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Louisa

Da stand ich, mit einer Tüte voller Sushi in der Hand.
Es war verflucht kalt und die Tür so zu wie eine Tür nur zu sein konnte.
"Super Lou, hast du toll gemacht." meckerte ich mit mir selbst.
Nicht nur das ich heute bereits ausreichend dumm gewesen war was mein komplettes Verhalten anging, nein, nun setzte ich dem ganzen auch noch eine Krone auf indem ich mich aussperrte und kein Handy dabei hatte.

Ich sah mich in dem kleinen Innenhof um und hoffte einfach das Raphael bald nach mir sehen würde denn es war unheimlich hier hinten.
Wenn jetzt jemand kommen würde, würde er mich einfach so überfallen können.

Nochmal versuchte ich an der Tür zu rütteln, da war jedoch nichts zu machen. Die Tür war zu.
"Scheisse..." fluchte ich und lehnte meine Stirn gegen das kalte Glas. Mein Atem bildete kleine Wolken in der Luft, so kalt war es. Da half mir mein dünner Pulli natürlich garnicht um nicht zu frieren.

"Raphael bitte denk nach... Komm runter... Bitte!" flüsterte ich wie ein Mantra, in der Hoffnung es würde via Gedankenübertragung bei ihm ankommen.
"Kann man helfen?" fragte unerwartet jemand hinter mir.
Viel zu nah hinter mir!
Ich hatte mich so erschrocken das ich dem Typen direkt die Tüte mit dem Sushi um die Ohren warf und ihm dann einen Tritt verpasste.
"Was zum..." keuchte der Typ und sank in sich zusammen. Ich kannte diesen Mann nicht also sah ich zu das ich abhauen konnte und hechtete den schmalen Durchgang hinaus auf den Bürgersteig. Kurz sah ich mich um und lief dann wie eine Gestörte nach links.
Ich kannte mich in Berlin überhaupt nicht aus, daher war mein Plan, in das nächst beste Lokal zu fliehen, bestimmt nicht der schlechteste.
Mein Herz schlug mir bis zur Brust als ich in einen Dönerladen stolperte und schwer Atmend feststellen musste das er dabei war seinen Laden zu schließen.
"Bravo Loui. Hast dir wieder eine Auszeichnung verdient heute." murmelte ich, sah entschuldigend zu dem Typen der mich verwirrt musterte.
"Sorry." murmelte ich und schlüpfte wieder durch die Tür.
Ich lief einfach die Straße runter, sah mich suchend um, fand aber nichts das mir bekannt war.

Ich war so verpeilt das ich irgendwann einen Polizisten anrempelte. Das hatte mir noch gefehlt!
"Alles in Ordnung?" fragte dieser. Offenbar hatte er sofort gesehen das ich völlig aufgebracht war.
"Ich hab mich verlaufen. Ich komme nicht von hier und meine Sachen liegen bei einem Freund. Ich kann nicht mal anrufen." stieß ich aus und raufte mir das Haar.
Einen Moment lang sah mich der Mann nachdenklich an.
"Dann kommen sie mal mit auf die Wache. Dort versuchen wir jemanden anzurufen." schlug er vor. Grundsätzlich war das bestimmt keine schlechte Idee, aber ich war mir auch ziehmlich sicher, würde ich ihm die Namen nennen die er anrufen könnte, würde er mir niemals glauben.

Ich folgte ihm trotzdem, in der Hoffnung das zumindest einer der Jungs auf die Idee kam mich dort zu suchen. Auch wenn das vermutlich das dümmste war worauf ich je gehofft hatte. Vermutlich würde Armir vorher von den Toten wiederauferstehen bevor John, Raphael oder sonst jemanden bei der Polizei nach mir suchte.

"Eh... Ist es möglich das ich versuche mein eigenes Handy anzurufen? Die Nummer kann ich auswendig. Vielleicht geht jemand dran. Ich habe nämlich die Befürchtung sie würden mir niemals glauben wenn ich ihnen sage welche Leute mich abholen sollten." schlug ich vor.
Der Polizist und die Kollegin die ich erst viel später bemerkt hatte, sahen sich kurz skeptisch an, willigte dann jedoch ein.

Ich versuchte nicht nur einmal Raphael auf meinem Handy zu erreichen, das Glück hatte ich jedoch nicht auf meiner Seite. Also blieb mir nichts anderes übrig als mit auf die Dienststelle zu fahren und dort irgendjemanden zu erreichen.

Mir war kalt und heiß zugleich als mir der Polizist, der eigentlich ganz nett war, einen Tee vor die Nase stellte.

Er hatte mittlerweile meine Daten überprüft, offenbar war in deren System mehr gespeichert über meinen Bruder und mich, als mir lieb war. Man glaubte mir tatsächlich und so wurde John angerufen. Nicht nur einmal. Ich konnte es ihm nichtmal übel nehmen denn es war mittlerweile kurz vor ein Uhr morgens.
Entweder feierte er gerade oder er schlief.

"Ich kann ihnen nur anbieten das sie bis morgen Früh in einer der Ausnüchterungszellen übernachten. Oder zumindest so lange bis jemand zurück ruft." bot mir die Polizistin an. Vermutlich aus Mitleid den üblich war das ganze nicht.
"Ich könnte mir zwar schöneres vorstellen aber bevor ich mir den Arsch abfriere würde ich das tatsächlich gerne annehmen." seufzte ich nach kurzem Überlegen. Es half ja auch alles nichts! Was sollte ich sonst tun? Ich kannte Raphaels Adresse nicht und John besaß zwar die Wohnung nebenan, dort war er jedoch nicht gemeldet und somit schien diese Adresse nicht im System auf.

" Aus Sicherheitsgründen müssen wir die Tür leider verschließen, sie können aber jeder Zeit über die Rufglocke veranlassen das wir sie raus lassen." Erklärte die weibliche Beamtin und reichte mir eine Decke.
"Danke... Ehrlich..." nuschelte ich betrübt und ließ die Schultern hängen.
"Wir sind nicht ganz so Scheisse wie viele von uns denken." zwinkerte sie und rieb mir aufmunternd über den Oberarm.
Das mochte vielleicht so sein. Solange sie niemanden meiner Familie einbuchteten waren sie mir auch relativ egal.

Ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war bis ich im Kopf angefangen hatte mich mit Armir zu unterhalten. Beinahe so als säße er vor mir. Ich fragte ihn ob das seine dumme Art war, mich etwas erleben zu lassen. Beinahe fand ich es sogar zum lachen, dass ich in einer Ausnüchterungszelle gelandet war. Wirklich lachen würde ich darüber aber erst können wenn ich einen der Jungs in die Arme fallen konnte.

Wir, in schlechten Zeiten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt