6 ~ Nino

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Als er die Klasse betrat, hielt Nino den Blick fest auf den Boden gerichtet. Er wollte nicht sehen, wie die anderen drei Wölfe in der Klasse bei seiner Ankunft verärgert die schmerzende Nase kraus zogen. Doch diesmal musste sogar das Menschenmädchen, an dem er vorbei ging, niesen. Mit einem kaum hörbaren Seufzen nahm er Platz. Ja, heute war es besonders schlimm, es tat ihm ja selbst schrecklich weh beim Atmen. 
Kurz bevor er fertig gewesen wäre, war er über den Kübel mit dem Putzwasser gefallen. Bis alles davon aufgewischt war, musste er rennen, um noch rechtzeitig zum Unterricht zu kommen, und hatte nicht mehr die Chance sich umzuziehen. Jetzt stank nicht nur er nach dem Zeug, sondern sein Gewand auch noch. Zumindest war das Wasser Großteils in die andere Richtung geschwappt, sodass er noch als trocken durchging. 
Er begann gerade Pläne zu schmieden, wo er sich in den Pausen verbergen sollte, um der Abreibung zu entgehen, die die Wölfe aus der Parallelklasse ihm für diese olfaktorische Beleidigung zuteil kommen lassen würden, bat Herr Windur um Ruhe und Aufmerksamkeit. 

"Meine liebe Abschlussklasse!", begann er, "Nun, da das neue Schuljahr endlich so richtig in Schwung gekommen ist, wird es Zeit, dass wir uns mit den wesentlichen Dingen des Jahres beschäftigen - eurem Abschluss und dem besten Weg dahin. Aus Erfahrung weiß ich, dass in dem Alter die meisten Schüler bereits besseres zu tun haben, als für den Unterricht zu lernen und zu arbeiten. Oft führt das dazu, dass meine Schüler vor allem in den ersten Monaten, wenn überhaupt, nur körperlich in meinem Unterricht anwesend sind. Gegen Jahresende bekommen dann alle Panik und versuchen innerhalb weniger Tage den Stoff mehrerer Jahre in ihre kleinen Köpfe zu bekommen. Und dann fangen sie alle an zu jammern, wie gemein wir doch zu ihnen sind, und das so viele Prüfungen nicht zu schaffen sind, und blablabla. Ich sag euch jedenfalls eines: Das mache ich nicht mehr mit! Heuer werdet ihr - zumindest in meinem Unterricht - das ganze Jahr über leisten müssen, wenn ihr bestehen wollt.   {!!!!}      Pa-pa-pap! Still! Keine Beschwerden. Ich habe alles mit dem Direktor und dem Stadtrat für Bildungsangelegenheiten besprochen, und sie sind einverstanden. Es gibt kein Entkommen. Und jetzt hört euch erst mal an, wie ich mir das vorstelle." 

Der kurz ausgebrochene Aufruhr beruhigte sich tatsächlich schnell wieder. Nino war sich nicht sicher, ob sich seine Mitschüler nun für Herrn Windurs Idee interessierten, oder ob sie einfach nur Angst vor zusätzlichen Strafarbeiten hatten. Ihm war es im Grunde egal, was er sich ausgedacht hatte, solange er es nur alleine erledigen konnte. Seine Mutter wurde anstrengend, wenn Gruppenarbeiten anstanden. 

Bei seinem Glück, stellte es sich jedoch natürlich als Gruppenarbeit heraus, wenn auch in kleinerem Sinne. In Zweierteams sollten sie über das Jahr hinweg zwei zumindest ansatzweise wissenschaftliche Arbeit zu einem Thema ihrer Wahl - natürlich nichts fachfremdes - verfassen, welche dann der Hauptbestandteil ihrer Abschlussnoten sein würden. Je eine geografisch/wirtschaftliche und eine geschichtlich/politische für die beiden Fächer, die sie bei ihm hatten. Und um sicher zu gehen, dass wirklich konsequent über den gesamten Zeitraum daran gearbeitet wurde, gab es monatliche Besprechungen des Fortschrittes mit Herrn Windur. Das erste Team war bereits nächste Woche dran. An sich klang das ja gar nicht so übel. Er würde es nur wirklich lieber alleine machen. Aber er kannte seinen Lehrer, da hatte er keine Chance, dies zu erreichen. Mit einem tiefen, lautlosen Seufzen lehnte sich Nino also im Sessel zurück.

Als es Zeit wurde sich in Teams in seine Liste einzutragen, entwickelte sich ihre Klasse zu einem chaotischen Bienenstock. Der Alphasohn und sein zweiter Beta waren die ersten, die sich in die Liste eintrugen. Das war auch nicht anders zu erwarten, sie blieben meistens unter sich. Gleich danach schleppte Gemma eine ihrer Menschenfreundinnen aus dem Handballteam nach vorne, als würde sie befürchten ansonsten ihm zugeteilt zu werden. Nino verdrehte die Augen, weil er ihr Verhalten ein wenig lächerlich fand. Herr Windur war ein menschlicher Lehrer, Rudelzugehörigkeit war für ihn ein Fremdwort. Und Romero hatte, im Gegensatz zu seinem Bruder, noch nie auf diesen demonstrativen Rudelzusammenhalt in der Schule bestanden. 
Dahinter stellten sich dann langsam auch die anderen an. 

Ein Alpha und sein Omega         (Whiskerton #1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt