Besorgnis

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Sicht John

Verwirrt sah ich mich in meinem Zimmer um, als ich Geigenmusik hörte. Was war gerade passiert? Was war auf einmal mit Sherlock los? Er war so... anders... so – fürsorglich. Wo war das arrogante Arschloch geblieben? Wo war... mein Sherlock? Ich schob den Gedanken beiseite und stand aus dem Bett auf. Erst jetzt bemerkte ich den pochenden Schmerz in meinen Handgelenken. Mist. Die Verbände mussten schon wieder gewechselt werden, denn ich spürte wie sie an meiner Haut klebten – offenbar hatten die Wunden nachgeblutet. Ich öffnete die Tür und humpelte die Treppen hinunter. Vor der Tür zum Wohnzimmer blieb ich stehen. Durch den Türspalt konnte ich sehen, dass Sherlock mit dem Gesicht zum Fenster stand. Mit schnellen Bewegungen glitt der Bogen über die Seiten seiner Geige – er spielte wundervoll.

Vorsichtig öffnete ich die Tür nur um einen winzigen Spalt mehr und schlüpfte hindurch ins Wohnzimmer. Möglichst leise versuchte ich, Wohnzimmer und Küche zu durchqueren, um zum Bad zu gelangen. Irgendwie hoffte ich doch darauf, dass sich Sherlock umdrehen würde... Mich noch einmal so berühren würde... Was?! Warum hatte ich bloß dieses Bedürfnis von ihm wahrgenommen zu werden – seine Nähe zu spüren...?

Meine Hoffnung war vergebens, denn Sherlock war vertieft in sein Geigenstück und stand weiter nur starr vor dem Fenster. Die Tür zum Badezimmer stand offen. Ich ging hinein, schloss die Tür hinter mir und öffnete den kleinen Schrank unter dem Waschbecken. Gedanken versunken kramte ich einige Verbandpäckchen hervor, setzte mich auf den Badewannenrand, riss die Plastikverpackung auf und versuchte mit einer Hand die Andere zu verbinden. Immer wieder ruschte mir der Verband vom Handgelenk und ich versuchte vergeblich ihn stramm zu ziehen. „Verdammt!“, rief ich als sich einer der abstehenden Fäden im Stoff des Verbandes verhädderte. Ich versuchte verzweifelt den Verband von der Naht zu lösen, aber es verhädderte sich nur immer mehr und mit jedem Ziehen und Zerren schmerzte die Wunde mehr. 

Plötzlich öffnete sich die Tür und Sherlock kam herein. „Was ist los? Ich hab dich rufen hören.“ Ich konnte den Ausdruck in seinem Gesicht nicht sofort zu ordnen, aber es wirkte wie... Besorgnis? Nein. Sherlock Holmes sorgte sich nicht um seine Mitmenschen. Ich stöhnte auf, der Schmerz in meinem rechten Handgelenk wurde stärker. Ich sah hinab und Blut tropfte auf die weißen Fliesen des Badezimmers. „Warte, ich helfe dir!“ Sherlock kniete sich hin und kramte hektisch im Schrank unter dem Waschbecken – er schien nach etwas zu suchen.

Sicht Sherlock

Hier musste doch irgendwo... Ah! Ich griff nach der Schere und drehte mich zu John. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und seine Hände zitterten. Vorsichtig nahm ich sein Handgelenk in die Hand und untersuchte die mit dem Verband verhädderte Naht. Mit der Schere trennte ich Verband und Naht und drückte anschließend eine Kompresse auf die blutende Schnittwunde. Ich spürte einen Stich in meiner linken Brust. Gefühle? Ich sah zum ersten Mal seine Wunden. Er hatte tief geschnitten. Er hatte es tatsächlich beenden wollen. Mein Atem stockte kurz. Er hätte mich allein gelassen. Ohne ihn war ich nur bloß der Freak, der hin und wieder Lestrade beim Lösen einiger Fälle half. – Ich brauchte ihn... Gott! Ich wurde doch tatsächlich beim Gedanken an John Watson sentimental...

 

 

Sicht John

„Sherlock, es hat aufgehört zu bluten. Ich wollte es eigentlich jetzt neu verbin-“ „Ne-Nein, ich mache das.“ Er schien in Gedanken gewesen zu sein. „Du siehst doch was dabei rauskommt, wenn du versuchst dich selbst zu verbinden.“, fuhr er fort ohne dabei eine Miene zu verziehen. Während er vorsichtig mein Handgelenk verband, blieb mein Blick an seinem Gesicht hängen – seine makanten Wangenknochen, seine wunderschönen Lippen... Gott, würde ich ihn jetzt gerne-

„So, fertig. Ist es zu eng?“ Er riss mich aus meinen Gedanken. „Ne-Nein, es ist perfekt. Da-Danke.“, ich lächelte ihn an und wurde rot. „Gerne.“ Er verließ fluchtartig den Raum und ließ mich alleine zurück. Ich hätte schwören können, dass sein Gesicht beim Verlassen des Raumes ebenfalls rot war.

„Sh-Sherlock?“, flüsterte ich in den Raum. 

„Ja...?“ 

Er hatte mich tatsächlich gehört.

Die Tür öffnete sich ein zweites Mal und Sherlock schaute mich mit großen Augen an. „Was ist denn, John? Hab ich den Verband doch zu eng gewickelt? Du musst wissen, ich hab nicht besonders viel Ü-“ Ich war aufgestanden stand nun direkt vor ihm. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.

Sicht Sherlock

Es war mir unmöglich klar zu denken – Johns Nähe brachte mich um meinen Verstand. Wie gerne würde ich ihn jetzt einfach... küssen... Ich versuchte krampfhaft meinen Verstand zu benutzen und zu deduzieren, ob er dasselbe empfand. Seine Pupillen waren geweitet – deutliches Zeichen dafür, dass er- Seine Hände umfassten meinen Nacken, er zog mein Gesicht zu seinem und küsste mich. Mein Herz machte schon wieder... diese Sache... Mir wurde bewusst, was ich lange versucht hatte zu unterdrücken – ich hatte Gefühle für meinen besten Freund. Ich hatte Gefühle für John Watson. Und er empfand offenbar dasselbe für mich. 

Er löste sich aus unserem Kuss und rannte aus dem Raum. Sein Humpeln war verschwunden. Ich musste lächeln, hörte jedoch dann schnelle Schritte auf der Treppe im Flur und die Haustür ins Schloss fallen. Was hatte er vor? Wollte er sich womöglich wieder etwas antun?! Mein Herz hämmerte und ich war nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Eher reflexartig rannte ich ihm hinterher, striff im Vorbeigehen meinen Mantel über und ließ die Haustür hinter mir ins Schloss fallen. Hoffentlich tat er nichts Unüberlegtes. Ich... brauchte ihn doch.

*Johnlock* Sein letzter SchwurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt