Lynx&Lion - The Elite

21_Lucien

Stille. Grenzenlose Stille, welche den Raum erfüllte und ein Ausdruck jener Fassungslosigkeit war, welche ich in diesem Moment verspürte. Mein Geist hing dutzende Sätze hinter den Worten, die mein Vater ausgesprochen hatte. Er wollte nicht realisieren, was Korolus in diesem Moment gesagt hatte. Es waren zu viele Informationen auf einmal gewesen. Zu viele Informationen, die einfach unmöglich wahr sein konnten.

Mein Vater hatte geendet und ich spürte seinen Blick auf mir liegen. Er analysierte jede auch noch so kleine meiner Regungen und versuchte aus diesen seinen Nutzen zu zeihen. Mich zu manipulieren- sei es nicht jetzt, dann in der Zukunft.  Ich versuchte ihm diesen Gefallen nicht zu tun, aber seine Worte hatten mich dann noch zu sehr überwältigt als dass ich in der Lage war meine Fassung zu wahren.

Ich atmete tief durch und schluckte meine Fragen hinunter, die mir auf der Zunge brannten und nach vorne drängten. Es gab so vieles, was ich fragen und wissen wollte, aber ich musste vorsichtig sein. Ich konnte nicht wissen, was davon mein Vater wirklich wusste und was er bluffte und nur herausfinden wollte. Aber über Az wusste er zu viel... mein Löwe...

Mit einem Mal erstarrte mein Herz. Ich hatte so viel zu verarbeiten gehabt, dass ich mir gar nicht bewusst gewesen war, welche Konsequenz diese Worte hatten. In welcher Gefahr schwebte Azad, wenn Korolus von ihm wusste? Und wie viel wusste er wirklich? Wusste er, wie nahe wir uns standen? Gestanden waren... ich durfte davon nicht mehr in der Gegenwart denken, so schwer es mir auch fiel. Ich hatte bewusst den Schlussstrich zwischen uns gezogen, um ihn nicht in Gefahr zu bringen. Oder... wollte ich mich schützen? Ich musste stärker denn je sein, um die Macht ergreifen und halten zu können. Azad bedeutete dabei einen gravierenden Schwachpunkt in meinem Leben. Einen Schwachpunkt, den jeder hungrige Wolf aus der Elite sofort riechen würde. Azad war stark, aber er war schwach und nicht gewappnet für das Leben hier.

"Ja, das denke ich", antwortete ich ruhig nach einer viel zu langen Pause und wir beide wussten, dass ich in diesem Moment log. Ich war keineswegs so sicher wie ich vorgab. Mein Vater hatte dieses Reich sein ganzes Leben lang aufgebaut und seine Macht gefestigt- ebenso wie sein Vater vor ihm und sein Vater vor ihm. 15 Generationen regierte unsere Famile als oberster Ratsvorsitzender, auch wenn dieser Titel mehr Schein als Sein war. Meine Familie hatte die absolute Macht- das war ein Fakt. Und auch wenn ich dem Titel und der Zeremonie nach zu meinem zwanzigsten Geburtstag sein Nachfolger geworden war, so war ich absolut unfähig diesen Posten einzunehmen. Nicht nur, weil man mir mein ganzes Leben lang so viel vorenthalten hatte, sondern auch, weil mir Wissen und Erfahrung fehlten. Mir fehlte die Ausstrahlung meines Vaters. Ich war nicht wie er dazu geboren das Land zu leiten. 

"Wenn das so ist, dann erzähle mir von deinem überragenden Plan mich zu stürzen. Wolltest du ein Messer ergreifen, mich abstechen und dann behaupten, dass es ein Unfall war? Wolltest du einfach die Macht ergreifen und darauf hoffen, dass alles sich schon irgendwie von alleine ergibt? Es war eine gute Idee Iavil auf deine Seite zu ziehen, aber die Rebellen hast du dir zum Feind gemacht und mit meinem Tod wäre auch die Elite dein Feind. Sieht so etwa dein Plan aus?" Die Stimme meines Vaters verbarg Hohn,  auch wenn sie mit seiner üblichen, kalten Stimme gesprochen war. Jedes Wort verspottete mich und meinen lächerlichen Plan.

Seelenruhig drehte sich Korolus um und griff nach einem Messer, welches sich auf dem großen, eichenhölzernen Tisch befand. Es war das Messer, das Vater selbst beim Schlafen bei sich trug. Wenn ich mich richtig erinnerte, dann war es ein Geschenk meiner Mutter zu ihrer Hochzeit gewesen. Er hielt es mir mit der Schneide entgegen. Eine Drohung erneut in dieser Geste versteckt.

Ich griff nach dem Messer und die Klinge bohrte sich in meine Handfläche als ich die Finger um diese schloss. Da die Wunde nicht tief war, spürte ich bereits jetzt das warme Kribbeln, welches der Heilung vorausging.