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Das laute Atmen an der anderen Seite der Leitung lässt schlagartig die Enttäuschung in mir wachsen. Unangenehm drückt sie in meiner Brust und ich schlucke schwer. "Hi."

Meine Lippen beißend, sehe ich mich im Getümmel um und zwänge mich hastig hindurch. Bevor ich das kleine Haus jedoch durch die offenstehende Tür verlasse, stelle ich meine noch volle Bierflasche in die Ecke, direkt neben den Topf der riesigen Zimmerpflanze.
Draußen ziehe ich die frische Luft in meine Lungen und das erdrückende Gefühl verschwindet ein wenig.

"Harry? Ich hoffe du bist dran", sind die ersten Worte des anderen, die mir gelten. Anschließend sind leise Flüche seinerseits zu hören. Im Hintergrund nehme ich den Straßenverkehr und Polizeisirenen wahr. Mir schnürt es den Hals zu.

Räuspernd presse ich mich zwischen zwei nah aneinander geparkten Autos hindurch und meine Beine führen mich den leichten Abhang hinunter. Schwer lasse ich mich auf der Wiese fallen und warte darauf, dass mein Freund weiterspricht. Automatisch greife ich ins Gras und rupfe es Büschelweise aus der trockenen Erde.

"Wir stecken gerade tief in der Scheiße."

Ich nicke, starre zur Seite in die tiefe Dunkelheit. Ja, das habe ich mitbekommen.

"Ich kann heute leider nicht mehr kommen. Tut mir leid", teilt er mir nun mit und genau damit habe ich gerechnet, als ich seinen Anruf wahrgenommen habe.

Statt den Sirenen, hallen mittlerweile nur mehr schwere, dumpfe Schritte bei ihm.

"Wann kommst du wieder?", frage ich ihn, sobald ich meine Stimme wieder gefunden habe. Ramon jedoch lässt auf seine Antwort warten. Trotzdem beantwortet es in gewisser Weise meine Frage.

Er weiß es nicht und das bestätigt er auch mit seinen nächsten Worten: "Ich habe keine Ahnung. Scheint so, als könnte ich wieder eine Zeit lang nicht Heim. Es tut mir so leid, Süßer."

Seine Stimme ist leise. Ob es an der Stimmung liegt, oder daran, dass er und der Rest der Gruppe verfolgt werden, ist mir unklar. Doch, dass er seine Worte ernst meint und es ihm wirklich leidtut, weiß ich. Viel bringt es mir nur leider nicht, denn es wird sich nicht ändern. Er liebt dieses Abenteuer, egal wie gefährlich es werden kann, wobei ich mir dies gar nicht erst ausmalen möchte.

Bedrückt sehe ich hinunter zur hell leuchtenden Stadt, am Fuße des Berges. Sie wirkt so ruhig und friedlich. Nur schwer könnte man erahnen, was dort eigentlich gerade vorgeht. Im Endeffekt weiß ich selbst auch nicht wirklich viel. Ich habe oft mit mir gehadert, ob ich ihn Fragen soll, aber es passt nicht in meine Welt. Es ist schon blöd genug, dass er seinen Platz darin gefunden hat.

Ich nehme meine Hand aus dem Gras und putze sie grob an meiner Hose ab. Tränen steigen in meine Augen. "Okay."

Ramon seufzt. "Harry-", er wird von Gebrüll unterbrochen. Wieder schimpft er vor sich hin.

"Ich habe Angst um dich", gebe ich zu, befürchte, dass er es gar nicht erst hört. Bei ihm scheint es gerade wieder viel zu laut und chaotisch zu sein. Es stresst mich.

Betroffen streiche ich mit der Hand durch mein Gesicht und lasse sie anschließend auf meiner Wange liegen.

"Es wird alles gut. Ich werde wieder nach Hause kommen. Ich liebe dich, mein Hübscher."
Abrupt endet das geräuschvolle Durcheinander. Er hat aufgelegt.

"Ich liebe dich auch, Ray", flüstere ich traurig und auch enttäuscht in die plötzliche Ruhe. Das Handy lege ich auf den weichen Untergrund und ich schlinge meine Arme um meine Beine. Dabei bleibt mein Blick weiterhin auf die Stadt gerichtet.

Die Blätter der Bäume rascheln durch den sanften Wind, meine Locken hängen mir störrisch ins Gesicht. Das Zirpen der Grillen erfüllt gepaart mit der Partystimmung im Häuschen die Luft und einige Glühwürmchen schweben im Dunkeln umher.

anagapesis - larry stylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt