1. Every Morning the same procedure

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Jeden Morgen sah ich aufs Neue zu dem großen Gebäudekomplex.

Jeden Morgen aufs Neue stellte ich mir vor, wie es wäre, eine der Großen zu sein.

Wie es wäre, SIE persönlich zu treffen.

Ava Hawkins, eine Göttin.

Seufzend wandte ich mich wie jeden Morgen ab, um in das kleine Café auf der anderen Straßenseite zu gehen.

Wie jeden Morgen stand ich 5 Minuten auf dem Gehweg, bis sich ein netter Autofahrer dazu erbarmte, für mich anzuhalten und mich über die Straße zu lassen.

Wie jeden Morgen hob ich dankend meine Hand und stolperte keine Minute später durch die Tür in das mehr oder weniger schäbige Café.

Bis heute wusste ich nicht, wieso ich überhaupt hier angefangen hatte.

Ich wusste, dass die Bezahlung nicht gut sein würde.

Hier verirrten sich nur wenige Leute hin. Sei es wegen dem schlechten Service - schlechte Bezahlung wirkt sich schließlich auf das Personal aus - oder einfach wegen der schlechten Getränke und Speisen, gegen die sogar ein pampiger Fertigkuchen aus dem Supermarkt besser war.

Wie auch immer, hielt sich der Laden seit gut 5 Jahren über Wasser, angestellt war ich seit 3 Jahren.

Ich hatte allerdings auch von Anfang an keine Chancen auf einen guten Job. Ich hatte mein Abitur komplett verhauen und mich schließlich dafür entschieden, es nicht noch einmal zu probieren, da ich erstens den Schulstoff nie hätte aufholen können und zweitens nie im Leben genug Geld hätte auftreiben können. Von meinem Vater hatte ich damals keine Unterstützung erhoffen brauchen. 2 Wochen danach kam lediglich eine Karte mit den Worten "Es tut mir leid, kommst du ohne sie klar, sag Bescheid, wenn du etwas brauchst". Unpersönlich mit dem Computer geschrieben, ohne Adresse. Als ich 2 Tage später versucht hatte, ihn telefonisch zu erreichen, wurde mir lediglich verkündet, dass die Nummer wohl nicht mehr vergeben war.

Ich hängte meinen Mantel, der auch schon bessere Tage gesehen hatte an den Haken und band mir die Schürze um. Bevor ich mich an den Tresen begab, fischte ich noch einmal das Bild meiner Mutter aus der Jackentasche, welches sich seit 4 Jahren immer dort befand. "Ich weiß, du hättest dir mehr für mich gewünscht. Ich werde hier irgendwann rauskommen. Und dann hättest du stolz auf mich sein können", wiederholte ich wie jeden Morgen mein Mantra, bevor ich das Bild eilig zurücksteckte und hinter den Tresen trat, um die ersten, schlecht gelaunten Kunden mit billigem Kaffee zu bedienen.

GODDESS I                                                         Das Angebot ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt