Nähe

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Sicht John

Nachdem er seinen Satz beendet hatte, hastete er zu mir. Die Worte klangen in meinem Kopf nach. „Moriarty ist tot." Es ging keine Gefahr mehr von ihm aus. Sherlocks größter Feind war endgültig besiegt. Er konnte uns nichts mehr anhaben - uns meine, unsere Tochter nicht mehr wegnehmen. Wir hatten die Chance eine richtige Familie zu werden. Sherlock, die Kleine und Ich. „Bist du in Ordnung?" Sherlock hockte nun dicht neben mir und legte seine Arme um mich. „Ja geht schon..." Ich fühlte mich soviel besser jetzt, wo Sherlock wieder in meiner Nähe war. Er war alles was ich brauchte, alles was ich wollte.

„Lass uns von hier verschwinden." Er ließ mich los und sah mir in die Augen. „A-Aber wir müssen die Leichen doch von hier wegschaffen... Was, wenn Jemand Fragen stellt? Du hast gerade zwei Menschen erschossen...", meine Stimme war leise und zitterte. „Ich habe Lestrade bereits während ich nach dir gesucht habe, eine Nachricht gesendet, dass ich Verstärkung gebrauchen könnte. Und befragen können die uns morgen immernoch - jetzt fahren wir erstmal nach Hause." Er stand auf und hielt mir seine Hand hin. Ich ergriff sie und versuchte mich langsam aufzurichten. Ein stechender Schmerz in meinem Brustkorb - ich keuchte auf. „Du kannst kaum stehen - warte ich helfe dir." Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte der große, schlanke Mann mich in seinen Armen und trug mich aus dem dunklen Kellergewölbe. „Du kannst es nicht lassen, oder?", grinste ich. „Ich weiß nicht, was du meinst, John.", grinste er zurück.

Kaum das wir die letzte Stufe nach oben gestiegen waren und durch die schwere Tür nach draußen auf das riesige Fabrikgelände traten, wurden wir von Polizisten belagert. Zwischen den unzähligen Einsatzwagen stand ein schwarzes Auto mit verdunkelten Scheiben. Eindeutig eines von Mycrofts Dienstautos. „Da unten liegen zwei männliche Leichen. Sieht aus, als handle es sich bei einer der Leichen um James Moriarty.", meldete einer der Beamten DI Lestrade lautstark den Fund. „Alles klar, fordert einen Leichenwagen und die SpuSi an.", Lestrade wandte sich zu uns und kam näher. „Ich muss euch beiden einige Fragen stellen, wie es aussieht." „Ich denke, das muss bis morgen warten. John hat womöglich einige Frakturen im Gesichts- und Torsobereich - seine Verletzungen bedürfen einer ärztlichen Untersuchung.", erwiderte Sherlock nüchtern - er hatte wohl vergessen, dass er einen erwachsenen Mann auf dem Arm hatte. „Sherlock, setz mich ab. Wir wirken total lächerlich...", flüsterte ich mit Nachdruck in meiner Stimme. „Kommt nicht in Frage.", flüsterte er zurück und Lestrade grinste. „Jungs, ich kann euch hören - ich stehe direkt vor euch." Er lachte auf. „Meinetwegen fahrt. Ich regle das schon - Mycroft hat euch einen Wagen vorbeigeschickt." „Danke, habe ich gesehen.", erwiderte Sherlock und lief in Richtung des Autos.

„Verdammt Sherlock, lass mich runter!", protestierte ich mit leiser Stimme. „Die Leute gucken schon." „Die Leute sollen ruhig gucken, ich lass dich trotzdem nicht runter." Er grinste mich frech an. „Sherl-" Bevor ich erneut Protest erheben konnte, drückte er seine Lippen sanft auf meine. „Ich liebe dich.", flüsterte er und sah mir in die Augen. Er hatte mich geküsst. Vor Lestrade und Donovan - vor all den Leuten. Er stand zu mir - in aller Öffentlichkeit. Sherlock Holmes liebte mich und ich liebte ihn. Und jeder sollte es wissen.

„Ich liebe dich auch, du Idiot." Lächelnd sah ich ihm die Augen.

Vor dem Auto setzte er mich ab und zog mich dicht an sich. Mit beiden Händen nahm er meinen Kopf und zog ihn an seinen. Kurz bevor sich unsere Lippen berührten, flüsterte ich: „Jetzt werden die Leute auf jeden Fall reden." Der Kuss war erst sanft und zaghaft, dann wurde er innig und unsere Zungen tanzten miteinander. Alles war egal - hauptsache ich war hier, mit ihm. Ich schloss meine Augen und alle Anspannung, alle Furcht viel von mir ab.

Ein greller Lichtblitz ließ mich aufschrecken. Ich öffnete meine Augen, drehte mich um und blickte die Linse einer Kamera. Offenbar hatte die Presse Wind von meiner Entführung bekommen. „Würden sie sich bitte wieder hinter die Polizeiabsperrung begeben?", erklang die Stimme eines genervten Polizisten. Lestrade kam grinsend näher während der Polizist den Paparazzo hinter das gelbe Flatterband führte. „Ich habe nur drauf gewartet, dass ihr es endlich öffentlich macht. Ihr werdet Zuhause glaube ich sehnlichst erwartet - ihr beiden Papas."

„Er hat Recht, lass uns fahren. Mrs Hudson muss abgelöst werden." Lächelnd half mir Sherlock auf den Rücksitz des Autos. Die ganze Fahrt über ließ er mich nicht los - seine Arme waren fest um mich geschlungen. Er gab mir ein Gefühl von Sicherheit, von Geborgenheit.

Sicht Sherlock

Der Wagen hielt in der Bakerstreet und ich half John die Treppen nach oben zu unserem Appartment. Ich wollte gerade die Tür zur Wohnung aufschließen, als sie von innen geöffnet wurde. „Sherlock, John - ihr seid wohl auf.", Mrs Hudson klang erleichtert. „Ich habe sie schlafen gelegt. Gott, sie ist so ein ruhiges Baby - ein richtiger Sonnenschein." Sie sprach leise. Ich half erst John aus seiner Jacke und entledigte mich dann meines Mantels. „Danke fürs Babysitten, Mrs Hudson.", hörte ich John sagen. „Immer gerne, Jungs. Ich verschwinde jetzt mal wieder nach unten und lass euch beide allein." Lächelnd verließ sie den Raum und schloss die Tür hinter sich.

John setzte sich auf die Couch und ich lief ins Badezimmer, um Verbandsmaterial zu holen. Ich kniete mich vor John auf den Boden und tupfte vorsichtig die vielen Hämatome und Schnitte in seinem Gesicht ab. „Sherlock, wir brauchen dringend einen Namen für die Kleine..." Er pausierte kurz. „Was hälst du von Paige?" „'Paige' bzw. ‚Page' ursprünglich ein Familienname - abgeleitet von der Berufsbezeichnung für ‚Page', also Diener. Gebräuchlich vorwiegend in den USA, aus unklaren Gründen seit dem zwanzigsten Jahrhundert als weiblicher Vorname in Gebrauch. - Was hälst du von Shirley?" „Sherlock. Nein. Wir werden sie nicht Sherlock und nicht Shirley nennen." „Paige. Paiiiige.", murmelte ich, während ich vorsichtig sein Hemd aufknüpfte, um mir die Wunde an seinen Rippen anzusehen. Die Haut über den untersten vier Rippen war blau-lila angelaufen und das Gewebe stark geschwollen. „Meinetwegen nennen wir sie Paige. Wenn ich darüber nachdenke passt der Name zu ihr."

Nachdem ich Johns Wunden sorgfältig versorgt hatte, legte ich mich neben ihn auf die Couch. Ich lag mit der Brust an seinem Rücken und hatte meine Arme um ihn gelegt. Wir lagen einfach da und genossen die Nähe des Anderen. Ich genoss seine Nähe. Ich genoss die Nähe von John Watson. Meinem Blogger. Meinem Freund. Ein merkwürdiges Gefühl - und doch wunderschön, einem Menschen so nah zu sein und es mit jeder Faser des Körpers zu genießen. John atmete tief und ruhig. Er schien eingeschlafen zu sein und die beruhigenden Atmengeräusche, das regelmäßige Heben und Senken seines Oberkörpers, ließ auch mich in einen erholsamen Schlaf sinken.

*Johnlock* Sein letzter SchwurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt