11

927 57 5
                                    

John

"Und wo ist sie jetzt?" fragte ich und runzelte die Stirn.
"Grad eben war sie noch da. Warte mal..." murmelte Raphael und lief die Treppe hoch.

"Oh man... Mensch Lou..." hörte ich Raf seufzen. Ich wollte hoch, doch Marten hielt mich zurück.
"Hör mal genau hin." murmelte er leise.
Ich verzog das Gesicht zu einer fragenden Miene.
"Hör dir seine Stimme an..." flüsterte er.

Es dauerte einen Moment, es war nur Louisas schluchzen zu hören bevor auch ich verstand was Marten meinte.

"Louisa... Es sind nur John und Marten. Die Beiden freuen sich das du wieder da bist. Keiner wird dir einen Vorwurf machen. Versprochen!" sagte er in einem weichem Ton.
Bisher hatte ich Raphael nur mit seiner Familie und kleinen Kindern so reden hören. Also die Sorte Mensch die er an sich ran ließ.
"Krass..." murmelte ich, starrte Marten dabei an und schüttelte den Kopf.
"Aber wie...?" hing ich fasziniert an. "Lass uns ins Wohnzimmer gehen!" murmelte Marten. Wir verhielten uns leise. Ungewöhnlich für uns, beinahe könnte man meinen wir wollten verhindern das eine Bombe hoch ging.
"Versprichst du mir... Das... Du... Das du da bleibst?" fragte sie leise. Hatte Loui solche Angst vor mir? Wieso? Ich hatte von Anfang an nicht vor gehabt ihr eine Standpauke zu halten. Dazu wusste ich einfach zu gut das sie emotional nicht dazu in der Lage war damit umzugehen.
"Versprochen. Aber John ist nicht angefressen auf dich." versicherte Raphael.
Sie flüsterte etwas, dadurch verstand ich nicht was sie sagte.
"Nicht nur heute?" fragte er und schien zu lächeln. Zumindest klang seine Stimme danach.
"Okay...Nicht nur heute. Aber jetzt sollten wir trotzdem nach unten gehen. John hat dich vermisst... Marten auch... Der gibt das aber nur ungern zu." scherzte er.

Einen Moment dauerte es noch, dann kam Louisa, mit Raphael im Rücken, die Treppe runter.

Sie zögerte kurz doch als sie sah das ich ihr wirklich nicht den Kopf abreißen wollte, da fiel sie in meine Arme und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Ich formte, an Raphael gewandt, ein 'Danke' mit meinen Lippen und wartete den ersten Schwung Tränen ab.
Raphaels Blick lag die ganze Zeit auf Loui.
"Das geht schon die ganze Nacht so. Sie muss dringend zur Ruhe kommen." murmelte Raf und sah zwischen mir und Marten hin und her.

"Lou soll ich mit Marten reden?" fragte er ruhig, ließ so allerdings auch mich hellhörig werden.
Sie nickte, also verschwand er mit meinem Cousin auf die Terrasse.
Ich folgte ihnen mit meinem Blick und beobachtete Martens Gesicht genau.
Er würde mir erzählen was Sache war, also hielt ich mich zurück und konzentrierte mich auf meine Schwester.
Martens Blick verdunkelte sich. Er nickte und schrieb eine Nachricht am Handy.


Louisa löste sich gerade von mir als die Beiden zurück kamen. Loui sah Marten einen Moment lang an während er auf sie zu kam. Dann schloss auch er sie in seine Arme.
"Wir helfen dir, mach dir keine Sorgen..." murmelte er und warf mir einen ernsten Blick zu.
"Louisa, du bleibst noch ein paar Tage mit Raphael ja? John und ich kümmern uns um alles andere. Nimm dir die Zeit die du brauchst." sagte er als sie sich von ihm löste.
"Aber Raphael... Ich kann dich doch nicht von deiner Arbeit abhalten. " sagte sie leise.
"Steht nichts wichtiges an. Mach dir keinen Kopf. Ich nehm' dich mit ins Studio und zeig dir wo John und ich die meiste Zeit unseres Lebens verbringen." lächelte er. Ich wusste das er sehr wohl den ein oder anderen wichtigen Termin hatte, das schien für ihn im Moment aber nicht zur Debatte zu stehen. Genauso wie er sich selbst immer geschworen hatte, das er niemals eine Frau in unser Studio bringen würde. Außer meiner Tochter und der Putzfrau sah man dort nämlich wirklich keine Frau. Nicht mal Joes verlobte hatte das Berliner Studio bisher von innen gesehen.

"Okay..." krächzte sie, zugleich kullerten wieder die Tränen.
Louisa ging es, ganz offensichtlich, wirklich schlecht. Ich hatte keine Ahnung wo die starke Frau abgeblieben war die Loui noch vor wenigen Wochen war. Heute stand da nur ein Häufchen Elend das völlig die Orientierung über ihr Leben verloren hatte.

"Dicker wir müssen los! Ich will keine Zeit verschwenden!" murmelte Marten und warf mir einen eindringlichen Blick zu. Er bemühte sich ganz offensichtlich um seine Wut nicht offen zu Zeigen.
Steckte mehr hinter der Trauer um Amir? Offensichtlich. Warum sonst sollten wir abseits von Louisa eine Hilfe sein?
"Lou? Kannst du mir eine SMS schicken mit den Daten?" fragte Marten. Nun wurde ich erst recht unruhig.
Loui nickte und damit war offensichtlich für Marten alles gesagt.
Kurz zögerte ich, drückte meiner Schwester einen Kuss auf die Stirn und folgte dann, etwas widerwillig, Marten in den Flur.

Wir, in schlechten Zeiten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt