Kapitel 6

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Defnes Sicht

Die ganze Fahrt lang versuchte er einen Gespräch aufzubauen, doch ich nickte nur oder schüttelte meinen Kopf. Als er es endlich aufgab, erinnerte ich mich an etwas. An das etwas, das mich zum Weinen brachte.

Ich war in meinem Zimmer und las einen Buch. Es klopfte an der Tür und mein Vater kam herein. Ich legte meinen Buch beiseite und er setzte sich zu mir.

"Kızım, du weißt, dass ich dich liebe oder?" (meine Tochter)

Ich nickte unsicher. War etwas los?

"Ich bin der erste Mann der dich geliebt hat und der dich für immer lieben wird. Vergiss das nie."

"Baba ist etwas los?" (Vater)

"Es ist nichts kızım. Seni sevdiğimi söylemek istedim sadece." (Ich wollte nur sagen, dass ich dich liebe.)

"Ich weiß, dass du mich liebst. Aber wieso sagst du das so plötzlich? Ich weiß, dass etwas passiert ist. Ich merke es."

Er bekam Tränen in den Augen und nahm mich in seine Arme.

"Baba noldu?" (Papa was ist los?)

Er fing an zu weinen. Ich bekam auch Tränen in den Augen. Ich konnte es nie sehen, wenn jemand weinte. Vorallem nicht meine Eltern, sowie mein Bruder. Es schmerzte in meinem Herzen und ich fing dann genauso zu weinen. Wie jetzt.

"Rüyamda öldüğünü gördüm." (Ich habe geträumt, dass du gestorben bist.)

"Ölmedim ama ben. Burdayım ben." (Ich bin aber nicht gestorben. Ich bin hier.)

Er löste sich von mir und nahm meinen Gesicht zwischen seinen Händen.

"Ich liebe dich kızım. Allah kann nur wissen wann du sterben wirst, aber ich werde alles tun, damit du nicht früh stirbst. Ich will noch deinen zukünftigen Mann das Leben schwer machen. Er wird dich nicht so leicht bekommen." (meine Tochter)

Er lachte und wischte mit seinen Daumen meine Tränen weg.

"Defne? Neden ağlıyorsun?" (Warum weinst du?)

Ich zuckte zusammen und wischte meine Tränen weg. Ich holte tief Luft und versuchte mich zu beruhigen. Als ich merkte, dass er mich ansah und immer noch auf eine Antwort wartete, zuckte ich mit meinen Schultern. Er sah mich ungläubig an.

"Zwar weiß ich nicht, was du hast und was meine Mutter mit, 'wir sehen uns morgen' gemeint hatte, aber du kannst mit mir darüber sprechen, wenn du willst."

Wollte ich das? Einerseits schon, aber andererseits auch nicht. Ich hatte keine Kraft mehr und wollte nichts mehr tun. Nur noch ins Bett gehen und weinen wollte ich. Oder noch besser wäre es, wenn es ein Traum gewesen wäre. Wenn ich jetzt aufstehen würde und ins Zimmer meiner Eltern rennen würde und sie dort schlafen sehen würde. Doch das Leben war eben kein Wunschkonzert.

Ich schüttelte meinen Kopf und sah raus. Erst jetzt bemerkte ich, dass Ömer nicht mehr fuhr und wir schon da waren.

"Danke."

Ich stieg aus und lief auf unserem Haus zu. Mein Herz und meine Atmung besserten sich bei jedem Schritt den ich machte. Zwar hatte ich keine Ahnung, weshalb es so war, doch, dass es wegen Ömer war, wusste ich ganz genau.

Ich öffnete die Tür und sah mich um. Könnten meine Eltern nicht plötzlich raus kommen und sagen, dass sie uns verarscht hatten?

"Nasıl geldin buraya? Habe ich nicht gesagt, dass du mich anrufen sollst?" (Wie bist du hier her gekommen?)

"Doch, aber Frau Gencer meinte, dass sein Sohn mich fahren sollte und ich dich nicht stören sollte."

"Ömer hat dich gefahren?"

Er sah mich wütend an.

"Ja."

"Du wirst dich nicht in seiner Nähe aufhalten Defne!"

Ich sah ihn fragend an, doch nickte danach. Zwar wollte ich wissen, warum mein Bruder es nicht wollte, doch gerade hatte ich nicht so einen Drang, um es fragen zu wollen.

"Bavulunu hazırladım yarın için." (Ich habe deinen Koffer für morgen gepackt.)

Ich nickte erneut und ging dann hoch in meinem Zimmer. Als ich die Tür hinter mir schloss, ging ich auf meinem Bett zu, setzte mich hin und fing an zu weinen. Es war nicht mal ein Tag vorbei und ich hatte keine Kraft mehr. Wie würde ich es in den nächsten Tage, Monate oder Jahre schaffen ohne meinen Eltern zu leben? Ich versuchte mich zu beruhigen, doch es ging nicht. Ich konnte die Herzstechen, die wie Messerstiche anfühlte und meine Atmung nicht kontrollieren. Schnell stand ich auf und lief auf meinem Fenster zu und öffnete sie. Wie heute morgen versuchte ich mich zu beruhigen und normal zu atmen, was mir nach einer Zeit auch gelang.

"Defne?"

Ich drehte mich um und sah meinen Bruder vor der Tür. Er kam auf mich zu, blieb vor mir kurz stehen und umarmte mich plötzlich.

"Defnem, kardeşim. Ich weiß, dass das alles richtig schwer ist. Ich leide auch darunter, aber versuch nicht zu viel zu weinen und dich fertig zu machen okay? Was, wenn dir auch etwas passiert? Wie soll ich dann damit leben? Wie soll ich ohne meinem Fettsack leben?"

Bei jedem Satz drückte er mich noch fester zu sich und kaum zu glauben, aber ich weinte wieder!

"Ağlama dedim!" (Wein nicht habe ich gesagt!)

Er löste sich von mir, wischte seine Tränen weg und ich versuchte mich zu beruhigen.

"Tamam abi."

Ich wischte meine Tränen weg und versuchte zu lächeln. Levent abi lächelte auch etwas, aber man sah, dass er sich dazu zwang.

"Yat sen şimdi." (Schlaf du jetzt.)

Er ging auf meinem Bett zu und öffnete die Decke. Dann holte er aus meinem Schrank eine Jogginghose und einen T-Shirt raus.

"Bunları giy." (Zieh die hier an.)

Ich nickte und ging ins Bad. Schnell zog ich mich um und putzte meine Zähne. Danach ging ich in meinem Zimmer und legte ich mich in meinem Bett. Levent abi deckte mich zu, gab mir einen Kuss auf die Stirn und gerade, als er gehen wollte, hielt ich ihn auf. Er drehte sich um und sah mich fragend an.

"Burada yat. Lütfen." (Schlaf hier. Bitte.)

Er nickte und ging raus. Nach nicht mal zwei Minuten kam er umgezogen zurück und legte sich neben mich. Ich kuschelte mich an ihm und er legte seinen rechten Arm um mich. Ich schlief recht schnell ein, da ich müde war und träumte, wie glücklich ich war. Mit meiner Familie.

Defne & ÖmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt