Kapitel 4

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Katherine

Ich seufzte und vergrub mein Gesicht in den Händen. Ich verstand nicht, wie mich Lena schon wieder dazu überreden konnte, an einem Familientreffen teilzuhaben.
Ich gab zu, dass ich Miss Brown gegenüber nicht ungehobelt sein wollte, aber ich konnte in dem Moment nicht anders handeln. Die Erinnerungen an das letzte Jahr kamen wieder in mir hoch, wobei ich sie am liebsten schon längst verdrängt gehabt hätte.

-Flashback

"Katherine! Wie schön, dass du gekommen bist"
Meine Mutter schloss mich in ihre Arme und nahm mir meinen Mantel ab.
"Setz dich doch schon einmal zu den anderen. Sie warten im Wohnzimmer auf dich"
Ich betrat das große Wohnzimmer in meinem Elternhaus, wo meine Geschwister, mein Vater, so wie meine einzige noch lebende Großmutter auf mich warteten.
"Lass dich ansehen mein Kind. Gott, bist du groß geworden"
Meine Großmutter schlug dramatisch ihre Hände über dem Kopf zusammen und nahm mich in ihre Arme. Ich musste in ihre Umarmung hinein lächeln. Meine Großmutter war schon immer ein besonders wichtiger Mensch für mich gewesen.
"Wie geht es dir Katherine?"
"Gut, Granny, sehr gut"
Ich setzte mich auf den freien Platz zwischen meinen Vater und meinen ältesten Bruder Stewart und rückte meinen engen Rock etwas zurecht.
"Hallo Dad"
Ich umarmte meinen Vater flüchtig und ging dann zu meinem Bruder über, der mir schon ungeduldig seine Arme entgegen streckte.
"Stewart"
Auch ihn nahm ich schnell in den Arm.
"Geht es dir gut, Kathy?"
Ich sah ihn gespielt böse an, weshalb er zu lachen begann.
"Was habt ihr nur alle mit diesem Spitznamen?"
Ich schüttelte den Kopf und wandte mich meinen restlichen Geschwistern zu, die schon auf mich zukamen und mir um den Hals fallen wollten.
"Langsam, langsam", lachte ich und ließ mich zuerst von Marie und Lena umarmen.
"Wie geht es euch?", fragte ich sie und richtete derweil meinen Kragen.
"Sehr gut Katherine, sehr gut. Aber jetzt sag doch mal. Wie geht es dir? Wie steht's mit der Firma? Wie läuft's privat so? Hast du endlich jemanden gefunden?"
Natürlich bombardierte mich Marie sofort mit Fragen, worüber ich aber nur meine Augen verdrehte und mich lieber Mike zuwandte.
"Hallo Bruder", begrüßte ich ihn gespielt streng und streckte ihm meine Hand entgegen, die er vorgebungsweise ernst nahm und einen angedeuteten Kuss darauf platzierte.
"Hallo Schwester, wie war Ihre Anreise?"
Wir beide brachen in lautes Gelächter aus und umarmten uns stürmisch.
"Schön dich zu sehen, Kathy", flüsterte er mir ins Ohr und klopfte mir auf den Rücken.
Zugegeben stand Mike mir schon immer am nähsten und ich genoss seine Gesellschaft fast am meisten.
"Dich auch Mike, dich auch"
Wir lösten uns voneinander und ich wandte mich nun meiner jüngsten und kleinsten Schwester zu, die meine Mutter erst 25 Jahre nach meiner Geburt auf die Welt brachte.
"Hallo Cleo"
Sie schmiss sich mit ihren 23 Kilo auf mich und drückte mich fest.
"Hallo Katherine", lachte sie, als sie mich wieder los ließ.
"Sieh dich an, du bist ja groß geworden", lachte ich und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.
"Ich bin jetzt schon sechs", sagte sie und stemmte ihre Hände stolz in die Hüften.
Ich lachte und strich ihr durch die Haare.
"Ich weiß und ich habe dir sogar noch ein kleines Geschenk mitgebracht"
Ich holte ein kleines, verpacktes Geschenk aus meiner Tasche und drückte es ihr in die Hand.
Sie packte es schnell aus und strahlte mich an.
"Wow, die sieht ja fast so aus wie deine!" Cleo zeigte auf meine Halskette und dann auf die, die in der kleinen Schatulle lag.
"Ja, deshalb habe ich sie auch gekauft"
Ich drückte sie noch einmal schnell an mich und stand dann auf, um mich wieder zu den anderen zu setzten.

"Das Essen ist fertig, ihr könnt kommen!", rief meine Mutter aus der Küche.
Wir standen alle auf und halfen meiner Mutter beim Tischdecken, auch wenn das mit so vielen Leuten nicht so gut funktionierte.

Als wir endlich alle zusammen saßen und uns nacheinander ein Stück Lasagne nahmen, begannen die Gespräche erst so richtig.
"Jetzt sag schon Katherine, hast du endlich einen Mann an deiner Seite?"
Ich sah meine Mutter genervt an und versuchte die Frage so gut wie möglich zu ignorieren.
"Komm schon Kathy, jetzt sag schon"
Wieso musste sich denn jeder in mein Liebesleben einmischen? Wieso mussten sie immer alles wissen und wieso konnte ich nicht einmal für einen Abend meine Ruhe haben?
"Nein, ich habe niemanden an meiner Seite", murmelte ich und schob mir sofort ein kleines Stück Lasagne in den Mund.
Meine Mutter seufzte nur und faltete ihre Hände zusammen.
"Du bist 31 Katherine. Denkst du nicht, es wird langsam Zeit? Du willst doch heiraten und Kinder bekommen"
Ich schlug mein Besteck auf den Tisch und tupfte mir meinen Mund mit einer Serviette ab.
"Das ist immer noch meine Entscheidung", knurrt ich.
"Wie lange ist das mit Jürgen nun schon her? Zehn Jahre? Kathy, du hattest seitdem keine Beziehung mehr"
Nun war es genug. Ich stand apprupt auf und schob meinen Stuhl grob zurück.
"Lasst sie doch endlich" Mike legte mir besänftigend eine Hand auf den Rücken und führte mich ins Wohnzimmer.
"Esst ruhig ohne uns weiter, wir warten währenddessen im Wohnzimmer", rief er noch und setzte sich dann neben mich auf die Couch.
Ich seufzte und lehnte mich betrübt zurück.
"Du musst es ihnen irgendwann sagen Kathy", murmelte Mike und sah mich besorgt an.
Ich wusste das, ich wusste das wirklich, aber ich konnte nicht.
"Ich kann nicht", flüsterte ich und hielt meine Tränen zurück.
"Ich weiß, aber du solltest es so bald wie möglich tun"
Ich seufzte, blinzelte ein paar Tränen zurück und setzte mich auf.
"Wie denkst du, würden sie reagieren?"
Mike lachte auf und sah mich liebevoll an.
"Weißt du noch, als ich ihnen erzählt habe, dass ich nur auf Männer stehe? Ja, zugegeben, Mum und Dad waren zuerst nicht begeistert, aber als sie geseheh haben, wie glücklich ich war, als ich Stephen kennen gelernt habe...da haben sie sich wirklich für mich gefreut"
Ich seufzte, aber konnte ein kleines Grinsen nicht unterdrücken.
"Du hast dir aber auch wirklich einen tollen Mann geangelt", kicherte ich.
Mike verdrehte die Augen, aber konnte sich ein sanftes Grinsen auch nicht verkneifen.
"Also denkst du, ich sollte ihnen sagen, dass ich lesbisch bin? Was werden sie denken? Immerhin hatte ich damals auch die Beziehung mit Jürgen", meinte ich unsicher und begann an meinen Nägel zu kauen. Ich war nicht oft nervös, aber bei diesem Thema konnte ich es nicht zurückhalten.
"Erstens, ja, ich denke wirklich, das solltest du. Zweitens hat diese Beziehung gerade einmal einen Monat gehalten", meinte er und verdrehte bei dem 'Jürgen-Thema' die Augen.
"Na gut, aber gib mir Zeit, ok?"
Er lächelte mich liebevoll an und nahm meine Hände in die seinen.
"Natürlich, lass dir so viel Zeit, wie du brauchst"

-Flashback Ende

"Miss Webster?"
Miss Browns Stimme riss mich aus den Gedanken und ich richtete mich unmittelbar wieder auf und blickte ihr fragend entgegen.
"Ja?"
Sie zog besorgt eine Augenbraue nach oben und lehnte sich etwas gegen meinen Schreibtisch.
"Geht es Ihnen gut?"
Die Frage überrumpelte mich ein wenig, aber ich erhielt sofort wieder meine Fassung.
"Aber natürlich", meinte ich nur und wandte meinen Blick ab.
"Sind Sie sicher?"
Ich wollte schon etwas entgegnen, als ich von ihrem Blick gefesselt wurde.
Ich hatte mich gerade wieder zu ihr gedreht, als mich diese strahlenden, grünen Augen fast nach Luft schnappen ließen.
"Miss Webster?"
Ich zuckte zusammen und räusperte mich.
"Ja, alles bestens", murmelte ich nur, bevor ich aufstand und schleunigst den Raum verließ.
Ich musste hier weg.

She's the Webster (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt