Chapter 2

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Die Nacht brach so langsam aber sicher herein. Die Sonne war schon hinter dem Horizont verschwunden. Meine Schwestern sah ich heute den ganzen Tag nicht mehr. Nicht einmal Appetit hatte ich. Zu sehr hingen mir die letzten Worte noch im Kopf fest. Mein Tagtraum verschaffte mir wenigstens für einige Stunden eine gewisse Linderung. Doch sobald ich wieder wach wurde, kamen die ganzen Emotionen wieder hoch.

,Was auch immer passieren sollte, ich werde mich immer zu verteidigen wissen. Mich wird niemals ein böser Pirat fangen oder gar verkaufen.' ,schwor ich mir.

Nun war es endlich soweit, dass ich mich endlich verwandeln wollte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Die Aufregung & die Nervosität stiegen beachtlich an. Ich spähte zwischen den großen & langen Ästen der Trauerweiden hindurch, um sicher zu gehen, dass auch niemand in der Nähe war. Als ich das Gebiet abgesichert hatte, setzte ich mich so nah ich konnte mit meinem Hintern auf die trockene Erde, lediglich meine Schwanzflosse lag noch im seichten Wasser.

‚Suna sagte, dass es ausreichen würde, wenn mehr als die Hälfte des Körpers den trockenen Boden berührt. Hoffentlich behält sie recht mit der Annahme.' ,dachte ich angestrengt nach.

Ich wartete einige Minuten lang ab. Doch nichts geschah? Wieso nicht? Mit aller Kraft zog ich mich mit meinen Armen noch weiter aus dem Wasser & nun war wirklich nur noch das Ende der Schwanzflosse im Wasser. Wieder wartete ich einige Minuten ab. Nichts geschah. Musste ich erst komplett trocken sein?

Ich hob meine Schwanzflosse in die Höhe & hielt diese Position so lange ich konnte. Wieder geschah nichts. Nun drehte ich meinen Hintern zur Seite damit ich komplett auf der Wiese lag. Das strengte mich schon wirklich sehr an, mich so an Land zu schleifen. Im Wasser fielen mir die Bewegungen wesentlich leichter. Hier an Land fühlte es sich so an, als würde mein ganzer Körper auf die Erde gedrückt werden.

Wieder wartete ich einige Minuten. Mittlerweile war ich seit einer guten halben Stunde damit beschäftigt ein Mensch zu werden. Doch es geschah wieder nichts. Die Verzweiflung keimte so langsam in mir auf.

Was machte ich falsch? Diese Frage stellte ich mir immer wieder. Doch leider fiel mir keine Antwort ein. Ich saß nun eine sehr lange Zeit auf der Wiese & fühlte das Gras unter meinen Fingern. Es war sehr weich. Die Gerüche an Land betörten meine Sinne. Einige Blumen wuchsen auf der Wiese. Ich berührte sie vorsichtig mit meinen Fingerspitzen. Ich war total fasziniert.

Wie es sich wohl anfühlte mit den Füßen über Gras zu laufen? Doch nach einer weiteren halben Stunde, in der einfach nichts geschah, gab ich so langsam die Hoffnung auf, dass ich wirklich diese spezielle Gabe haben sollte. Eine weitere Stunde verging & ich verzweifelte bald. Ich wartete einfach ab, ob noch irgendwann etwas passierte. Mein Blick wanderte über die Wasseroberfläche. Es gab auch noch so viel unter dem Meer zu erkunden & zu entdecken. Es war schließlich meine Heimat. Wehmütig wurde es mir ums Herz. Meine Gedanken schwirrten verrückt & chaotisch hin & her:

‚Auf der einen Seite wünsche ich mir so sehr, ein Mensch zu sein & mich auch zu verlieben. So gerne möchte ich die ganzen menschlichen Eindrücke auf dem Land kennenlernen & wie hier die Gepflogenheiten sind. Mich fasziniert die Menschenwelt so sehr. Doch auf der anderen Seite habe ich furchtbare Angst, dass ich keinen Mann finde, der mich so liebt - wie ich ihn. Das er mich vielleicht sogar hasst und noch viel schlimmer, dass ich mich dann auflöse. Wie soll ich mich mit ihm unterhalten können, wenn ich doch meine Stimme verliere? Wie soll er mich überhaupt kennenlernen? Und was ist wenn die Menschen sogar mir gegenüber böse sind? Wenn sie mich verkaufen wollen?'

Fragen über Fragen quälten mich. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich wirklich ein Mensch werden wollte. Wahrscheinlich hätte ich es im Meer bei meinen Schwestern ruhiger. Doch trotzdem reizte mich diese neue, mir unbekannte Welt, fernab des Wassers. Während ich so angestrengt über meine Zukunft nachdachte, spürte ich gar nicht, wie sich meine Schwanzflosse tatsächlich in zwei gesunde Beine verwandelt hatten.

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