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Ich traue mich beinahe nicht zu atmen. Nur so langsam und leise wie möglich, versorge ich meinen Körper mit Sauerstoff. Und ich habe dabei das Gefühl zu ersticken. Der leichte Sauerstoffmangel führt dazu, dass ich die ganze Zeit gähnen muss. Auch das versuche ich zu unterdrücken, es treibt mir Tränen in die Augen.

Meine Hände sind zwischen meine Oberschenkel gepresst. Schultern und Nacken sind angespannt und schmerzen schon seit einer gefühlten Ewigkeit.

Die Scheibenwischer bewegen sich ununterbrochen hin und her. Sie schieben die dicken Tropfen zur Seite, klären für eine Millisekunde die Sicht durch die Windschutzscheibe, bevor man wieder weniger von der Straße erkennen kann. Dazu kommt, dass es dunkel ist. Noch als wir losgefahren sind, war es über unseren Köpfen blau und wolkenlos. Die Sonne hat hell gestrahlt. Doch je weiter wir gekommen sind, desto mehr Wolken zogen auf und verdeckten den Himmel über uns, die Sonne hat keine Chance durchzustrahlen.

Immer lauter wird der Regen. Immer lauter prasselt er auf das Autodach und die Fenster. Fast könnte man meinen, Angst haben zu müssen, dass der harte Regen die Scheiben zerschlägt.

Louis flucht neben mir und verlässt, immer langsamer werdend, die Landstraße. Ich bekomme Schluckauf. Scheiße.

"Mein Gott. Atme, Harry. Atme!", gibt Louis leicht genervt von sich und entfernt den Schlüssel aus der Zündung, sobald wir neben der Straße auf der Wiese stehen. Er legt ihn in die Mittelkonsole, ehe er sich abschnallt und die Handbremse zieht. Seine Hand legt sich auf den Beifahrersitz. Ich spüre seine Finger meine Schulter streifen. Seinen Oberkörper hat er nach hinten gedreht und im nächsten Moment klettert er zwischen die Sitze nach hinten.

Stur sehe ich geradeaus, ohne auch nur irgendetwas erkennen zu können. Nur nicht nach hinten sehen. Tatsächlich fällt mir das leichter als gedacht, denn mein Schluckauf lenkt mich, soweit es geht, ab.

Er hantiert herum, was seinen Mini leicht zum Wackeln bringt. Skeptisch sehe ich dann doch in den Rückspiegel, aber ich habe somit nur seinen verwuschelten Hinterkopf im Blickfeld. Doch der Regen ist lauter geworden und definierter zu hören. Ein weiterer hässlicher Laut entfährt mir. Ich hasse Schluckauf.

Louis' Oberkörper zwängt sich wieder nach vorne, sein Kopf befindet sich neben meinem. Unbeholfen wandern meine Augen über sein Gesicht. Er drückt mir eine Flasche gegen den Bauch und verschwindet gleich wieder nach hinten. "Trink!"

Mit klopfendem Herzen setze ich seine Wasserflasche an meine Lippen und nehme einen großen Schluck.

"Kommst du dann?"

Ich verschlucke mich und muss husten. Erschrocken wische ich mir mit dem Handrücken über den Mund. Die Flasche stelle ich wieder zur Seite und nachdem ich mich abschnalle, klettere ich zögernd zu ihm.

Louis hat die Sitze umgeklappt und der Kofferraum ist offen, sodass wir eine gute Sicht nach draußen haben. Etwas umständlich setze ich mich ihm gegenüber, die Beine winkle ich an. Mein Gegenüber greift nach der hellen Kuscheldecke und reicht sie mir. Mit leicht zittrigen Händen nehme ich sie entgegen. Ich bedanke mich leise bei ihm und lege mir die Decke schützend um die Schultern.

"Ist dir kalt?", spricht er mich auf mein Zittern an. Ich schüttle den Kopf, verschweige ihm, dass mich seine Präsenz einfach extrem nervös macht.

Um vom Thema abzulenken, deute ich auf die Gitarre, die auch hier hinten liegt. "Wieso hast du deine Gitarre hier?"

Er hebt seine Schultern, wirkt plötzlich ein wenig verlegen.

"Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung was ich mir dabei gedacht habe."

Ob ich ihm das glauben soll, weiß ich nicht so recht.

"Magst du vielleicht etwas vorspielen?", frage ich ihn leise und das erste Mal seit Ewigkeiten sehen wir uns wieder in die Augen. Wie immer glitzert das helle Blau. Es ist schön zu wissen, dass sie dieses Glänzen nicht verloren haben.

anagapesis - larry stylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt