Es muss ein Geheimnis bleiben

10. Kapitel

Mein eigentlicher Plan war es, die restliche Woche einfach zu schwänzen, doch dann hätte ich Marlon und meinen Eltern erklären müssen, warum ich "ohne Grund" Zuhause bleibe. Am Ende hätte sich meine Mutter Urlaub genommen, damit ich nicht alleine mir die Augen aus dem Kopf heule und hätte mit mir die letzten Wochen bis ins kleinste Detail zu analysieren. Sie hätte noch ihren Wochenendtrip storniert. Doch das ist das aller Letzte was ich jetzt gebrauchen kann. Bruno und Melissa haben sich ganz bewusst aufeinander eingelassen, sie haben eine Entscheidung getroffen. Es war kein „Oh Hupala, ich wusste gar nicht, dass du der feste Freund meiner besten Freundin bist“. Nein, ganz bestimmt nicht. Melissa weiß von unseren Plänen nach dem Abitur und genauso ist es nichts Neues für Bruno, dass Melissa meine beste Freundin ist. Die beiden müssten schon gewaltig auf den Kopf gefallen, um das zu vergessen.

Möglich, dass auch ich das Problem bin und sich Bruno deswegen eine neue gesucht hat, doch dann hätte er genügend Eier in der Hose haben müssen, damit er bevor er mit ihr ins Bett steigt mit mir Schluss machen, dass wäre nur fair gewesen. So wie mit seiner Freundin vor mir. Noch vor drei Tagen haben wir nach Wohnungen gesucht und jetzt? Es will einfach nicht in meinen Kopf gehen. Wer weiß wie lange das zwischen den beiden schon geht.

Das gute Verhältnis zu meiner Mutter besteht nach wie vor, aber ich möchte weder mit ihr noch mit Thea darüber sprechen, die mich Dienstag mehrfach angerufen hat.

Selbstverständlich hat meine Mutter gespürt das etwas nicht stimmt, konnte sie aber damit besänftigen, dass ich einfach viel zu lernen habe und sehr gestresst bin.

Dennoch quälen mich die Gedanken, ob ich es hätte verhindern können, ob ich irgendwelche Anzeichen dafür übersehen habe, dass die zwei sich mehr mögen als sie vorgegeben haben. Aber mir fallen beim besten Willen keine an. Sie haben in der Schule auch keine Zeit zu zweit alleine verbracht und wenn haben sie sich nur angefeindet, aber selbst das ist nichts ungewöhnliches. Freunde streiten sich, das ist doch normal oder etwa nicht? Immerhin haben wir zu viert immer viel Zeit verbracht, daraus entstehen nun mal Meinungsverschiedenheiten.

Und so bin ich trotz dieser Sache jeden Tag in die Schule gegangen, Trübsal blasen kann ich auch in der Schule und kann wenigstens noch etwas sinnvolles dabei lernen. Wegen den beiden werden sicher nicht meine Noten leiden.

Vor Unterrichtsbeginn bin ich zu den Lehrern gegangen und habe sie gebeten, dass ich mich umsetzen kann, denn in jedem Fach habe ich entweder neben Bruno oder Melissa gesessen. Zu meiner Überraschung haben alle Lehrer widerstandslos mitgespielt, sogar Herr Engel, der es normalerweise gar nicht mag, wenn Schüler einfach ihren Platz tauschen.

So wie mich alle meiner Mitschüler angesehen haben, wissen sie alle was passiert ist und das Gerede wird nicht an den Lehrern vorbei gegangen sein, entnehme ich ihren mitfühlenden Gesichtern zu Urteil. Entweder es war Melissa selbst, die es dem Direktorat gemeldet hat oder unter den Zuschauern am Dienstag waren Lehrer dabei.

Weder Bruno noch Melissa haben sich die restliche Woche getraut in der Schule aufzutauchen. Und das obwohl ich mir ein paar richtig gute schlagfertige Sprüche für die beiden überlegt habe. Am Ende hätte ich mich wahrscheinlich doch nicht getraut etwas gegen die beiden zu sagen, doch der Wille zählt.

Die Pausen haben Thea und ich schweigend verbracht. Das liebe ich so sehr an Thea, sie war einfach für mich da, hat mich nicht dazu gedrängt etwas über das Geschehene zu sagen. Alles was ich über die beiden zu sagen hätte, wäre nicht sehr nett ausgefallen. Und da es sich bei Melissa nicht nur um meine beste Freundin handelt, sondern auch um Theas, wäre es nicht fair gewesen über sie herzuziehen. Denn obwohl ich zu tiefst verletzte aus dieser Misere gehe, will ich nicht in Melissas Haut stecken. Nicht nur, dass sie mich als ihre beste Freundin aus Kindheitstagen verloren hat, weil sie mit meinem Freund geschlafen hat, trägt sie auch noch Früchte aus ihrer Affäre.