Bibliothek erkundet.

Nach einer Weile hielt der Zug mit quietschenden Bremsen an und eine riesige Schar an Schülern drängte durch die Türen auf den Bahnsteig.

„Erstklässler hier rüber!", hörte Libra eine laute Stimme rufen. Sie drehte sich einmal um sich selbst und entdeckte einen Halbriesen, der mit einer Laterne in der Hand nach allen Erstklässlern rief. Die Fahrt über den See war beeindruckend. Am Schloss wartete schon eine Hexe, die sich als die stellvertretendene Schulleiterin vorstellte.

Als sich die Türen zur großen Halle öffneten, verstummte der gesamte Saal und alle starrten die neuen Erstklässler an. Libra versuchte sich so klein wie möglich zu machen; sie mochte es gar nicht im Mittelpunkt zu stehen. Nach und nach wurden alle aufgerufen, doch Libra konnte sich nicht wirklich auf die Zeremonie konzentrieren. Sie hatte einen Mann am Lehrertisch entdeckt und kam sich vor als schaute sie in einen Spiegel. Natürlich war er älter, allerdings waren die kantigen Gesichtszüge die gleichen. Ebenso das Haar und überraschende Weise auch der Gesichtsausdruck. Sie starrte ihn unverwandt an und plötzlich stahl sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen.

Der Mann wunderte sich. Er wurde nicht angelächelt. Vor allem nicht von Erstklässlern, diese rannten schreiend weg, wenn sie ihn zum ersten Mal sahen. Dieser Mann war der gefürchtetste Professor der Schule. Severus Snape. Professor für Zaubertränke und Hauslehrer von Slytherin.

Das wusste Libra zu diesem Zeitpunkt noch nicht, also wandte sie ihren Blick wieder ab und konzentrierte sich wieder auf die Zeremonie. Plötzlich hörte sie ihren Namen.

„Libra Theodora Wilson." Sie bewegte sich im Schneckentempo auf den Schemel zu. Als ihr der Hut aufgesetzt wurde, erschrak sie fürchterlich, denn sie hörte plötzlich eine Stimme in ihrem Kopf: Hmmm, du bist interessant! Mutig wie deine Mutter und schlau und gerissen wie dein Vater. Soll ich dich nach Gryffindor schicken? Dort wirst du viel Spaß haben und Abenteuer erleben. Oder nach Slytherin? Du könntest wie dein Vater wahre Freunde finden und dein Talent ausschöpfen. Ohh, ich sehe du bist ehrgeizig und scheust nicht davor dein Wohl über das der anderen zu stellen. Du kommst nach „SLYTHERIN!!"

Das letzte Wort brüllte er durch die gesamte Halle. Sie hob ihren Kopf mit einem süffisanten Grinsen und gesellte sich zu den anderen Schülern an den Slytherintisch. Dort erwartete sie schon Draco Malfoy, der sie mit einem „Das hätte ich mir denken können" begrüßte. Sie lächelte ihn nur an und sah wieder zum Lehrertisch. Sie war eine der Letzten gewesen und Dumbledore trat an sein Sprechpult um seine Begrüßungsrede zu halten. Ihnen wurde untersagt in den Verbotenen Wald zu gehen und die Schulregeln wurden erklärt. Mr. Filch sollte man laut Draco meiden. Allerdings hörte Libra nur mit halbem Ohr zu. Ihr Blick war wieder zu dem Mann an der Lehrertafel gewandert, der den Schülern als Professor Snape vorgestellt worden war. Sie beobachtete ihn die ganze Zeit, immer wenn er seinen Blick nicht auf die Schüler gerichtet hatte.

Nach dem Essen wurden sie von den Vertrauensschülern in ihre Gemeinschaftsräume gebracht. Ihre Koffer waren schon auf ihre zukünftigen Zimmer gebracht worden. Libra teilte sich den Schlafsaal mit drei anderen Mädchen. Sie schienen ganz nett zu sein, allerdings quasselten sie ununterbrochen, was auf Dauer sehr nervenaufreibend war, weshalb sie nach nur einer halben Stunde in den Gemeinschafsraum flüchtete. Am Kamin gab es keine Plätze mehr und auch alle anderen Sofas waren besetzt. Deshalb setzte sie sich auf das Fensterbrett eines der Fenster, die auf den See zeigten. Von dort sah sie das Portrait von Salazar Slytherin, der den ganzen Raum zu überwachen schien. Libra versank in Gedanken, bis eine Stimme sie störte. „Ich wollte dir Bescheid geben, dass jetzt Sperrstunde ist und die Erstklässler ins Bett sollten. Immerhin ist morgen euer erster Tag." Sie drehte ihren Kopf und sah einen Jungen vor sich stehen. „Und warum sollte ich dir glauben? Ich denke nicht, dass du zu bestimmen hast, wann ich schlafen gehen soll." Libra wusste, dass sie etwas hart zu ihm war, aber man durfte sie einfach nicht stören, wenn sie nachdachte. Da reagierte sie immer etwas über. „Blaise lass sie in Ruhe. Es ist ihr Problem, wenn sie morgen im Unterricht einschläft." Damit hatte Draco sie erwischt. Seit wann stand er da? Wütend stand sie auf und verzog sich in ihren Schlafsaal.

Draco grinste ihr nur hinterher. Er hatte geahnt, wie wichtig ihr der Unterricht war.

Das nächste Kapitel etwas früher als gedacht. ich habe zwei Freistunden und die müssen genutzt werden ;))

Another Snape?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt