12 - Durins Geister

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"Onkel Bilbo, Onkel Bilbo!", ertönte die freudige Stimme des kleinen Frodo Beutlin, der durch den runden Eingang der Hobbithöhle stürmte, direkt in die Arme seines Onkels. "Hallo Frodo", lachte Bilbo und wuschelte dem kleinen Hobbit durch die Locken. "Heute habe ich einen ganz schönen Schmetterling gesehen!", erzählte Frodo, während er in die Küche stürmte. "Und meine Freunde haben mich wieder begleitet und mir eine tolle Stelle mit vielen Pilzen gezeigt!" Bilbo folgte seinem Neffen in die Küche und schenkte ihm einen Tee ein, den der kleine Hobbit gierig austrank. "Wo ist denn die Stelle, die deine Freunde dir gezeigt haben?", erkundigte sich Bilbo und setzte sich zu Frodo an den Tisch. "Das ist ein Geheimnis", erwiderte Frodo grinsend. Der ältere Hobbit schüttelte lächelnd den Kopf. Schon seit geraumer Zeit erzählte sein Neffe ihm von seinen drei Freunden. Er behauptete, sie wären Zwerge und würden immer bei ihm sein. Selbst in dem Moment, in dem Bilbo mit ihm geredet hatte, sollten sie da gewesen sein, doch Bilbo hatte in ihrem Wohnzimmer niemanden sehen können.

Seit diesem Tag redete Frodo immer mit seinen imaginären Freunden und Bilbo fand, das es nichts schlimmes war. Denn durch seine imaginären Freunde hatte Frodo immer Gesellschaft. Doch Frodo war sich sicher, dass er sich die drei Zwerge nicht einbildete. Denn sie hatten Namen und erzählten ihm immer Geschichten. Die Zwerge hießen Thorin, Fili und Kili. Die Geschichte, die Frodo am liebsten von ihnen hörte, war die, über eine große Reise, die sein Onkel einmal unternommen hatte. Sein Onkel hatte mit dreizehn Zwergen einen Berg zurück erobert, den Erebor. Immer wenn Thorin mit seiner tiefen Stimme anfing zu erzählen, fühlte sich Frodo, als würde er selber gegen Orks kämpfen oder die riesigen Hallen des Erebor sehen. Die drei Zwerge begleiteten Frodo überall hin und im Wald taten sie so, als würden sie eine gefährliche Mission bewältigen und immer eine neue Pflanze finden, die Bilbos leben retten könnte. Natürlich retteten die Pflanzen Bilbo nicht wirklich das leben, aber jedes Mal, wenn Frodo seinem Onkel neue Kräuter brachte, die er gefunden hatte, zauberte das dem älteren Hobbit ein Lächeln aufs Gesicht.

Aus irgendeinem Grund war es so, dass Frodo seinem Onkel aber noch nie die Namen seiner Freunde gesagt hatte. So kam es, dass Bilbo eines Abends mit Frodo vor dem Kamin saß und einen Tee trank. "Ich würde dir gerne eine Geschichte erzählen, Frodo", erhob der Hobbit seine Stimme. Sofort sah Frodo ihn aufmerksam an. Er liebte Geschichten! Bilbo räusperte sich und begann zu erzählen. "An einem schönen, sonnigen Tag, ich saß gerade auf unserer Bank und rauchte eine Pfeife, da kam Gandalf vorbei. Er sagte mir, er würde jemanden für ein Abenteuer suchen." Der Hobbit wollte gerade weiter reden, da fiel Frodo ihm ins Wort. "Diese Gesichte kenne ich! Gandalf wollte, dass du mit dreizehn Zwergen den Erebor zurück eroberst! Und dann warst du an so vielen Orten, zum Beispiel in Bruchtal! Kann ich auch ein mal nach Bruchtal?" Überrumpelt blickte Bilbo seinen Neffen an, der mit glitzernden Augen zu ihm sah.

"Woher?", brachte Bilbo heraus, zu mehr war er nicht in der Lage. "Meine Freunde haben mir davon erzählt. Sie haben gesagt, sie wären mit dir zum Berg gereist!", eröffnete Frodo dem älteren Hobbit und blickte jetzt etwas besorgt drein, weil sein Onkel ins Leere starrte. "Wie heißen deine Freunde?", fragte Bilbo leise. "Thorin, Fili und Kili! Gerade sind sie nicht da, aber vielleicht siehst du sie ja, wenn sie wieder kommen." Bilbos Tasse fiel ihm aus der Hand und zersprang klirrend auf dem Boden. "Onkel Bilbo!", rief Frodo erschrocken. "Was ist denn los?" Doch der Hobbit antwortete seinem Neffen nicht. Seine Gedanken waren in der Vergangenheit, bei seinen Freunden, die in der Schlacht der fünf Heere gestorben waren. Konnte es wirklich sein, dass sie die ganze Zeit hier gewesen waren? Aber wieso konnte er sie nicht sehen? "Onkel Bilbo?", fragte Frodo schließlich vorsichtig und zupfte am Ärmel seines Onkels. "Meine Freunde sind wieder da. Dürfen sie auch Tee haben?"

Der alte Hobbit sah auf und fasste sich wieder, bevor er lächelnd nickte. "Natürlich können sie auch Tee haben." Und zu sich selbst murmelte er: "Tee gibt's um vier. Es ist genug für alle da... ihr seid jederzeit Willkommen. Und ihr braucht nicht anzuklopfen." Dann stand er auf, holte drei Teetassen aus dem Schrank und befüllte sie. Eine für Fili, eine für Kili und eine für Thorin.

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Ich wünsche euch frohe Weihnachten! Das hier ist zwar nichts weihnachtliches, aber hoffentlich mögt ihr es trotzdem. Feiert noch schön!

𝓜𝓲𝓽𝓽𝓮𝓵𝓮𝓻𝓭𝓮 𝓞𝓷𝓮𝓼𝓱𝓸𝓽𝓼Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt