Gift

1K 35 1
                                    


Flotten Schrittes streife ich durch die vollen Straßen. Das Gefühl der Sicherheit in der Menge verlässt mich, als ich der Poststelle näher komme. Der Maskierte hielt eine Zeitung von hier. Ich bereue voller Neugier, nicht gesehen zu haben, was er mir zeigen wollte, aber andererseits denke ich der Situation gut entkommen zu sein.

Schweren Schrittes erklimme ich die Stufen zum Postamt und schiebe die schwere Eingangstür auf. Ein großer Eingangsbereich, der in der Mitte voller Leere war, verstärkt das bedrückende, missverstandene Gefühl in mir.
"Hallo, (d/N). Pünktlich wie jeden Tag." Begrüßt mich der dicke Dyson, der einen Donat mit einem Bissen in einen Halbring verwandelt. Ich nicke stumm und gehe an ihm und den Tresen vorbei und durch eine Tür mit der Schrift "Privat" in einen langen Gang, der mit mehreren Zimmern verbunden ist. Durch die dritte, gläserne Tür rechts sehe ich einen mir bekannten Mann und klopfe sanft gegen das kalte Material, ohne schmieren zu hinterlassen.

"Komm nur rein, Schätzchen. Nicht immer so schüchtern. Meine Kollegen fragen mich immer warum mein Mädchen so still ist!" Begrüßt mich mein Vater lächelnd und legt einen Arm um mich. "Du gutes Kind.".

Meine Stimmung leuchtet auf und lächelnd lege ich ihn zwei meiner Brötchen auf den Teller, den er für meine Ankunft immer an seinem Tisch stehen hat. Kurz wendet er sich nochmal seinen Computer zu, gibt sein Passwort ein und klickt ein paar mal.
An seinen Smoothie schlürfend fragt er mich, was ich diesmal hab mitgehen lassen.

"Nichts...", "Nichts?" Er rollt fragend, mit seinem Drehstuhl, zu mir.
"Ich wollte eigentlich einen Donut, aber sie waren ausverkauft." Behaupte ich und schlage meine Hände ineinander.
"Verstehe. Vielleicht gibt dir Dyson etwas ab. Er mag dich doch sehr." Schlägt mein Dad vor. Ich schüttel mit dem Kopf. "Ich will nichts von Dyson." Erkläre ich.
Mein Dad nickt.

"Hallo, (d/N). Lang hab ich dich nicht mehr gesehen!" Höre ich nun eine Frauenstimme hinter mir.
"Marie, hallo. Frühschicht heute?" Antwortet mein Vater erfreut.
Eine Frau mit mittellangen, dunklen Haaren kommt in das Büro. Ich kenne sie. Mein Vater trifft sich auffällig oft mit ihr. Sie ist meiner Mutter sehr ähnlich.
"Ich muss dann auch wieder gehen." Sage ich meidend.
"Verstehe schon. Dein Vater hat mir erzählt, dass du einen neuen Studienplatz suchst? Ein falscher Start muss anstrengend sein..." Merkt sie an.
"Ja. Aber ist in Ordnung. Ich werde schon irgendwo genommen." Meine ich zuversichtlich und verabschiede mich, bevor ich das Büro verlasse.

Als ich kurz vor der Tür bin, fällt mir ein junger Typ bei Dyson auf. Ich habe hier schon einige neue Leute noch nicht kennenlernen können, aber dass sie jemanden in meinen Alter schon richtig einstellen ist mir neu.
"Oh, gehst du schon (d/N)? Dann bis morgen und grüße deine Mutter von mir!" Winkt mir der dicke Dyson zu und das Speck an seinen Armen schwabbelt. Ich mag den Typen, aber gleichzeitig möchte ich mich nicht viel mit ihm befassen. So viele Leute übersehen mich jeden Tag, aber er sieht mich immer. Ob er mir wohl zuhören würde? Nein...nicht Dyson. Er ist ein Arbeitskollege von meinem Dad. Das kann ich nicht machen...

Mit einem schwachen Lächeln winke ich zurück. Der Typ neben Dyson grinst auch breit und winkt mir, obwohl ich ihn nicht kenne. Ich schüttel mir jeglichen Gedanken ab und gehe Heim.

Zuhause gehe ich durch den, allein durch eine Stehlampe erleuchteten, Flur und der Treppe hinauf. Durch das Wohnzimmer mit dem lauten Fernseher in die Küche und lege die nun erkühlten Brötchen auf den Tisch.

Hinter mir höre ich, wie meine Mom scharf den frischen Geruch in ihre Nase zieht und mein ganzer Körper versteift sich. "Hieeeeef- hmpffff. Das riecht aber gut..." sie kommt näher und ich schließe meine Augen, als sie ihre Arme um meine Schultern legt. Ihre langen, grau-grünen Nägel reiben wie Klauen über den Stoff meiner Klamotten. "Das hast du schön gemacht, (d/N). Du passt auf, dass es Mama immer gut geht, nicht wahr?" Fragt sie. Ich nicke.
"Schön." Haucht sie und lässt ihre Hand an meinem Arm hinunter streifen, ehe sie die Tüte öffnet. Ich stelle ihr schnell Marmelade, einen Teller und Besteck raus, bevor ich mich vom Acker mache.
"Sei pünktlich zum Mittag wieder da!" Meint sie...

Ein Brief im Postfach besagte vor einiger Zeit schon, dass ich keinen neuen Studienplatz bekomme, da wo ich mich beworben habe. Mein Traumjob wird wohl nie etwas...
Ich habe es meinen Dad noch nicht erzählt und vor Mom...kann ich es nicht länger Geheim halten.

"Schätzchen." Ruft sie mich am Nachmittag. "Was hat deine Hochschule eigentlich gesagt? Die Antwort müsste doch schon lang gekommen sein, oder?", "I-Ich...ja..." Rufe ich aus meinen Zimmer zurück.
"Und?" Fragt sie, als sie durch den Flur wie eine Hexe zu mir streift.
"Ich wurde nicht genommen. A-aber ich habe schon was Neues gefunden. Ich bereite mich besser darauf vor, ich versprec-...", "...-Du wirst faul, Kind." Meint sie in einem tiefen Ton.

Kurz erstickt meine Stimme bevor ich hastig mit dem Kopf schüttel. "Ich hab mein Bestes gegeben, Mom. Das weißt du doch! Ich wollte doch schon immer-...!", "...-dann hätten sie dich auch genommen." Schneidet sie mir das Wort ab.

Sie geht in mein Zimmer und fährt ihre langen Nägel meinen Wänden entlang, über die Bilder die ich einst malte. "Du musst dir doch etwas mehr Mühe geben, wenn du dich um deine Familie kümmern willst..." sagt sie.
"Du weißt, dass Mama nicht mehr arbeiten kann."
Ich nicke und beiße auf meine Unterlippe.

"Ich weiß. Ich hatte doch einen perfekten Schulabschluss. Das mein erstes Studium nicht das Richtige war tut mir leid! Tut mir leid, Mom. Ich konnte das nicht machen. Deswegen habe ich den Platz hinter deinem Rücken aufgegeben. Um etwas neues, besseres zu finden und-...", "...-du hast keine Ahnung wie traurig du Mama damit gemacht hast. Alles hätte in Ordnung sein können...", "Mom. Ich habe noch so viele Möglichkeiten! Ich verspreche nicht nachzulassen!" Schwöre ich mit klopfenden Herzen in der Erinnerung, was sie mit mir tat, als ich den ersten Platz aufgab.

Kurz ist sie still, ehe ihre Fingernägel eines meiner Bilder zerkratzen.
"Lügnerin.", "Nein. Das ist die Wahrheit.  Mama, bitte!", "Ich habe dich nicht zu einer falschen Schlange erzogen!" Meint sie und geht schwer atmend auf mich zu.
Ich senke meinen Kopf ängstlich, als sie mich wieder umarmt. Ihre dünnen Armen gabeln mich fest und ihr feuchter Atem in meinen Nacken bringt Kälte mit sich. "Du weißt, dass ich dich mehr liebe, als alles auf der Welt, nicht wahr?" Fragt sie. Ich nicke über ihren Schultern, als mir Tränen in die Augen kommen.

Sie verlässt meinen Körper und zieht mich in den dunklen Flur zur Abstellkammer. "Sei ein braves Mädchen." Sagt sie und ignoriert meine Tränen und den stummen Schrei in meinen Augen. "Nein...Mom...bitte..." flehe ich und sie sieht mich fassungslos an. "Nein?" Fragt sie nach.
"D-doch. Ich bin brav. A-aber du musst das nicht tun." Versuche ich zu erklären.

"Ich liebe dich, mein Schatz." Sagt sie und gibt mir einen Kuss auf die Wange, ehe sie mich in die Abstellkammer sperrt und das Licht in dem kleinen Raum ausschaltet. In meiner tränenverschwommenen Sicht dachte ich eine dunkle Gestalt durchs Fenster draußen wahrgenommen zu haben...

Die Liebe meiner Mom ist wie Gift, seitdem sie krank ist.

Ziel der Besessenheit (Ghost Face × Fem. Reader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt