Teil 19

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Die nächste Woche verlief gleich. Sobald Keigo auch nur versuchte zu sprechen, wurde er auf Drogen gesetzt. Sein Rachen trocknete aus, er konnte doch wenigstens Nahrung zu sich nehmen! Aber selbst das wurde ihm verwehrt. Er gab es auf zu sprechen und beobachtete die Abläufe stumm, um ein System, und vor allem eine Lücke in diesem System zu finden. Einen kleinen Fehler, durch diesen er abhauen könnte. Denn wenn dieser Aufenthalt ihm eins beigebracht hat, dann, dass die Helden die schlimmsten Methoden verwendeten, um jemanden zum schweigen zu bringen. 

Keigo müsste lügen, wenn er sagen würde dass er keine Angst vor dem Mann hatte. Schließlich hatte er die Macht darüber, ihn, wann immer er wollte, auf unbekannte Drogen zu setzen. Er könnte ihm eine Überdosis geben, ganz ohne dass Keigo sich auch nur wehren könnte. So sehr er es auch hasste, sein Leben lag in der Hand dieses Mannes. Genau deshalb schwieg er, sobald dieser Mann den Raum betrat. Deshalb gab er es auf zu sagen, dass er genau merkte, was los war, dass er wusste, wer er war und was er konnte. 

Alles, was der einst so vorlaute Held nun tat, war, schweigen und warten. Er wusste nicht, auf was er wartete. Vielleicht auf eine Rettung? Er war wahrscheinlich zu gut bewacht für sowas. 

Als die Schwester aufstand, konnte er einen schnellen Blick auf ihre Armbanduhr erhaschen. Es war Punkt 20 Uhr. Das brachte ihn auf eine Idee. Der Arzt war nie beim Schwesternwechsel da, und dort waren für … einige Zeit auch keine Schwestern anwesend. Keigo versuchte die Sekunden zu zählen, verzählte sich aber des öfteren. Als die neue Schwester hereinkam, stellte er enttäuscht fest, dass sie keine Uhr trug. Das hieß, auf die nächste warten, und das tat er. 

Tagelang versuchte er Uhren oder Bildschirme zu sehen, und einige Male gelang es ihm. Sein Zählen konnte er jedoch nie testen, weil nie zwei Schwestern mit Uhren nacheinander in den Raum kamen. Den ganzen Tag und die ganze Nacht brannte die helle Lampe und ein Fenster gab es nicht, was bedeutet, dass er sich wohl oder übel gedulden musste.

Nach vier Wochen, hatte er einen Zeitplan in seinem Kopf, wann die Schwestern wechselten. Zumindest dachte er das, denn als am nächsten Morgen die neue Schwester kam, war sie zwei Stunden zu spät. Immerhin konnte er nun versuchen seine Zählfähigkeit zu verbessern. Also begann er möglichst exakt die Sekunden in seinem Kopf durchzugehen. Als die Schwester sich erhob, schaute er schnell auf ihre Uhr und rechnete dann die Sekunden um. Er war eine Stunde zu schnell, das war für den Kurs von acht Stunden zu ungenau. 

Also verbrachte er seine weiteren Wochen damit, die Zeit zu zählen und nach Ewigkeiten bemerkte er endlich eine Verbesserung. Er wurde genauer, traf die Sekunden besser und die Abweichungen wurden immer kleiner und kleiner. Also riskierte er es, als eine Schwester mit Uhr ging, begann er zu zählen. Er kam auf 4 Minuten und 32 Sekunden bis die nächste da war, und endlich hatte er zwei hintereinander mit sichtbaren Uhren. Tatsächlich war er 4 Minuten und 40 Sekunden alleine, was bedeutete, dass er relativ genau gezählt hatte. 

Die nächste Woche zählte er sämtliche Zeiten, und kam auf einige Ergebnisse. Morgens hatte er nur 2 Minuten und 23 Sekunden, und Abends waren es zwischen 4 Minuten 30 und 5 Minuten. Wenn er ausbrechen würde, dann Abends. Aber er verstand das Muster des Zeitplans nicht. Er konnte sich nichts notieren, weshalb er sich sämtliche Zeiten merken musste. Und nach einigen Wochen kam er endlich drauf. 

Die zweite Schicht war immer eine Stunde länger als die davor, aber die Dritte war vier Stunden kürzer. Die Vierte war eine Stunde kürzer als die Erste. Die Fünfte war eine halbe Stunde länger als die Zweite und die Sechste war genau 23 Minuten kürzer als die Erste. Die Siebte war doppelt so lang wie die Dritte und die Achte war gleich lang wie die Erste, nur, dass es wieder auf die volle Stunde gerundet wurde. Die Neunte war so lang, wie die Siebte und die Zehnte war immer acht Stunden lang, was sie mit der Ersten gleichsetzt. 

Keigo seufzte, er hatte den Code geknackt und was jetzt? Sein großes Problem, die Fesseln hatte er nicht einmal bedacht. Also beschloss er, sich weiter auf die Zeiten zu konzentrieren. Und für die nächsten zwanzig Schichten passte er perfekt, doch dann verzog sich die zehnte Schicht. Wenn sich jetzt also alle anderen Schichten verziehen würden, würde seine Theorie weiterhin stimmen, wenn nicht, dann hatte er ein Problem. 

Aber tatsächlich, die restlichen Zeiten verzogen sich auch, nur für die nächsten vier Durchläufe blieben sie so, bevor sie wieder ins alte Muster liefen. Das musste er sich merken, alle fünf Runden wechselt sich die Grundzeit. Er fühlte sich wie im Mathematikunterricht in der achten Klasse, wo er gerade eine komplizierte Variabelgleichung auflöste. Mit dem kleinen Unterschied, das diese Gleichung sein Leben retten könnte.

Keigo blieb konzentriert und schaffte es mittlerweile den Arzt auszublenden. Seine volle Konzentration galt den Schwestern, vorzugsweise denen die Uhren trugen. Sein Zählen wurde immer genauer und dann beschloss er sein großes Problem anzugehen. Die Fesseln, die ihn auf dem Stuhl hielten. Wären seine Federn noch da, könnte er sie einfach durchtrennen, aber leider war diese Option nicht mehr möglich. Ein Feuerzeug würde er auch nicht bekommen, deshalb musste er es anders angehen. 

Er schaute die Schnallen genau an, versuchte zu verstehen wie sie geschlossen waren. Er meinte Zahnräder zu erkennen, die den Rücklauf blockierten, es gab irgendwo einen Hebel. Keigo schaute sich am Stuhl um, fand den Hebel aber nicht. Er konnte nicht mehr, er war bereit seine Karriere aufzugeben. Er wollte auf keinen Fall weiter dort sein, alles in ihm verlangte nach Dabi. Aber Dabi kam nicht. Keigo vermutete nicht, dass Dabi ihn einfach im Stich lassen würde, eher, dass er keine Möglichkeit hatte reinzukommen, oder gar nicht erst wusste wo sich der Blonde befand. Deshalb musste Keigo alleine hier raus kommen. 

Trust Issues. (Dabihawks [BNHA])✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt