Er hätte es besser wissen müssen. Er hätte es besser wissen müssen, als seinem Bruder blindlinks in das Unbekannte zu folgen, wenn er es doch nicht einmal schaffte, das Bekannte zu aktzeptieren. Er hätte wissen müssen, dass es nur wieder in einem Drama endete. Er hätte vieles wissen müssen und doch stand er jetzt hier. Unter seinen Füßen schien die Erde flüssig zu werden und ihn einzusaugen, wie Treibsand, während die Luft, um ihn herum, mit jeder Sekunde immer dicker und dicker wurde. Er hatte das Gefühl, er steckte in einer Zeitschleife fest. Egal, wie sehr er versuchte mit seiner Vergangenheit abzuschließen, egal wie oft er sich selbst sagte, dass er nun ein neuer Mensch mit einem neuen Leben war, all diese Erinnerungen, all die Monster und Albträume, krochen doch nach einer gewissen Zeit aus ihren dunklen Ecken hervor, um ihn zu jagen. Sie würden ihn solange verfolgen, solange an seinen Fersen heften und in seinen Schatten wandeln, bis er endlich den Mut dazu hätte, sich umzudrehen und ihnen ins Gesicht zu blicken. "Wie lange ist sie schon hier?", fragte er. Seine Stimme hörte sich dabei nicht, wie die seine, an. So zerbrechlich und schwach. So...so emotional. "Schon seit ein paar Jahren.", erwiderte sein Begleiter, bevor er einen tiefen Atemzug nahm und zu erzählen begann.
"Weißt du, Vater hat sich verändert, seitdem du von Zuhause geflohen bist und alle von uns dachten, du wärst in dem Feuer umgekommen. Zuerst wurde er nur noch wütender und frustrierter. Ließ all seine angestauten Emotionen beim Training an mir aus, schlug mich, schrie mich an, verspottete mich. Wo du nun nicht mehr da warst, wurde er nur noch verbissener, mich zu dem perfekten Püppchen zu machen, das er immer wollte. Ich weiß nicht, was genau der springende Punkt war, der ihn zu einer Veränderung animierte, doch mit der Zeit begann er sich immer weiter in eine neue Person, eine bessere Person, zu verwandeln. Mom war weg, du warst weg und hätte er so weitergemacht, dann hätte es nicht lange gedauert, bis auch der Rest von uns verschwunden wäre. Ich glaube, es war diese Erkenntnis, die ihn zum nachdenken brachte. Er hat seine Taten und Ideale reflektiert und eingesehen, dass es nicht der richtige Weg war, auf dem er sich befand. Im geheimen gründete er dann diese Organisation, die UA. Am Anfang hatte er nicht mal uns etwas davon erzählt. Es hat insgesamt zwei Jahre gedauert, bis er endlich auch seine eigene Familie eingeweiht hat. Unsere Reaktionen darauf waren...gemischt. Fuyumi war von Beginn an begeistert. Du weißt ja, sie hat sich schon immer für den Zusammenhalt unserer Familie eingesetzt und fand auch die Idee dieser Gruppe toll. Natsuo und ich, wir brauchten eine Weile, um ihm für das zu vergeben, was er uns angetan hatte und zu respektieren, dass er versucht die Fehler seiner Vergangenheit zu begleichen und in der Gegenwart zu einem besseren Menschen zu werden. Er hat nie direkt, um Vergebung gebeten. Er wusste, dass er seine Taten nicht einfach von heute auf morgen ungeschehen machen konnte, doch er wollte sich nicht auch noch das Hier und Jetzt versauen und zu einem besseren Mann werden. Er wollte für uns da sein und endlich zu dem Vater werden, den wir schon die ganze Zeit über gebraucht hätten." Nach dem Satz legte Shoto eine kurze Pause ein, um ihm tief in die Augen zu schauen, wandte seinen Blick danach jedoch wieder nach vorn. "Er wollte, dass unsere Familie endlich glücklich wird, gemeinsam. Deshalb hat er auch Mom hierher gebracht."
Mir dem Kopf nickte der der jüngste Todoroki zu der Frau, die ein ganzes Stück entfernt von ihnen stand und viel zu beschäftigt mit der Schar an Kindern, die wild um sie herum wuselte, war, als das sie sie bemerken würde. Ihr reines weißes Haar schimmerte in dem dimmrigen Licht, welches von den Tunnellampen auf sie fiel und das blaue Kleid, das sie trug, ließ ihre helle Haut förmlich erstrahlen. Ihr Körper bewegte sich grazil und anmutig, als sie sich mit den Kindern unterhielt und gleichzeitig versuchte, jeden dieser kleinen Teufel in Schach zu halten. Ein sanftes Lächeln lag auf ihrem Gesicht, welches man schon von weitem erkennen konnte und für Dabi wirkten ihre Gesichtszüge wärmer, als die Sonne selbst. Er konnte sich nicht an das letzte Mal erinnern, an dem er sie so unbeschwert hatte lächeln sehen. "Ich dachte, sie...er hat sie gebrochen und in eine Klinik abgeschoben. Wieso...wieso ist sie jetzt hier?" Es war für ihn unbegreiflich seine Mutter, diejenige, die aus ihrer Familie wohl am meisten gelitten hatte, nun so sorglos und glücklich zu sehen. Er selbst hatte Jahre gebraucht, bis er endlich verstanden hatte, dass es nichts brachte in der Vergangenheit zu leben. Er hatte gelernt, das Hier und Jetzt zu sehen und sich zu einer neuen Person zu entwickeln und dennoch...dennoch verspürte er noch immer diesen abgrundtiefen Hass, genau wie damals, gegenüber seinem Vater. Er wusste, dass seine Mutter keine böswillige und rachsüchtige Frau war. Sie war sanft und liebevoll und besaß ein viel zu reines Herz für diese Welt. Ihm war das alles bewusst, doch auch auf eine gutherzige Person, wie sie, mussten die Taten ihres gewalttätigen Ehemanns doch einen Einfluss haben. Er konnte sich noch genau an das Zittern in ihren Gliedern erinnern, jedesmal, wenn sie gegenüber seines Vaters stand, das kurze unruhige Zucken, wenn man sich ihr zu schnell näherte und die Panik in ihrem Gesicht, immer wenn sie in ozeanblaue Augen starrte. All das hatte sie so sehr mitgenommen, dass sie ihrem jüngsten Sohn eine niemals heilende Narbe zugefügt hatte und in eine Klinik für psychisch kranke Menschen eingewiesen werden musste. Wieso also konnte sie jetzt hier stehen, in einer Organisation, die ihr Bastard eines Ehemanns leitete und sich so verhalten, als hätte sie nie ein Leid in ihrem Leben empfunden?
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Your Power (Dabihawks)
FanfictionJapan in der Krisensituation. Eine gespaltene Gesellschaft, Aufstände, Rebellionen und eine Gruppe Verrückter, die alles verändern will. Natürlich gehört Dabi nicht zu diesen Spinnern. Er würde doch niemals bei sowas wahnsinnigem mitmachen...oder?