12 - Niro

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Durch diese Hitze schlafe ich ziemlich unruhig und drehe mich die ganze Zeit im Bett, trotz das der Ventilator an ist und die Fenster auf kipp sind. Dann nervt mich noch der Ton vom Handy. Bestimmt sind es nur die Jungs, die nichts Besseres zu tun haben. Trotz allem schaue ich auf das Handy wer mich da stört und überhaupt welche Uhrzeit wir haben. 6 Uhr morgens. Welcher Idiot nervt mich denn jetzt?
Als ich den Namen lese, überschlägt sich mein Herz und fängt an zu rasen. Diese anfängliche Verwunderung wandelt sich ins Säuerliche um, aber dennoch lese ich mir es durch, es scheint wohl echt dringend zu sein.

 Tino [6:54]: Niro, hey, tut mir leid, das wollte ich nicht, glaub mir bitte! Ich bin total fertig und du bist ganz sicher sauer auf mich, aber ich kenn sonst niemanden, der so ist wie du, ich hab mir selbst bis vor kurzem eingeredet Hetero zu sein. Hast du Zeit dich zu treffen? Ich kann auch nochmal zum See kommen. Ich denk die ganze Zeit an dich, Tin.

Schnaufend setze ich mich auf und gehe Richtung Kleiderschrank um eine lockere Jogginghose und ein Muskelshirt rauszuholen. Etwas genervt ziehe ich mich an und danach nehme ich mein Handy um zurück zu schreiben.

Niro [7:02]: Bin schon auf dem Weg.

Klar hätte ich auch auf die anderen Sachen antworten können, doch glaube ich ihm das gerade nicht wirklich. Soll er mir das mal schön persönlich sagen.
Ich ziehe meine Schuhe an, nehme den Geldbeutel und die Autoschlüssel mit, sowie die Hausschlüssel.

Auf dem Weg zum See gehe ich noch zum Bäcker rein, um mir einen Kaffee und für Tino eine heiße Schokolade zu besorgen. Belegte Brötchen durften auch nicht fehlen und etwas Süßes zum Nachtisch. Als ich bezahlt habe, gehe ich zum Auto und fahre los.

Zwischenzeitlich habe ich dabei auch Musik an, trinke etwas von meinem schwarzen Kaffee und seufze abermals, denn ich merke einfach nur die Müdigkeit, die an meinem Körper zerrt und dennoch hilft mir diese braune Flüssigkeit etwas wacher zu werden.

Der Parkplatz am See ist ziemlich leer und kann direkt weit vorne parken und auf den braunhaarigen Jungen warte. Es vergehen nur ein paar Minuten, dann sehe ich diesen auf seinem Fahrrad her flitzen, so als ob ihn etwas jagen würde. Erinnert mich an den Tag davor, als Tino in den Wald rannte. Unwillkürlich muss ich über den Gedanken grinsen. Das werde ich mit Sicherheit nicht so schnell vergessen. 
Tino fährt zu den Fahrradständern, um seines dahinzustellen und zu sichern. Dann erkenne ich sein Gesicht besser und sehe, wie er total fertig und durch den Wind zu mir herkommt. 

''Hey,'' kommt es ziemlich knapp von mir. Ich finde es ziemlich kurios, dass Tin mit mir reden möchte, über was auch immer. Ich schaue zu diesem süßen Jungen runter, sehe sein wehleidiges Gesicht vor mir, das mir unsicher entgegen sieht. Ich lächel nicht, sehe ihn nur fragend an. Scheinbar eingeschüchtert davon, bringt Tin nur ein stotterndes 'Hallo' zustande. 

"Echt nett das du gekommen bist", er versucht zu lächeln, aber es wirkt seltsam zerbrochen. 

Ich beschließe die Stimmung was aufzulockern, hole das gekaufte Essen und die heiße Schokolade aus dem Auto raus, gebe dann den Becher meinen kleinen Jungen, der ihn deutlich irritiert und dennoch dankbar annimmt.
Mit einem Kopfzeichen zeige ich Richtung Eingang vom See, und wir gehen langsam in die Richtung. 

Kurz meint Tino, dass er unbedingt den Eintritt bezahlen will, aber da lass ich nicht mit mir reden und hole uns die zwei Tickets. 

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mir das Geld wieder zurück geben möchte. 

''Ich kann deine Gedanken bis zu mir lesen", sage ich,  "Und, Nein du wirst mir das Geld nicht zurückgeben, nimm dein Geld lieber um dir was zu gönnen, Verstanden?'' 

Ich sehe nur noch aus dem Augenwinkel wie der Lockenkopf den Mund aufmacht und dann doch wieder schließt, ihm passt es anscheinend nicht.

Als wir ein Platz finden, setzen wir uns hin und ich gebe ihm die Tüte, wo ein belegtes Brötchen drin ist, doch er legt es zur Seite. Es ist wohl ernst, wenn er schon kein Essen annehmen möchte. Tin Gedanken und seine Stimmung sind gerade wie ein offenes Buch für mich.

''Also erzähl was passiert ist,'' ermutige ich ihn und lasse ihm seine Zeit, bis er zurückhaltend, schüchtern und leicht stotternd erzählt was bei ihm los ist. 

Kein einziges Mal unterbreche ich ihn und höre aufmerksam zu. 

Ihn scheint dies wohl zu überraschen. Ich vermute, dass ihn niemand sonst ausreden lässt und er deswegen so schüchtern ist. Niemand sonst in seiner Umgebung scheint sich Gedanken darüber zu machen oder gar ein schlechtes Gewissen zu haben. Ist auch was womit sie Macht und Kontrolle über den braunhaarigen Süßen haben, wenn sie so mit ihm umgehen, besonders seine Mutter. 

Irgendwie muss ich ihn da rausholen, denn so kann dies nicht weiter gehen. 

Kurz vor dem Ende der Erzählung holt der Süße tief Luft, ''...m-meine Mum..wird das w-wohl nicht akzeptieren. Ich bin...n-nur froh, wenn ich die A-Ausbildung fertig habe und dann...en-endlich ausziehen kann.''

Puh, die Mutter macht mich rasend wütend, weswegen ich meine Hände zu Fäusten balle und man trotzdem dieses Zittern sehen kann. Wie kann man denn nur so ekelhaft zu seinem eigenen Kind sein? Das möchte ich, um ehrlich zu sein nicht mal verstehen. Seufzend streiche ich über mein Gesicht, bevor ich mich zu Tino drehe und ihm in die Augen schaue, worin ich mich verliere, aber das muss erstmal warten.

''Was hat das Schwulsein mit einer Vergewaltigung oder sowas zu tun? Es sind natürliche Gefühle und es ist vollkommen legitim sich mal Pornos anzuschauen. Die Pornodarsteller und Pornodarstellerinnen werden eben nicht dazu gezwungen, sondern leben nur ihre Lust aus.'' 

Ich muss mich dringend beruhigen. ''Boah deiner Mutter muss man endlich mal diesen Gott Mist aus dem Kopf bekommen. Es werden sowohl Frauen und auch Männer missbraucht und nicht nur die Frauen.'' Ich bin sowas von im Rage drin, dass ich mir schon zig mal durch die Haare gestrichen habe und diese jetzt wirr rumstehen.

Einmal tief Luft holend schaue ich den Süßen an und sage dazu: ''Wenn du möchtest kannst du erstmal zu mir ziehen, auch wenn uns erst seit gestern kennen, aber dir wird eine neue Umgebung gut tun, du gehst sonst noch kaputt daran. Ernsthaft Tino deine Mutter will dich kontrollieren und manipulieren und das darf sie nicht! Du kannst es dir überlegen und bevor du fragst was mit meinen Eltern ist, zu denen habe ich keinen Kontakt mehr und wohne alleine'' 

Ich sehe Tin an, dass er ziemlich überrascht, erfreut und glücklich aussieht. Ich glaube kaum, dass er sich es jemals erträumt hat von jemanden aufgenommen zu werden, einfach so, wie er ist, ohne Bedingungen. 

Ich deute dem Hübschen an etwas zu essen und das tut er tatsächlich. 

Ich sehe ihm an, dass eine große Last von ihm genommen wurde. 

Was er nicht ahnt ist, dass ich seine Mutter zur Rede stellen werde, denn das kann doch wohl nicht wahr sein, das sie ihren Glauben benutzt um Tino ständig ein schlechtes Gewissen zu machen. So als ob er die Antwort für alles wäre!

Jeder soll sein Leben leben so wie er will und wenn man vom anderen Ufer ist, ist es doch vollkommen in Ordnung. Ich habe echt null Verständnis für so was. 

Kurz danach gebe ich auch Tin noch den Donut, den ich extra für ihn gekauft habe, denn bekanntlich heißt es ja, dass etwas Süßes gegen schmerzen hilft. 

Feel Alive // BoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt