19. Kapitel

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Es war schwer zu verarbeiten.

Es war wirklich schwer. So viel Zeit war vergangen und ich hatte mich noch nicht bemüht endlich zu realisieren, dass sie tot war.
Lynn würde nie ihre Mutter kennen lernen und würde nie mehr in ihre Augen sehen können, die mir immer wieder gezeigt hatten wie wertvoll das Leben war.
Ich hatte jede Nacht Angst einzuschlafen, nur um enttäuscht zu werden wieder nicht von ihr, gestehe denn überhaupt geträumt zu haben. Juju schlief immer vor mir ein, auch wenn sie erst später wieder bei mir war, weil sie etwas mit Freunden gemacht hatte.
Die Medien schrieben sich ihre Finger wund, weil ich ihr Süßigkeiten geschenkt hatte und wir essen waren.
Klar, dass es nicht nur um mich ging. Wir sorgten uns beide auch um unsere Beziehung zueinander, das, was wir eigentlich schon viel früher machen wollten. Es ging nicht nur darum, dass ich verarbeitete, dass Charlie nicht mehr da sein würde, es ging auch darum, dass ich andere Frauen an mich ran lassen sollte, weil es sonst viel schwerer werden würde Juju zu vertrauen. Wir müssten uns besser kennenlernen und das nicht nur durch Trauerspiele.
Ich wusste, dass sie mich nur so weit bringen wollte, dass ich jemand anderen aus meinen Freundeskreis meiner Tochter anvertrauen kann. Sie war nicht hinterlistig, sie konnte nur nicht alles allein machen. Sie versprach mir oft auch danach noch für mich da zu sein. Sonst würden wir uns nicht daten. Auch wenn wir schon für eine Woche im selben Bett schliefen...
,,Ich könnte dir das sagen was ich dir jede Nacht sage aber du würdest eh nicht schlafen." murmelte sie und lag mit dem Rücken zu mir.,,Ich denke du hast recht." meinte ich nur und sah trostlos an die Decke.,,Worüber denkst du Nachts immer nach?" fragte sie mich und drehte sich zu mir.,,Nichts. Ich will nur nicht schon wieder nichts träumen beziehungsweise Träume haben in denen sie nicht drin vorkommt. Jeder Traum ohne sie ist wie ein Albtraum." erklärte ich leise und blinzelte meine Tränen aus meinen Augen die langsam über meine Wangen rollten.,,Ich versteh warum das blöd für dich ist aber du musst schlafen. Du siehst scheiße aus. Du kannst doch gar nicht wissen ob du von ihr träumst wenn du nicht schläfst. Und selbst wenn nicht kannst du dich auch nach dem Schlaf mit ihr beschäftigen."
,,Im Traum habe ich das Gefühl ihr am nächsten zu sein." sagte ich.
,,Egal was du tust, sie wird körperlich nie mehr bei dir sein. Sie ist immer da und du kannst vieles tun um das zu spüren. Träume sind eine Sache. Beschäftige dich mit ihr wenn du ihr nahe sein willst. Ihre Tochter ist ein Zimmer weiter. Wenn du mich fragst gibt es nichts was dir von ihr näher sein kann." Schon wieder hatte sie recht.,,Schlaf bitte einfach." bat sie mich und gab mir einen Kuss auf meine Wange.
Ich antwortete darauf nicht und schloss einfach meine Augen.
Juju legte ihren Arm um mich und strich mit ihren Fingern mein Ohr entlang oder durch meine Haare.
Wen würde das nicht entspannen?
Sie machte das jeden Abend beziehungsweise jede Nacht aber bis jetzt habe ich mich immer weggedreht.
Nach einiger Zeit drehte ich mich langsam zu ihr und schloss sie in meine Arme. Ich hoffte sie wusste wie dankbar ich ihr eigentlich war.
Immer noch streichelte sie mich bis sie es damit wirklich schaffte mich ins Land der Träume zu befördern und nach langer Zeit öffnete sich mir wieder das ein oder andere Bild vor Augen als ich mich in meinem Traum umsah.

Ich sah auf meine Füße. Sie waren voller Blut da die Scherben des sich schon aufgelösten Bildes dort ihre Spuren hinterlassen hatten. Der Schmerz machte mir das Laufen schwer aber etwas sagte mir, ich sollte zurück in diesen Gang. Ich wollte nicht aber ich musste.
Dieser Weg kam mir schwerer vor als eine Bergwanderung mit dreißig Kilo Gepäck. So fühlte es sich auch auf meinen Schultern an... Und dazu noch meine verletzten Füße dessen Schuhe schon so sehr zerfetzt waren. Nur durch diese Scherben. Ich setzte mich auf den Boden und sah hinter mich. In dem Moment dachte ich, es wäre besser sitzen zu bleiben aber mit jedem Gedanken daran schmerzten meine Füße mehr. Also stand ich auf und nahm den Weg auf mich. Zurück in diesen dunklen Gang.
Fragend kniff ich meine Augen zusammen als mit jedem Schritt näher das Ende vom Gang heller wurde. Ich riss mich zusammen und sammelte all meine Kraft. Ich ignorierte die Schmerzen und kämpfte mich trotz der Last auf meinen Schultern nach vorne zum Licht. Erschöpft hing ich mich an die Tür und sah noch ein letztes Mal zurück. Schluchzend sah ich meinen Erinnerungen dabei zu wie sie ein letztes Mal Revue passierten.
Charlie und ich wie wir zusammen in diesem Teich badeten wie so oft... Der Abend den wir nicht schlafen konnten und einfach getanzt hatten, als sie in meinem Arm einschlief als wir am Strand in unseren Flitterwochen lagen. Der Moment als sie mir sagte, dass sie schwanger war, und viel mehr was ich einfach nicht erklären konnte. Als letztes weitete sich die Erinnerung aus die zeigte, wie ich sie das erste Mal getroffen hatte. Ich hörte das Gespräch was wir führten im Hintergrund. Immer mehr verlor ich mich in ihren Blicken bis sie blinzelte.
Wie ein Schlag traf mich dieses Blinzeln und schubste mich durch die Tür. Ich hielt mich mühevoll am Griff fest. Eigentlich wusste ich, ich könnte zurück aber jetzt los zu lassen wäre einfacher. Meine Gedanken würden bei ihr bleiben...

These high walls - RAF Camora FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt