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Louisa

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Auch noch nach Minuten.
Raphael schien zu spüren das ich etwas durcheinander war, meine Gefühle nicht ordnen konnte.

Wir duschten zu Ende, dann gingen wir ins Bett. Raphael ließ mich selbst entscheiden ob ich ihm nahe sein wollte, hielt sich zurück und beobachtete mich. Einen Moment lang hatte ich gezögert, dann wagte ich es dennoch zumindest meine Hand zu ihm hinüber zu stecken.
Mein Kopf wurde dadurch nicht, wie erhofft, stiller. Ich fühlte mich als hätte ich Amir betrogen. Oder mich selbst? Ich konnte es nicht genau sagen.
Auf der einen Seite fühlte ich mich wohl bei Raphael, wollte ihm nahe sein, ihm zuhören und mit ihm kuscheln. Auf der anderen Seite fühlte ich mich wie ein mieser Verräter.

"Lou?" Raphael hatte sich auf die Seite gedreht so das er mich ansehen konnte.
Ich sah zu ihm, zeigte ihm mit Blickkontakt das ich ihm zuhörte.
"Sag mir bitte was in dir vorgeht." murmelte er, verhackte unsere Finger ineinander und küsste meinen Handrücken.
"Ich kann mir diese Frage im Moment selbst nicht beantworten." gestand ich.
"Bereust du?" fragte er leise. Alleine an seiner Stimme konnte ich erkennen das er sich etwas von mir distanzierte. Das wollte ich auf keinen Fall! Ich wollte Raphael nicht verletzen denn er hatte nichts getan das soetwas rechtfertigen würde.

"Ich habe Chaos im Kopf. Jede Minute mit dir, seit ich bei dir bin, fühlt sich an als würde etwas in mir heilen. Deine Nähe tut mir so unglaublich gut. So gut das ich mir garnicht vorstellen kann jemals wieder ein Leben ohne dich zu führen...." erzählte ich leise. Dann setzte ich mich auf, griff mit beiden Händen nach seiner und hielt sie fest.
"... Aber jetzt fühlt es sich an als hätte ich Amir betrogen. Es hängt wie ein Damoklesschwert über mir. Ich weiß nichtmal ob es so ist... Oder ob ich mir selbst mehr Vorwürfe mache als gerechtfertigt wären. Weißt du... Durch Amirs Krankheit war alles körperliche schon ein Jahr vor seinem Tot völlig aus dieser Beziehung geschlichen und manchmal... Manchmal da hat es sich schon mehr wie eine Freundschaft als wie eine Ehe angefühlt. Aber trotzdem ist da dieses Wissen das ich mit ihm verheiratet war, das er nur wenige Monate weg ist... Und ich... Ich.. "ich sah Raphael fassungslos an und schüttelte den Kopf.
"... Verdammt ich habe keine Ahnung wieso du so wichtig für mich bist. Wieso du so schnell einen so hohen Stellenwert in meinem Leben bekommen hast und wieso ich mich eigentlich so gut fühle obwohl ich das gar nicht sollte." erzählte ich. Ich war völlig durcheinander. Konnte meinen Gefühlen kaum den richtigen Ausdruck verleihen.
Raphael setzte sich ebenfalls auf, sah mich einen Moment lang an, dann zog er mich in seine Arme und ließ sich mit mir wieder zurück in die Kissen fallen.
"Ich denke es ist normal, egal wie lange Amir tot ist. Wenn man das erste Mal wieder mit einem anderen Mann schläft, erschlagen einen die Gefühle." murmelte Raphael während er liebevoll meinen Rücken auf und ab streichelte.
"Denkst du?" fragte ich leise und sah zu ihm auf. Raphael hatte einen ernsten Gesichtsausdruck aufgesetzt.
"Ja, ich denke schon. Du hast ihn aus Liebe geheiratet. Das verschwindet nicht von einem auf den anderen Tag." bestätigte Raphael.
"Aber dieses Bauchkribbeln... Das hab ich bei dir mehr als ich es bei Amir je hatte..." gestand ich. Raphael lächelte schief und drückte mir einen Kuss ins Haar.
"Ist das so?" fragte er und drehte sich etwas zur Seite so das wir uns ansehen konnten.
Ich nickte und atmete tief ein.
"Das verwirrt mich und... Ich habe Angst." seufzte ich.
"Wovor hast du Angst?" fragte Raphael, sah mich dabei ernst an und strich mir mein Haar hinters Ohr.
Ich drückte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen.
"Ich habe Angst das ich dir zu kompliziert bin. Ich will mit dir über alles reden können, dir mein Kopfchaos nicht vorenthalten. Ich will das du weißt woran du bist, welchen Stellenwert du in meinem Leben hast. Ich will das du weißt das ich mich bei dir wohl fühle, das du weißt das ich den Sex vorhin genossen habe. Wenn du mich fest haltest, so wie jetzt, dann fühlt sich das schön an. Das alles will ich dir immer sagen. Aber ich will auch das ich dir andere Dinge sagen kann. Dinge die manchmal weh tun. Dann hab ich aber Angst das dir das zu viel wird." redete ich wirr vor mich her.
"Erzähl mir auch die Dinge die vielleicht weh tun!" bat Raphael und küsste mich für einen kurzen Moment.

"Ich weiß nicht ob ich die richtigen Worte finde." seufzte ich und versteckte mein Gesicht an seiner Brust.
"Versuch es." murmelte er und schlang seine Arme fest um mich.
"Als John zu dir gesagt hat du sollst die Finger von mir lassen, da hab ich Angst bekommen. Angst davor, wieder jemanden zu verlieren der mir wichtig ist." murmelte ich, dann sah ich weg.
"Jetzt hab ich wieder Angst... Weil ich nicht weiß was du willst. Was dir der Sex bedeutet hat." gestand ich.
"... Weil... Ich... Keine Ahnung... Ich fühle mich wie zwischen den Stühlen." murmelte ich und rieb mir übers Gesicht.
Raphael sah mich einen Moment lang nachdenklich an, dann nickte er.
"Ich kann dir nicht sagen was ich fühle Lou. Dazu herrscht bei mir noch zu viel durcheinander. Aber ich kann dir sagen das du nicht nur eine Nummer unter der Dusche warst. Da ist mehr. Wie viel mehr muss uns die Zeit zeigen." murmelte Raphael.
"Okay..." hauchte ich. Ich war erleichtert denn offenbar ging es Raphael gleich wie mir.
Der Sex war nicht nur aus Verlangen, aber auch nicht aus tiefster Liebe passiert.

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Sorry das es aktuell so lange dauert. Mein Leben kommt mir aktuell immer wieder dazwischen. Ich hoffe ich verliere euch dennoch nicht als Leser.

Viel Liebe an euch.

Wir, in schlechten Zeiten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt