7. Kapitel

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Da Thea erst heute Nacht Geburtstag hat, ist sie bevor und Bruno uns abholt, bei mir vorbeigekommen, damit wir uns zusammen fertig machen können. Ich habe auch Melissa gefragt, doch sie meinte, sie wolle sich lieber alleine Zuhause fertig machen und noch ein wenig Ruhe haben. Sie musste auch heute wieder ihrer Familie im Restaurant helfen. So langsam frage ich mich, ob es bei ihren Eltern nicht gut läuft und sie keine anderen Kellner mehr haben und Melissa deswegen ständig mithelfen muss.

„Willst du wirklich deine Haare so tragen?", erkundigt sich Thea bei mir und lässt eine meiner Haarsträhnen durch ihre Finger gleiten, während ich mir zum dritten Mal versuche einen einigermaßen ordentlichen Eyeliner zu ziehen.

„Was stimmt denn nicht mit meinen Haaren?" Ich sehe an meinen Haaren herab, ich trage die gleiche Frisur wie immer.

„Die sehen so brav aus", stellt sie und zwirbelt sie zusammen.

„Die sehen aus wie immer."

„Ja genau."

„Vielen Dank auch", bedanke ich ironisch bei ihr und setze mein Make-up fort.

„Ich hab da eine Idee, darf ich?", mit großen Augen beobachtet sie mich von der Seite. Ich luge zu ihr hinüber und sehe ihren Schmollmund, der mich genervt mit den Augen rollen lässt. Theas Style ist nicht ganz mein Fall. Ich trage am liebsten dezente Klamotten, in Pastell oder Erdtönen, Thea hingegen ist die rockige. Ihr Farbschema ist schwarz. Ich trage gerne Stoffhosen, helle Röhrenjeans und Kleider, mein blauer Jeansrock ist das einzige Kleidungsstück in meinem Schrank, das aus der Reihe tanzt. Sie trägt T-Shirts mit Bandlogos, zerrissene Jeanshosen und Vans.

„Bitte, Toni. Wenn es dir nicht gefällt, dann glätte ich sie dir wieder", bettelt sie mich an. Sie weiß genau, dass ich schlecht im Nein, sagen bin und willige ein.

Nach fast einer Stunde lässt zieht sie das Kreppeisen, dass sie auf der größten Stufe eingestellt hat, aus der Steckdose und ich darf mich endlich im Spiegel begutachten. Und ich muss mit Erstaunen feststellen, dass ich positiv überrascht bin. Es sieht ganz anders aus, als ich gedacht habe. Ich bin davon ausgegangen, dass sich die Länge meiner Haare um mindestens die Hälfte verkürzt, aber durch den großen Aufsatz, fallen mir meine Haare noch locker über die Schultern.

„Und? Wie findest du es??", will Thea wissen und beißt sich vor lauter Aufregung auf die Unterlippe.

„Ich erkenne mich kaum wieder, aber irgendwie mag ich's!", gebe ich zu und werfe meinen Kopf von links nach rechts, um alle Seiten meines Kopfes zu betrachten. Allerdings passt mein Outfit, dass ich mir für den heutigen Abend ausgesucht habe nicht mehr dazu.

Hinter mir hüpft Thea jubelnd hin und her. „Und jetzt suche ich dir noch ein passendes Outfit."

„Auf keinen Fall!", protestiere ich, doch ich habe den Satz noch nicht richtig ausgesprochen und die ersten Teile fliegen aus meinem Kleiderschrank und landen auf dem Fußboden, auf dem Thea bereits ihre gesamten Sachen verbreitet hat. Meinen inneren Monk kostet es sehr viel Überwindung, die Klamotten nicht gleich wieder aufzuheben und in den Schrank zu hängen. Es würde nichts bringen, so lange Thea in ihrem Element ist, sollte ich ihr nicht in die Quere kommen.

„Wie wäre es hiermit?" Sie hält mir eine schwarze Röhrenjeans und ein viel zu tief aufgeschnittenes Oberteil, das ich noch nie getragen habe, weil es mir zu freizügig ist.

„NEIN!", quieke ich und nehme ihr das Oberteil aus der Hand, um es in die hinterste Ecke meines Schrankes zu hängen.

„Dann eben das! Letzte Chance."

Obwohl ich mich zu Beginn alles andere als angetan war, von dem Outfit, dass Thea herausgesucht hat, fange ich an, das Outfit zu fühlen. Die schwarze Röhrenjeans und das schwarze Spitzencroptop gefallen mir sehr gut und ist etwas ganz anders als meine üblichen Outfits.

Wie versprochen hat uns Punkt 22 Uhr Bruno bei mir zu Hause abgeholt.

Auf dem Weg in den Club holen wir noch Melissa ab, die aber jetzt schon nicht besonders glücklich aussieht. Ich beäuge sie, wie sie auf das Auto zugeeilt kommt, in ihrem viel zu großen Hoodie, einer zerrissenen Jeans und Turnschuhe. Hat sie vergessen, was wir zu feiern haben? Wenn sie den ein oder anderen Shot getrunken hat, werde ich sie zur Rede stellen. Melissa ist betrunken ein offenes Buch und kann keine Geheimnisse für sich behalten.

Thea hat noch einige aus unserem Jahrgang eingeladen, die kurze Zeit nach uns den Club mitten in Berlin betreten haben. Nachdem sich Thea und ich uns die ein oder andere Runde Tequila gegönnt haben, finden wir uns mit all den anderen auf der Tanzfläche wieder. Alle, bis auf Melissa, die sich mit Bruno in der Lounge zurückgezogen haben. Schon heute Morgen hat mir Bruno mitgeteilt, dass er heute die Finger weg vom Alkohol lassen wird und lieber den Taxifahrer spielen möchte. Seine Entscheidung, wir hätten auch zusammenlegen können und ein Taxi nehmen können.

Obwohl Thea und ich schon völlig außer Atem sind, schaffen wir es nicht uns von der Tanzfläche zu lösen und lassen uns einfach zum Rhythmus treiben. Obwohl der Club so voll ist, dass wir uns kaum bewegen können und immer ein anderer Rücken an meinem zu spüren ist, ist mir das total egal und ich genieße den Augenblick. Thea, die keine 20 Zentimeter von mir entfernt steht, fühlt offenbar dasselbe wie ich. Die bunten Laser, die von dem Scheinwerfer quer durch den Club geworfen werden, der Nebel der Nebelmaschine und der Alkohol, der meine Sinne beeinflusst, dass sich alles so leicht anfühlt, machen den Moment perfekt.

Beim nächsten Lied schmiegt sich Thea eng an mich und wir bewegen uns zum Takt der Musik, der unser Blut in Wallung bringt und unsere Körper zittern lässt.

„Oh mein Gott!", höre ich Thea in mein Ohr kreischen, doch ihre Stimme geht in der lauten Musik beinah unter. „Toni, dreh dich jetzt bloß nicht um!"

„Was ist denn?", schreie ich zurück und will ihrem Blick folgen, doch sie hält meinen Kopf einfach fest und versperrt mir die Sicht.

„Das wirst du nie und nimmer glauben, aber ein gewisser Herr Engel, ist hier in dem Club und starrt in unsere Richtung. Oh mein Gott, außerhalb der Schule ist er noch schärfer!"

Ich reiße mich von Theas Griff los und drehe meinen Kopf in die Richtung, in die Thea starrt. Und da steht er, nur ein paar Meter von uns entfernt. Herr Engel. Ich kann nicht anders, als ihn von oben bis unten zu mustern. Seine Haare stehen wild von seinem Kopf ab und schimmern im hellen Licht der Scheinwerfer Gold und mit seinen braunen Boots, der grauen Hose und dem schwarzen engen T-Shirt kann ich nicht anders als Thea zustimmen, er sieht wirklich unheimlich scharf aus. Sein Nicken in unsere Richtung lässt uns wissen, dass er uns gesehen hat. Seine hellblauen Augen, die auf meine grünen Augen treffen, lassen mein Herz, das durch den Alkohol sowieso schon viel zu heftig in meiner Brust schlägt, noch einen Tick schneller schlagen.

Wie von der Tarantel gestochen beende ich den Blickkontakt und drehe mich wieder zu Thea um. Er kann noch so heiß aussehen, seine Aktion von gestern habe ich nicht vergessen. Er hat mich vor der gesamten Klasse blöd angemacht und auch noch ohne Grund.

„Wollen wir Hallo sagen?", schlägt Thea vor und umgreift mein meine Hand und will mich mit ziehen. Ich reiße meine Hand aus ihrer und bleibe stehen. „Nein! Ganz bestimmt nicht!", weigere ich und versuche dem Drang zu widerstehen in seine Richtung zu schauen. Es ist unzählige Clubs hier in Berlin, warum muss er ausgerechnet hier sein?

„Aber er ist so heiß, ist doch egal, was er gestern gemacht hat. Er hatte bestimmt nur einen schlechten Tag und jetzt sind wir in einem Club, vielleicht will er mit uns tanzen", versucht mich Thea zu überreden, aber ich bleibe bei meiner Meinung. Ich werde auf gar keinen Fall zu diesem Mann gehen.

„Ich bleibe bei nein! Und schau", ich zeige auf meine Armbanduhr „Es ist schon fast 0 Uhr, lass uns zu den anderen gehen." Ihr Blick wandert zwischen Herr Engel und mir hin und her. Sie ist hin- und hergerissen, entscheidet sich schlussendlich dann aber doch für mich und wir gehen zu Bruno und Melissa, die immer noch in der Lounge sitzen und sich beide an einem Wasser festhalten.

Thea sprintet die drei Stufen zur Lounge nach oben und lässt sich neben Melissa nieder. Noch bevor ich neben Bruno Platz genommen habe, berichtet sie von der Sicht unseres Lehrers. „Warum auch nicht, er ist bloß Lehrer und selbst noch jung?", wirft Bruno in die Runde und wirft mir ein kurzes Lächeln zu. „Ein verdammt heißer Lehrer", erwidert Thea und beißt sich verführerisch auf die Unterlippe, um ihrer Aussage noch mehr Kraft zu verleihen.

„Thea! Es ist 0 Uhr, du bist offiziell 18 Jahre alt!!! Herzlichen Glückwunsch!", ich falle ihr um den Hals und hüpfe mit ihr auf und ab. Jetzt fehlt nur noch Melissa und wir sind alle Volljährig und wir kommen alle, ohne einen falschen Ausweis in die Clubs. Heute hat sie zum Glück den ihrer Schwester bekommen und Thea haben sie tatsächlich mit ihrem hereingelassen, weil sie Geburtstag hat.

Ich gehe nach unten an die Bar, um Alkoholnachschub zu besorgen und dränge mich durch die Menge, um den Barkeeper, der mir zunickt klarzumachen, dass ich nochmal eine Reihe von Tequila bestellen möchte.

Mit einem Tablett voller Shotgläser wackele ich zurück, ich werde mir nun Melissa schnappen und ihr auf den Zahn fühlen. Dass sie heute, HEUTE, nicht mit uns feiert, dafür hat sie hoffentlich eine plausible Erklärung und nicht wieder diese ständigen Ausreden parat hat. Und ich will so viel trinken, dass ich vergesse, dass ein gewisser Herr Engel anwesend ist.

„Hier ist die nächste Runde, Melissa, vier davon sind für dich", bemerke ich und reiche Thea und ihr einen. Doch alleine Melissas Gesichtsausdruck, verrät mir, dass ich diese Rechnung ohne sie gemacht habe. Ihre Augen sind wieder gerötet und tiefe Augenringe zieren ihr Gesicht. Wie auf Knopfdruck macht sich ein schlechtes Gewissen in mir breit. Ihr geht es wirklich schlecht, so schlecht, dass trotz und nicht schafft ihren Kummer zu vergessen.

Ich stelle die Shotgläse wieder auf das Tablett und lasse mich vor Melissa nieder, lege meine Hände auf ihren Knien ab und mir selbst ihr Sicherheit zu geben. „Hey Melissa, was ist denn los? Du weißt doch, dass du mit uns reden kannst."

„Das weiß ich, aber ich will einfach nur nach Hause", die erste Träne kullert über ihre Wange und ich fange sie mit meinem Daumen auf und wische sie weg.

„Ich begleite dich, so solltest du nicht alleine sein. Wir nehmen uns ein Taxi."

„Nein, das ist nicht nötig. Du und Thea, ihr habt euch so auf heute Abend gefreut. Ihr bleibt. Bruno hat angeboten mich nach Hause zu fahren", erwidert sie und wischt sich mit den Ärmeln ihres viel zu großen Hoodie die Tränen beiseite, die ihre Wangen überströmen.

Ich drehe mich zu Bruno um, der neben Melissa sitzt und der mich eindringlich mustert.

„Ist das wirklich okay für dich? Ich würde auch mitfahren."

„Nein, nein. Ich fahre Melissa nach Hause und komme wieder", versichert mir Bruno, erhebt sich und hilft mir auf die Füße.

„Ich danke dir, melde dich bitte, wenn ihr angekommen seid", verabschiede ich mich und presse meine Lippen auf seine. Bruno ist wirklich ein großartiger Freund, er kümmert sich um meine Freundin, wenn es ihr schlecht geht. Ich kann mich glücklich schätzen.

Nachdem Bruno und Melissa den Club verlassen haben, blieb Thea und mir nichts anders übrig als die sechs Tequilas selbst zu trinken und noch einige Long Drinks mehr. Wenn Thea einmal in Fahrt gekommen ist, kennt sie keine Grenzen. Aber heute ist ihr Geburtstag, wenn nicht heute, wann sonst?

Es muss ein Geheimnis bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt