11 ~ Romero

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Romero stand vor ihrem Waschbecken. Aus dem Hahn stürzte das Wasser heraus, direkt in den Abfluss darunter. Er hielt es nicht auf. Er sah einfach nur dabei zu.

Ein - Aus.

Von seiner Stirn tropfte der kalte Schweiß aufs Porzellan, und machte sich ebenfalls auf den Weg ins Abwassersystem.

Ein - Aus.

Mit beiden Händen stütze er sich am Rand des Waschbeckens ab. Die Daumen innen, die anderen Finger außen. So als würde er sich gleich nach vorne beugen wollen, um zu trinken.

Ein - Aus.

Das hatte Romero auch vor gehabt. Trinken. Dafür war er her gekommen. Um etwas gegen die Kopfschmerzen zu machen. Gegen den Schwindel. Viel Trinken soll doch helfen.

Ein - Aus.

Vielleicht würde es ihn auch ablenken. Von der Atemnot. Aber er konnte nicht. Das Wasser ... er konnte einfach nicht.

Ein - "Hey!!!"

Mit angehaltenem Atem fuhr Romero herum. Sein Bruder stand in der Tür, funkelte ihn wütend an und drohte mit erhobener Faust: "Was soll der Mist? Du weißt doch, dass die Wasserrohre durch die Wand bei meinem Zimmer laufen. Willst du mich wach halten, oder was? Ist das jetzt deine neue Schiene, mich auf Schlafentzug setzen! Als ob ich das mit mir machen lasse, mach das sofort aus!"

Ohne auf die Anschuldigungen zu reagieren drehte Romero sich zurück zum Wasserhahn, und zwang sich, den Griff nach unten zu drücken, bis kein Tropfen mehr heraus kam.

- Aus.

Keiner von beiden machte Anstalten sich zu bewegen.

Ein - Aus.

Zu der Enge in seinem Brustkorb kam nun auch noch die Enge in seinem Kopf, die die Anwesenheit von Andrino auslöste. Sein Nacken krampfte sich schmerzhaft zusammen, als würde ihm mit Nadeln hinein gestochen werden.

Ein - Aus.

"Bleibst du jetzt einfach schweigend da stehen? Machst einen auf trotziges Kleinkind? Tust so, als wär ich nicht da?"
Das Wasser war doch aus, was wollte er noch?

Ein - seit wann hatten die Fliesen Punkte? Wie ein Dalmatiner... - Aus.

Sein Körper begann unkontrolliert zu zittern.

Ein - ... Ein - .... EIN! - Er brauchte Luft!

"Romero!", rief ihn sein Bruder mit leichter Sorge in der Stimme, kurz bevor er ihn an der Schulter packte. Doch sein Ausruf traf kein offenes Ohr mehr. Im nächsten Augenblick sackte der Angesprochene bereits bewusstlos zusammen.


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"Cäsium 137 ist radioaktiv, die Halbwertszeit beträgt in etwa 30 Jahre."

Diesen Teil schrieb Romero noch mit. Als sich Mrs. Wallady allerdings auf Nachfrage eines Mitschülers erneut in den Formeln und Rechenwegen exponentieller Abnahmen erging, legte er den Stift zur Seite. Mathe an einem Montagmorgen war schon schlimm genug, da würde er dasselbe nicht noch einmal aufschreiben. Zusammen mit seinem Blick, begannen auch seine Gedanken abzuschweifen.

Während er an den Rand seines Heftes mit Bleistift einen Wassertropfen malte, musste er nochmal an Samstag denken. An den Morgen nach jener seltsamen Nacht denken.
Als er erstmals seit langem vom Läuten des Weckers aufgewacht war, nicht von sich aus. Ein seltsamer Moment. Noch seltsamer, weil sein Bruder da war.

Ein Alpha und sein Omega         (Whiskerton #1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt