Mit einem leisen Seufzen sah er sich in ihrer Küche um. Gestern Nachmittag war Nino beim Bauernmarkt gewesen, der jeden Mittwoch am Marktplatz der Siedlung in der Nähe ihrer Kleinstadt stattfand. Die frischen Zutaten boten sich an, zu Gemüseomelette verarbeitet zu werden. Die Vorbereitung hierfür würde ein wenig mehr Zeit in Anspruch nehmen, als French Toast oder so, deswegen musste er sich heute beeilen, um nicht in Verzug zu kommen.
So leise er konnte, schlüpfte Nino aus seinen Schuhen und nahm jeden in eine Hand. Auf Socken schlich er sich so erst in den Flur, um die Schuhe in der Garderobe bei der Eingangstür unter seiner Jacke abzustellen, und anschließend zum Gästezimmer, dass sich in der hinteren Ecke ihres Hauses befand. Sein Zimmer in diesem Haus, zumindest offiziell. Schlafen durfte er hier nur in den seltensten Fällen. Wenn sie Besuch hatten, oder er wirklich schwer krank war.
Als seine jüngeren Geschwister noch in dem Alter waren, in dem sie das Sprichwort "Kindermund tut Wahrheit kund" quasi zum Hausmotto machten, musste er sich jeden morgen ein paar Minuten in das Bett hier legen, damit es ein wenig nach ihm roch, sodass den Kleinen nicht auffiel, dass er gar nicht im Haus schlief. Mittlerweile wussten sei es, und würden es auch nicht weiter erzählen. Er ging also nur zur Kommode, stopfte frische Unterwäsche, Socken und ein Shirt daraus in den alten Rucksack, der neben dem Bett am Boden lag, und verließ den Raum wieder. Zurück in der Küche stellte er den Rucksack neben der Tür zum Garten auf den Boden, und schloss die Tür zum Rest des Hauses, bevor er mit dem Kochen begann.
In routinierten Handgriffen wusch Nino das Gemüse und schnitt es in kleine Würfel. Dann holte er die beiden Pfannen, die zum Braten eines Omelett in Frage kamen aus dem Küchenschrank, und bereitete sie entsprechend vor. Dann holte er den Karton mit den Eiern, und stellte sie neben den Herdplatten bereit. Zwölf Eier, Essen für sechs Personen, es ging sich perfekt aus, dass jeder zwei bekommen würde. Eigentlich erwartete seine Mutter von ihm, weniger zu Essen, als die anderen. Aber da er vor allen anderen frühstücken musste, würde es ihr nicht auffallen, wie viel er sich zu Essen gemacht hatte. Mit einem kleinen verstohlenem Lächeln im Gesicht, schlug Nino das erste Ei auf - nur um es gleich darauf mit einem erstickten Aufschrei wieder fallen zu lassen.
Sein Herz schien vor Schreck kurz zu stolpern, als er den Atem anhielt und darauf lauschte, ob sich im oberen Stock etwas regte. Ärger mit seiner Mutter war wirklich das letzte, worauf er Lust hatte. Doch kein Laut drang an seine Ohren, außer dem Schnarchen seines Bruders, also entließ er seinen Atem wieder, und entspannte sich etwas. Dann verzog er jedoch das Gesicht zu einer angeekelten Grimasse, als er das nur teilweise entwickelte Küken aus der Pfanne kratzte, welches sich in dem Ei befunden hatte. Er würde es nachher zusammen mit den Eierschalen und den Gemüseresten auf dem Komposthaufen hinter dem Haus ablegen.
Es war logisch, dass er das verlorene Ei von seinem Anteil würde abziehen müssen. Blieb nur zu hoffen, dass in den anderen elf keine weitere böse Überraschung lauerte.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Zu Ninos Glück war dem nicht so, und er konnte ohne weitere Zwischenfälle zu Ende kochen. Die erste Runde war ihm wie immer nicht so gut gelungen, und so landete das größere Omelett aus der 'Kükenpfanne' in einer Thermodose in seinem Rucksack, und das kleinere Omelett aus der anderen Pfanne auf einem Teller neben dem Herd stand.
Wenn der Alpha ihn darauf ansprechen würde, dann müsste Nino wahrheitsgemäß antworten, dass seine Eltern ihm einen eigenen Sessel an den Esstisch gestellt hatten, und er theoretisch auch jederzeit dort sitzen und essen durfte - also alles so wahr, wie die Gesetze die der Alpha zum Umgang mit Omega-Familienmitgliedern erlassen hatte, es vorschrieben. Seine Eltern hatten sich nichts regelwidriges zuschulden kommen lassen. Allerdings ließen sein Zeitplan es meistens nicht zu, dass er dies auch tun konnte. An den meisten Morgen wich er, so wie heute, dem Herd nicht von der Seite und schlag seinen Anteil nebenbei im Stehen hinunter, um Zeit zu sparen.Nachdem die nächsten beiden Omelette fertig waren, drehte er das Backrohr ein wenig auf, und stellte die beiden Teller hinein, um die Temperatur des Essens zu halten. Seine Geschwister würden erst aufstehen, wenn er bereits weg war, verlangten aber ebenfalls warmes Essen. Während die letzte Runde Omelette am Brutzeln war, deckte er schnell den Tisch für 4 Personen, schob sie dann aber doch noch kurz zu den anderen ins Rohr. Die digitale Anzeige darüber informierte ihn, dass es bereits 6:33 war. Noch sieben Minuten, bis zum Erwachen seiner Eltern. Hektisch begann er das verwendete Geschirr zu waschen und wieder in die Schränke zu räumen, und stellte zwei der Teller aus dem Ofen auf dem Tisch bereit. Dann hob er seinen Rucksack auf, nahm den Eierkarton voller Bioabfälle und huschte in den Flur Richtung Eingangstür.
Einen Schuh und die Jacke konnte er anziehen, bevor seine Mutter am oberen Treppenabsatz erschien, und er sich unterwürfig hinkniete. Laut den Omega-Gesetzen musste er das nicht tun; und sie durfte ihn auch nicht dazu zwingen. Aber wie so oft, hatte diese Frau einen Weg gefunden, diese subtil zu umgehen. Grob gesagt war sein Leben um einiges leichter, wenn er gehorchte.
Ohne den Blick zu heben lauschte er ihren Schritten, die langsam näher kamen. Gerade als sich die Spitzen ihrer Schuhe in sein Blickfeld schoben, blieb sie stehen. Im Hintergrund hörte er seinen Vater herunter kommen, und in die Küche gehen, während seine Mutter einfach nur da stand, und die Zeit verstreichen ließ. Sein linkes Knie begann leicht zu schmerzen, und Nino fragte sich, wie lange sie es heute wohl durchziehen wollte. Ein paar Momente später seufzte sie tief und theatralisch, bevor sie sich ebenfalls in die Küche begab, um am Weg dort hin laut und deutlich ein "Womit hab ich das nur verdient?" zu murmeln.
Nino verdrehte innerlich die Augen, als er schnell in den zweiten Schuh schlüpfte, sich den Rucksack über die Schulter schwang, und das Haus verließ. Noch hatte die Uhr am Rathaus nicht sieben geschlagen, aber er wusste, dass er lange genug aufgehalten worden war, um nicht mehr rechtzeitig bei der Schule zu sein.
DU LIEST GERADE
Ein Alpha und sein Omega (Whiskerton #1)
WerewolfEin etwas zu unsicherer Alpha, und ein unerwartet sturer Omega. Wo kann das nur hinführen? Laufend/ langsame Updates (aktuell Blockade im Hirn, sorry) 1000 Reads am 28.03.2023 2000 Reads am 27.12.2023