8I Breathe

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Clay's PoV

Dort stand er.
Er stand dort und schaute mich mit seinem wunderschönem Lächeln an. Seine Aura schien anders als sonst. Sie wirkte zunächst hell - ziemlich hell sogar, dass man dachte sich einen Engel anzuschauen. Doch im nächsten Moment? Im nächsten Moment verdunkelte sie sich. So dunkel, dass man glaubte in das pure Leere zu starren.
,,George?'' rief ich vorsichtig seinen Namen.
Plötzlich fing seine Aura an ihn zu verschlingen. Sie legte sich um ihn, wie einen Mantel. Ich stand dort, viele Meter entfernt von ihm und starrte ihn noch immer an.
,,George?!'' rief ich ein weiteres mal, diesmal jedoch verunsicherter, sogar schon beinah verängstlicht. Ich wollte auf ihn zu rennen, seine Hand packen und ihn daraus ziehen, doch ich war zu langsam. Es war, als wäre ich von irgendetwas zurück gehalten worden und musste dabei zu sehen, wie er von seiner eigenen Aura verschlungen wurde, während er mich dabei mit seinem wunderschönem Lächeln anstarrte.
,,Aufstehen'' riss mich die Stimme meiner Mutter aus meinem Schlaf.
Ich dachte einen Momentlang über diesen merkwürdigen Traum nach, doch genau so schnell vergaß ich ihn wieder.
,,Auf stehen hast du wohl zu wörtlich genommen, oder?'' entgegnete ich ihr. Ich hörte sie einmal kurz seufzen, doch dann setzte sie wieder ihr Grinsen auf und kam zu mir an mein Bett. Sie setzte sich auf die Bettkante und schaute mich an.
,,Wir werden heute etwas raus gehen'' fing sie an.
,,Ich werde ni - '' sie schnitt mir sofort das Wort ab.
,,Keine Wiederrede, wir gehen! Du musst mal wieder an die frische Luft Clay, dein Bruder wird uns sogar begleiten'' sagte sie. Als sie meinen Bruder erwähnte, trat Nick auch schon in das Zimmer hinein. Er zeigte mir seine Daumen nach oben, doch ich war von dem ganzen echt nicht begeistert.
Ich wollte nicht raus, das tat ich auch nie. Ich wollte einfach nicht, dass Menschen mich so sahen - so verkrüppelt. Zu dem hatte ich auch Angst, dass ich George plötzlich über den Weg laufen könnte und er mich so sehen würde, dass wollte ich ebenfalls nicht. Er sollte mich niemals so sehen.
Leider kam ich aus dieser Sache nicht heraus und musste mich draußen in meinem Rollstuhl herumkutschieren lassen.

Wir waren inzwischen seit einer halben Stunde unterwegs und ich hatte bereits überhaupt keine Lust mehr, denn wie ich es mir schon gedacht hatte, wurde ich von vielen angestarrt. Ob es Blicke waren, die nach Verachtung aussahen oder Mitleid - machte für mich keinen Unterschied.
,,Können wir jetzt endlich wieder nach hause?'' fragte ich sie.
,,Ach komm, wir haben noch überhaupt nichts unternommen'' entgegnete Nick. Unsere Mutter gab ihm natürlich Recht.
Da es draußen windig war und dieser Wind in meine Beatmung gelang, fing ich an zu husten. Es erschwerte mir das atmen sehr. Ich kämpfte mit dem Husten bereits seit einigen Minuten und besser wurde es nicht unbedingt, da es immer windiger wurde.
,,Alles ok?'' fragte mich meine Mutter. Ich nickte, doch bekam plötzlich immer weniger Luft.
,,Luft...ich kriege keine Luft...'' murmelte ich. Meine Mutter suchte sofort nach dem Spray, dass für Notfälle gedacht war, doch das hatte niemand dabei. Sie schaute meinen Bruder mit einem Blick an, den ich nicht ganz definieren konnte. 
Sie bückte sich zu mir herunter und schaute mich an.
,,Okay okay, beruhig dich Schatz'' fing sie an.
,,Mach mir nach: einatmen...ausatmen'' fuhr sie fort. Sie wollte mir zwar helfen, doch es half überhaupt nicht. Die Luft wurde mir immer weiter abgeschnitten, mein Gesicht lief inzwischen schon blau an.
Plötzlich bekam ich überhaupt keine Luft mehr und verfiel in Panik. Ich fiel aus dem Rollstuhl und landete auf dem kalten harten Boden. Ich versuchte nach Luft zu schnappen, doch es brachte nichts.
Das war der Moment in dem ich dachte, dass es das nun war.
Das der Tag, die Stunde und der Moment gekommen war, an dem ich mich verabschieden würde und meinem Leben ein Ende gesetzt werden würde. Doch plötzlich kam ein Fremder Mann auf uns zugelaufen, der zufälligerweise dasselbe Atmungsgerät bei sich hatte, was ich benötigte. Er hielt es mir an den Mund und drückte auf den Knopf. Langsam bemerkte ich, wie ich wieder nach Luft schnappen konnte.
Meine Mutter die bereits völlig in Tränen ausgebrochen war, bedankte sich aufgewühlt bei dem Mann. Mein Bruder rief in der Zeit einen Krankenwagen.

Als ich auf der Liege lag und in den Krankenwagen verfrachtet wurde, dachte ich nur an eins: George. Wir wollten uns später, wenn er wieder Zuhause sein würde treffen, doch wie sollte ich ihm nun sagen, dass ich gerade fast erstickt wäre und dazu noch in das Krankenhaus gebracht wurde, wo ich vermutlich für eine Weile bleiben müsste?
Mein Leben hing an nur einer  einzigen weiteren Sekunde, dann wäre es vorbei gewesen. Ich hatte wohl Glück im Unglück, was?
Blieb sich nur die Frage, wann mich mein Glück komplett verlassen würde.

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