Nino saß an diesem Nachmittag auf dem gründlich gestaubsaugten Boden seines Zimmers, umgeben von Stapeln an frischer Wäsche, die darauf wartete gebügelt, gefaltet, sortiert und in die jeweiligen Schränke geschlichtet zu werden.
Heute saß im zur Abwechslung dabei nicht der Stress im Nacken, da er sich um das Essen keine Gedanken mehr machen musste. Ab und an kochte sich ihre Nachbarin, Frau Chernove, einen gewaltigen Karfiolauflauf, und einen riesigen Topf an Kohlsuppe - beides mit Rezepten aus ihrer Kindheit. Was aber auch bedeutete, dass sie die Portionen aus ihrer Kindheit kochte. Das mussten damals mindestens sechs Geschwister, drei Großeltern und 14 Tanten gewesen sein, so viel wie sie davon immer abbekamen. Meistens - so wie auch diesmal - an einem Freitag, damit sie das ganze Wochenende lang davon essen konnten.Er wusste nicht, ob Frau Chernove wirklich nicht in der Lage war, die Rezeptur auf eine Person herunter zu brechen - oder ob sie sich einfach schlichtweg weigerte, dies auch nur zu versuchen. Sie lebte sehr zurückgezogen in ihrem kleinen Haus, das außer ihr niemand betreten durfte, und hatte abgesehen von den Tagen, an denen sie ihr Essen teilte, kaum Kontakt zu ihrer restlichen Nachbarschaft. Also vielleicht brauchte sie diese kleinen Interaktionen einfach ab und an.
Nino konnte sich nicht direkt an die allererste Kohlsuppe erinnern, die sie bekommen hatten, aber er hatte noch ein ungefähres Gefühl, wie es in der ersten Zeit nach ihrem Einzug so war. Mr. Karmikle, der mittlerweile verstorben war, hatte sie regelmäßig angefleht, alles zu essen, was das Haus seiner Nachbarin verließ, damit er in seinem Leben nie wieder Kohl oder Kraut essen musste. Nino wusste, dass es seinen Eltern vorrangig darum gegangen war, nicht gleich von Beginn an negativ aufzufallen - aber immerhin diesen Gefallen hatten sie dem alten Mann getan. Es war nicht ihr Lieblingsessen, aber sie bekamen auch keinen Brechreiz davon, und es war kostenlose Nahrung.
Da die restliche Nachbarschaft, abseits von Herrn Karmikle, auch sehr dankbar war, dass die neue Sippe fortan für die verhassten Reste herhielt, blieb es dabei. Sie wurden ein geschätztes Mitglied dieser Nachbarschaft aus verschrobenen Vögeln - die sich an ihrer zurückgezogenen Lebensweise nicht störten - und er durfte fortan die große Auflaufschale und den gewaltigen Suppentopf entgegennehmen, wenn sie mal wieder vor ihrer Tür stand. So weit er die alte Dame kannte, war sie ihm recht ans Herz gewachsen.+++++++++++
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als sich laute Stimmen von draußen einen Weg zu seinen Ohren bahnten. Irritiert hielt er inne, eine Socke in jeder Hand hochhaltend, und versuchte sich auf die Stimmen zu konzentrieren. Mit ein paar tiefen Atemzügen fokussierte er sich ganz auf seinen Gehörsinn, und nahm die Geräusche seiner Umgebung nun intensiver wahr. Es waren zwei verschiedene Stimmen - eine etwas schriller als die andere. Sie klangen feindselig, kamen immer näher und gehörten eindeutig zu ...
In diesem Moment wurde die Haustüre, die er in Erwartung seiner Geschwister unversperrt gelassen hatte, mit Schwung aufgetreten, und knallte so heftig an die Steinwand, dass es in seinen momentan überempfindlichen Ohren wie ein Gewehrschuss direkt neben seinem Kopf widerhallte. Augenblicklich presste er sich die Socken, die er immer noch in den Händen hielt, auf die Ohren, und bemühte sich sein Empfinden rasch wieder auf alle verfügbaren Sinne zu verteilen.
Als das Klingeln in seinen Ohren endlich begann abzuebben, war es im Haus bereits ruhig geworden. Anscheinend hatten Gwen und John sich direkt in ihre Zimmer zurück gezogen, anstatt sich auch daheim weiter in den Haaren zu liegen.
Verwirrt ließ er den Blick an die Decke, in die ungefähre Richtung der beiden schweifen, während seine Hände aus den beiden einzelnen Socken endlich ein Knäuel formten. Sie stritten sich häufig, allerdings meist nur im Scherz. Heute hatte es irgendwie ernster geklungen. Obwohl er gar nicht sagen könnte, um was es diesmal eigentlich gegangen war.
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Ein Alpha und sein Omega (Whiskerton #1)
WerewolfEin etwas zu unsicherer Alpha, und ein unerwartet sturer Omega. Wo kann das nur hinführen? Laufend/ langsame Updates (aktuell Blockade im Hirn, sorry) 1000 Reads am 28.03.2023 2000 Reads am 27.12.2023