Kapitel 3

160 17 15
                                    

Als er seine Augen aufschlug, war das erste, was er verspürte Sicherheit. Ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Er wusste zuerst nicht, wo er sich befand, doch nachdem Stück für Stück die Erinnernung an den letzten Tag zu ihm zurückkamen, entspannte er sich wieder. Keigo war in der Nacht nicht hier gewesen und hatte es auch nicht versucht, denn er hatte zwar lange nicht mehr so lang und gut geschlafen, doch er hatte noch immer einen sehr leichten Schlaf und ein überraschend gutes Gespür für Gefahr. Eigenschaften, die man sich auf den Straßen Japans aneignete. Sein Kopf fiel schwer wieder nach hinten in die Kissen und seine Zehen kräuselten sich auf dem weißen Lacken. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er zuletzt in so einem gemütlichen Bett geschlafen hatte. Sicher war es schon Jahre her. Am liebsten würde er noch länger liegen bleiben und einfach mal entspannen, statt sich ständig wegen irgendwas Sorgen machen zu müssen, doch ein Blick auf die Uhr an der Wand überzeugte ihn vom Gegenteil. Es war kurz nach sieben und er sollte wirklich so langsam aufstehen. Für andere Menschen mochte es vielleicht noch relativ früh sein, doch ihm reichten normalerweise fünf bis sechs Stunden Schlaf aus, immerhin war er es nur so gewöhnt. Außerdem war es ihm ein wenig unangenehm die Wohnung einer fremden Person zu benutzen, auch wenn es ja Keigo selbst war, der ihn eingeladen hatte und...nunja, es war eben auch ein wenig unheimlich. Er kannte den Blondschopf erst seit einem Tag und, Mutant hin oder her, er musste immer noch seine Vorsicht erhalten, weshalb er auch dieses warme Gefühl von Sicherheit in seinem Bauch verurteilte.

Träge richtete er sich schließlich auf und gähnte einmal kurz, bevor er langsam aus dem Bett stieg. Er schauderte kurz, als seine Füße den kalten Boden berührten und sein Blick wanderte unbewusst zum Fenster. Es schneite nur noch an vereinzelten Stellen, doch dafür war keine Straße und kein Gebäude vor den weißen Flocken geschützt. Wie eine Decke lagen sie über der Stadt und beanspruchten alles, was sie zu fassen bekamen. Als Kind hatte er den Winter geliebt. Der Schnee, die Dekoration und die vielen neuen Gerüsche waren eine willkommene Abwechslung zu seinem tristen Alltag gewesen. Wenn er jetzt nach draußen auf die verschneite Gegend sah, war das einzige, was sich in ihm ausbreitete, Unwohlsein. Auf der Straße war das Wetter sein größter Feind. Man konnte es nicht kontrollieren oder verändern und musste es so hinnehmen, wie es war, was sich vermutlich einfacher sagen ließ, wenn man ein Dach über dem Kopf hatte. Natürlich hätte er nach einem verlassenen Gebäude suchen können, in welchem er den Winter verbrachte, doch in der heutigen Zeit war sowas kostbar und es war fast unmöglich so einen Ort zu finden, der nicht schon von mindestens einer Gang oder Familie bewohnt wurde.

Dem Fenster kehrte er wieder den Rücken zu und er schlenderte stattdessen zu dem Kleidungsstapel, den Keigo ihm gestern vor die Badezimmertür gelegt hatte. Alles lag säuberlich zusammengelegt auf dem kleinen Schreibtisch neben seinem Bett und zog ihn geradezu magisch an. Normalerweise musste er sich immer wieder Sachen klauen, wenn er etwas neues brauchte, doch da er sowas nicht wirklich gern tat, behielt er das, was er schon hatte, meist bis es auseinenderfiel. Für ihn war es also ein purer Luxus, jetzt sowas geschenkt zu bekommen, denn er war sich sicher, dass der Blondschopf diese Teile nicht mehr zurück haben wöllte. Sein Blick schweifte nach unten und landete auf seiner alten Kleidung, die er gestern einfach achtlos auf den Fußboden geworfen hatte. Er bügte sich und hob nacheinander sein T-Shirt, seine Jeans und seine Jacke hoch. "Tja, sieht so aus, als wenn wir uns hier verabschieden müssten." Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken landeten die Teile in dem Mülleimer unter dem Schreibtisch und kurz darauf folgten auch seine Sneaker, wenn man das überhaupt noch so nennen konnte. Neben dem Stapel lag ein neues Paar schwarzer Schuhe, welches wahrscheinlich nicht gerade das beste vom besten war, doch er nahm diese mit Kusshand an. Alles war besser, als seine alten Sachen.

Zufrieden wandte er sich wieder der neuen Kleidung zu und befreite sich zuerst aus den Teilen, die er zum schlafen anhatte, bevor er sich ein weißes T-Shirt, welches ihn stark an sein altes erinnerte und eine schwarze Jeans überzog. Die Schuhe, die Keigo ihm hingestellt hatte und die, wie Alles andere auch, sicher nicht ihm gehörten, waren ein wenig groß, doch solange er seine Füße nicht wild in der Luft herumschläuderte, sollte es in Ordnung sein. Nachdem er sich fertig angezogen hatte, schweifte sein Blick etwas unschlüssig durch den Raum. Durch seine Müdigkeit gestern hatte er sich alles nur sehr grob angesehen und er musste zugeben, dass ihm das Zimmer wirklich gefiel. Es gab ein Einzelbett, einen schmalen Schreibtisch mit passendem Stuhl, einen kleinen Schrank und eine Kommode. Das schönste war jedoch vermutlich das abgerundete Fenster mit einer kleinen Sitzecke, an der Stelle, wo sich normalerweise das Fensterbrett befand, die mit ein paar Kissen und einer Decke dekoriert war. Mit einem leisen Seufzen ließ er schließlich von dem Anblick ab, drehte sich um und lief richtung Tür. Er durfte sich nicht an all das gewöhnen, schließlich wusste er noch nichtmal, wofür er überhaupt hier war...

Your Power (Dabihawks)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt