Stationsalltag

1.4K 37 5
                                    

Es ist die 7. Schicht hintereinander. Jeden Morgen stehe ich um 04:30 Uhr auf, trinke Kaffee, gehe duschen und fahre zur Arbeit. Seit nun fast sechs Jahren arbeite ich als Krankenschwester und seit zweieinhalb Jahren auf der Intensivstation. Mein Beruf machte mir Spaß, aber seit der Corona-Pandemie ist vieles anders. Das Stresslevel meiner Kollegen ist am Limit und ich muss zugeben, dass es für mich auch nicht leicht ist. Viele Menschen haben wir in den Tod begleiten müssen, viele Menschen, die bei weitem noch nicht bereit dafür waren. Menschen mit kleinen Kindern, Geschwistern, Eltern. Menschen, so alt wie meine Eltern. Es war schlimm. Schlimm zu sehen, wie man ein letztes Mal zu seinem Patienten sprach und ihm versprach, dass alles wieder gut wird, bevor er in ein künstliches Koma gelegt, intubiert und künstlich beatmet wurde. Und nein - es wurde nicht alles wieder gut. In der Regel sind diese Patienten kurze Zeit später während einer Reanimation verstorben. Wir gaben alles, arbeiteten am Limit, aber im Endeffekt hatten wir wenig Chance gegen das Virus.

Auf der Arbeit angekommen, sehe ich, dass sich wieder einige Kollegen für den Frühdienst krank gemeldet haben. Na super, dachte ich mir. Bei einer vollen Station und wenig Personal, kann das eigentlich nur ein scheiß Dienst werden. Meine Stimmung erhellt sich, als ich auf Nadine treffe.
„Hey Naddel, hast du auch Frühdienst?" „Yes Baby!", antwortet meine Lieblingskollegin mit einem Grinsen.
„Gott sei Dank! Wenigstens etwas Gutes. Hast du schon gesehen? Wir sind heute wieder nur zu 6. Das bedeutet, es wird wieder spannend, was die Zimmereinteilung angeht. Ich wünsche mir einfach nur, dass diese ganze Corona-Kacke bald mal vorbei ist. Wir haben Glück, dass sich das Blatt langsam wendet und wir wieder verreisen können. Fliege ja nächste Woche in den Urlaub", erzähle ich der rothaarigen Krankenschwester voller Freude. „Ja (Y/N). Das hast du dir auch mehr als verdient. Wenn man bedenkt, wie oft du in letzter Zeit eingesprungen bist. Ich bin auch froh, dass sich dieser ganze Mist endlich dem Ende zuneigt."

Die Uhr zeigt 6 Uhr morgens. Zeit für die Übergabe vom Nachtdienst zum Frühdienst. Ich betreue zwei Corona-Patienten. Eine junge Frau, höchstens Anfang 40, ihrem Aussehen zu urteilen. Aus ihrem Mund ragt ein Schlauch, der Tubus. Die Patientin wird über eine Maschine künstlich beatmet, da ihre Lunge den Geist aufgegeben hat. Durch spezielle Medikamente, liegt sie in einem künstlichem Koma.
„Sie muss heute noch auf den Bauch gedreht werden." höre ich meinen Kollegen von der Nachtschicht sagen. Der zweite Patient ist älter und stark vorerkrankt. Nach einem Gespräch mit den Angehörigen wurde beschlossen, dass er sterben darf. Wir können aus medizinischer Sicht nichts mehr für ihn tun. Es wird besser für ihn sein, wenn er es geschafft hat. So viel Leid müssen manche Patienten hier ertragen. Doch das Schicksal der jüngeren Patientin trifft mich mehr.
Nachdem ich meine Arbeit weitestgehend verrichtet habe, schließe ich die Tür zu meinem Zimmer und betrete nach zwei Stunden endlich den Stationsflur.
Nachdem wir noch zwei Reanimationen aufnehmen mussten, ich meine Patientin mit Ach und Krach auf den Bauch legen musste (Proning Position bei Patienten im akuten Lungenversagen, kann die Sauerstoffaufnahme verbessern), wir neue Patienten aufnahmen und verlegten, war dieser doofe Dienst endlich vorüber. (Y/N) heul nicht rum, dachte ich mir. Noch einmal Frühschicht, dann wartet New York auf dich. Mit diesem Gedanken verlasse ich das Krankenhaus und fahre nach Hause.
Zuhause angekommen, hau ich mich erstmal auf die Couch. Nach so einem Frühdienst ist man ziemlich im Eimer. Umso genervter bin ich, als mein Handy klingelt, welches nicht in Reichweite liegt.
Wohl oder übel muss ich mich von der Couch erheben. Als ich aufs Display schaue, muss ich grinsen.
„Milli, was geht?", frage ich meine Cousine.
„Ey Fettiloni! Hast du schon gesehen wer zur Zeit in New York ist, um für seinen neuen Film zu drehen? Richtig! Chris Evans!". Sie liebt ihn, ich nicht. „Super..", antworte ich ihr mit ein wenig Ironie. „Ich denke die Wahrscheinlichkeit ist nicht gerade sehr groß, dass du ihn in einer der bevölkerungsreichsten Stadt der Welt über den Weg läufst." „Man darf ja wohl hoffen. Ich weiß, dass du eher auf die Bad Guys stehst, vielleicht hat er ja einen süßen Kumpel dabei." Wo sie recht hat, hat sie recht. Ich habe eben ein Faible für die Bösen. „Hast du mich jetzt nur deshalb angerufen? Du weißt, wie heilig mir mein Mittagsschlaf nach der Frühschicht ist!" Ich verdrehe die Augen, freue mich aber insgeheim schon wahnsinnig auf den Urlaub mit ihr. Milena ist meine Cousine, vier Jahre jünger als ich, aber hat es faustdick hinter den Ohren. Mit ihr hat man immer was zu lachen. Sie ist in den letzten Jahren zu meiner besten Freundin geworden.
„Milli, wenn du nichts Wichtiges zu sagen hast, dann würde ich mich jetzt aufs Ohr hauen. Treffen wir uns am Donnerstag am Flughafen zum PCR Test? Ach und vergiss diese scharfen High Heels nicht, die schwarzen weißt du? Vielleicht muss ich mir die ja das ein oder andere mal leihen, wenn wir durch New Yorks Club ziehen!" Meine Augen funkeln auf bei dem Gedanken. „Alles klar (Y/N). Freu mich voll!" „Ich mich auch, bis später!"

Ich scrolle noch ein bisschen durch Instagram, als mein Blick auf ein Foto eines jungen Mannes fällt. Er sieht ausgesprochen gut aus, wundervolle blaue Augen, dunkles Haar und einen Dreitagebart. Er weckt meine Neugier, aber die Müdigkeit besiegt mich.
Nach einem traumlosen Mittagsschlaf, wache ich halb schlafend auf. Der Rest des Tages vergeht wie im Flug und ehe ich mich versehe ist auch schon mein letzter Arbeitstag angebrochen.
Als ich die Station betrete, sehe ich schon viele verkittelte Männchen vor meinem Zimmer rumhüpfen. Der Reanimationswagen steht vor der Tür. Kollegen rufen über die Station, durch das Fenster sehe ich, wie meine Kollegen die junge Covid-Patientin reanimieren. Fuck, denke ich mir. Das kann nicht wahr sein, bitte nicht sie. Aufgeregt kommt mir mein Kollege vom Nachtdienst entgegen „Seit 45 Minuten reanimieren wir sie schon. Die ist auf einmal mit der Sauerstoffsättigung abgekackt und bradykard geworden. Ich glaube das wird nichts mehr. Haben schon alles versucht. Die Ärzte wollen jetzt noch lysieren, aber was soll das bringen? Die ist seit 45 Minuten tot. Vielleicht ist es besser wenn sie nicht mehr wiederkommt, du weißt ja wie das Outcome bei Hypoxämie ist" übergab er mir und schüttelte traurig den Kopf. „Fuck, die ist 46 (Y/N)! Die ist jünger als ich! Das ist doch alles scheiße." Ich bekomme nur noch die Hälfte seines Fluchens mit, meine Aufmerksamkeit gilt den Ärzten und meinen Kollegen, die kräftig auf dem Brustkorb meiner Patientin rumdrücken. Nach weiteren fünf Minuten hören sie auf. Aha, wohl doch keine Lyse mehr, dachte ich mir. Ein Blick auf den Monitor verrät mir, dass sie tot ist.

Hilfe, ich brauche ne Pause, waren meine Gedanken in diesem Moment.

So ich hoffe, es gefällt Euch bisher :) Solche Situationen erlebe ich tagtäglich, leider.. Falls ich bei jemanden einen wunden Punkt getroffen habe, möchte ich mir hiermit entschuldigen. Leider höre ich sehr oft von Menschen, so etwas wie Corona gäbe es ja nicht und wenn, dann sterben nur alte Menschen und Vorerkrankte - das stimmt leider nicht.
Naja genug über Corona geredet, weiter gehts. 🙈

Heart Attack - Sebastian Stan x F ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt