22_Azad

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Es war schon dunkel, als wir uns wieder auf bekannten Boden befanden. Das große Herrenhaus erstreckte sich in der Mitte des riesigen Grundstückes. Damals als ich angekommen war, sah das alles ungewohnt leer aus. Es war alles viel zu groß und unbewohnt. Mittlerweile hatte ich mich jedoch daran gewöhnt. Dies hieß jedoch nicht, dass ich sowohl Haus als auch Grundstück nicht mehr viel zu groß fand.

Wir zwei gingen nebeneinander die Auffahrt hoch. Wir waren sowohl auf den Hin- als auch auf dem Rückweg die ganze Zeit geritten, weil es einfach günstiger war und unsere Alternativen, dank schlechter Infrastruktur, auch nur wenig schneller gewesen wäre. Dafür war es aber auch um einiges anstrengender selbst zu reiten, als in irgendeinem Wagen zu sitzen. Aber wir hatten es irgendwie geschafft und waren sogar noch etwas früher zurück als erwartet. Das liegt aber eher daran, dass wir uns entschieden haben letzte Nacht nur sehr kurz Pause zu machen. 

Xanders Pferd trottete an seiner rechten Seite, obwohl Xander selbst schon zu müde war um die Zügel überhaupt zu halten. Wir hatten uns entschieden zu gehen, da unser beider Körper keinen Meter mehr auf einen Pferd reiten wollte. Beine, Rücken, Po. Alles war steif oder verkrampft. Natürlich hätten wir damit rechnen müssen, dass gehen die ganze Situation nicht wirklich besser macht. Mein Pferd, ein Geschenk von Bellator, lief auch entspannt neben mir, doch seine Zügel befanden sich tatsächlich noch in meiner Hand. Beim gehen stützten wir uns gegenseitig. Zu müde waren unsere Knochen und zu tot war alles andere. Wir hatten in den letzten Stunden noch nicht mal mehr als ein paar Wörter gewechselt.

Dennoch fiel uns beiden direkt auf, dass etwas nicht stimmte. Die Wachen am Tor waren schon ungewöhnlich aufmerksam gewesen. Dazu kam, dass der Wald noch verlassener war als sonst. Die wenigen Soldaten die zu sehen waren, trugen ihre Waffen bei sich und hielten sich streng an ihre Strecken. Sie grüßten uns zwar, doch selbst das nur durch ein nicken. 

Irgendwas war passiert und dieses Irgendwas, war gefährlich.

Normalerweise wären wir beide direkt zu Bellator gelaufen, doch jetzt gerade konnten wir nur froh sein, dass wir überhaupt noch laufen konnten. Also liefen wir im Schneckentempo die Auffahrt entlang. 

Als wir es irgendwann zum Eingang geschafft hatten, warteten schon einige Diener auf uns. Zwei junge Stallburschen nahmen uns die Pferde ab. Ich achtete nicht auf ihre Gesichter. Eine Hand reichte mir eine Tasse. Keine Ahnung was da drin war, aber mein Hals war eine Wüste also dachte ich nicht lange nach. Es war heiß und bitter. Doch es half. Linderte die Schmerzen fast augenblicklich. Meine Muskeln entspannten sich. Ich atmete laut aus. Mein Kopf wurde ebenfalls klarer. Ich blickte in das Gesicht der alten Köchin, die ich nur als Frau Salvator kannte. Sie lächelte mich mitleidig an, doch sagte wie immer nichts. Sie sagte nie etwas. Xander hatte ebenfalls eine Tasse in der Hand doch starrte nur angeekelt auf die Flüssigkeit. Als ob er meinen Blick und meine leere Tasse bemerkt hätte, hob er sie jedoch von einem Moment zum anderen an seine Lippe und würgte es herunter. Kaum hatte er das geschafft, würgte er jedoch einige Male. Wenn ich mich nicht getäuscht habe, sah es auch so aus, als ob er das Ganze noch ein zweites Mal runterschlucken durfte. Wenigstens konnte er dann aber schon wieder alleine stehen. Mit gesenktem Blick lief er an den Dienern vorbei in das Gebäude. 

Ich blieb für einen kurzen Moment noch stehen um einfach nur etwas zu atmen. Gleich würde es vermutlich direkt anstrengend weitergehen und das konnte ich nicht. Hätte ich eine Wahl würde ich direkt in meinem Zimmer verschwinden. Ich würde vermutlich für die nächsten paar Tage mein Bett nicht verlassen wollen. Früher wäre das fast unmöglich gewesen. Dieses gemütliche Leben begann schon mir zu schaden. Es war viel zu einfach sich an gutes Essen und ein richtiges Bett zu gewöhnen. Ob ich wohl jemals wieder auf meiner alten Matratze schlafen würde? Ob ich jemals wieder zu dritt in einem Zimmer schlafen musste, dass kleiner war als mein Bett hier? Ob ich überhaupt jemals wieder meine Schwestern sehen würde? 

Lynx&Lion - The EliteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt