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Louisa

"Raphael?"
Meine Stimme klang verunsichert denn ich war mir nicht sicher ob es angebracht war, ihn um diese Sache zu bitten.
"Was ist?" fragte er leise und löste dabei etwas die Umarmung um mich ansehen zu können.
"Ich... Ist es unangebracht dich zu bitten, bei mir zu schlafen?" fragte ich. Ich spürte wie mein Gesicht zu glühen begann und dankte der Dunkelheit das sie es vor ihm verbarg.
"Nein, schon in Ordnung. Ich hole die Wäsche dann gehen wir wieder schlafen ja?" lächelte er sanft. Ich hatte das Gefühl das Raphael zum ersten Mal wirklich ehrlich lächelte.
"Ich... Kann ich was zu trinken haben?" fragte ich, ärgerte mich aber im selben Moment das ich wie ein Kleinkind klang. Raphael schien das jedoch egal zu sein.
"Natürlich." nickte er und so liefen wir gemeinsam nach unten.

-

Als die Sonne mich irgendwann weckte wäre ich für einen Moment beinahe glücklich gewesen.
Zumindest bis ich realisierte das der warme Körper der mich fest hielt, nicht Armir's Körper war.
Ich blinzelte die Tränen weg, atmete durch. Ich war dankbar für den Halt den Raphael mir gab. Zugleich tat es aber auch weh. Es schmerzte jedes Mal aufs Neue wenn ich daran dachte das es nicht Armir war der mich umarmte.
Es schmerzte wenn mir Raphaels Geruch in die Nase stieg, mir damit auch klar machte das Armir's Geruch etwas war woran ich mich schon jetzt nur noch wage erinnern konnte.

Bei dem Gedanken daran das ich Armir's Geruch langsam vergaß, mich kaum noch an den Klang seiner Stimme, seines Lachens, erinnern konnte schnürte es mir dir Luft ab. Ich bekam keine Luft, etwas das ich nicht sehen konnte, drückte sich auf meine Brust und dann schossen die Tränen unaufhaltsam aus mir raus.

"Loui... Schau mich an!"
Raphaels Stimme drang zu mir durch.
Seine Hand an meinem Gesicht war warm, hielt das letzte bisschen Klarheit in mir aufrecht.
"Atme tief durch, ganz langsam. Konzentrier dich auf deine Atmung!" forderte Raphael. Er klang ruhig aber fordernd.
Seine Augen suchten meine aber es verschwamm alles.
"Halt dich an mir fest! Mach einfach!" forderte er. Er schien, besser als ich, zu wissen was mit mir los war.
Ich kannte diese Schübe, bisher musste ich sie allerdings immer alleine überstehen.
Es dauerte unendlich lange bis ich wieder halbwegs ansprechbar war.
Erst dann konnte ich ein leises 'danke' von mir geben.
"Alles gut." murmelte er, zog mich wie selbstverständlich an sich damit ich mich in Ruhe sammeln konnte.

"Wie oft hast du solche Panikattacken?" fragte er irgendwann. Ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit seither vergangen war. Ich lag bestimmt schon eine Ewigkeit mit dem Gesicht an seine Brust gekuschelt da und starrte auf eines seiner Tattoos. Es lenkte mich hervorragend ab.
"Jeden Morgen, und jede Nacht.." murmelte ich und schämte mich dabei unendlich dafür. Warum war ich plötzlich so unfähig alleine zu Leben? Vor Armirs tot war ich schließlich auch nicht so unbeholfen!
"Du musst dir Hilfe holen Lou. Versteh mich nicht falsch aber... Ich weiß einfach wovon ich da rede! Du brauchst professionelle Hilfe! Die Sache mit Armirs Familie regeln wir. Ich bespreche das in Ruhe mit John und Marten und du... Du versprichst mir das du dir Hilfe holst. Verarbeite deine Trauer und das was du erlebt hast." murmelte er. Ich wusste das er recht hatte, aber ich wollte im Moment mit niemandem reden. Schon gar nicht mit einem Fremden.
"Gib mir noch ein bisschen Zeit." bat ich.
"Okay." seufzte Raphael. Es verwunderte mich das Raphael ohne weiteres meine Bitte akzeptierte. Vermutlich war ihm aber auch einfach egal ob ich es wirklich tat oder nicht.

"Bist du bereit für den Tag?" fragte er nach kurzer Stille.
"Nein. Du?" fragte ich und sah zu ihm hoch.
Raphael lächelte schief, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und löste sich dann von mir.
"Raus aus den Federn! Es wird Zeit das du wieder anfängst zu leben." stellte er klar und zog mich auf die Beine.
"Wenn du das sagst..." flüsterte ich und raffte mich auf.
Er hatte recht, auch wenn ich noch keine Ahnung hatte wie ich das auf die Reihe bekommen sollte.

"Wir gehen Frühstücken. John macht das immer wenn er in Berlin ist, also machen wir einfach was wir immer tun. Du brauchst einen Alltag. Den schieben wir dir jetzt zurecht. Bleibst du in Berlin? Hast du dir darüber Gedanken gemacht wo du leben willst? Oder gehst du zurück nach Hause?" fragte Raphael.
Mit jeder Frage fing es jedoch mehr an in meinem Kopf zu dröhnen. Ich wusste es nicht. Ich hatte keine Ahnung was ich in einer Stunde tun würde, also woher zum Teufel sollte ich wissen wo ich leben wollte?

"Louisa?" Raphael kam zurück als er bemerkte das ich ihm nicht gefolgt war.
"Zu schnell?" fragte er nach, ich nickte, schwieg aber da schon wieder Tränen in den Startlöchern standen.

Zur selben Zeit klopfte jemand an die Tür, vermutlich John. Raphael ging natürlich zur Tür und bemerkte so nicht das immer mehr Panik in mir hoch kletterte. Meine Sorgen waren dumm denn ich wusste das John mir nicht böse sein würde und trotzdem war ich mehr als zur angespannt als mir klar wurde das ich ihn zum ersten mal seit Monaten wiedersehen würde. 

Ich lief zurück nach oben, sah mich suchend um. Hier konnte man sich nirgendwo verstecken! Natürlich war dieser Gedanke durchaus Kindisch, rationale Gedanken waren in den letzten Monaten jedoch nichts womit ich glänzen konnte.

Wir, in schlechten Zeiten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt