Alte Wunden

404 24 2
                                    

Sicht John

Sherlock und Lestrade waren aufgefordert worden, mein Zimmer zu verlassen. Die Ärzte waren der Meinung, ich bräuchte Ruhe. Ich war wütend, dass es nicht geklappt hatte. Statt endlich von all dem Schmerz, der Trauer befreit zu sein, lag ich hier in einem Krankenhausbett und stand unter der ständigen Beobachtung zweier Schwestern. Zu allem Übel zwang man mich auch noch mit einem der Seelenklempner hier zu reden. Ich weigerte mich allerdings über meine Probleme zu sprechen. Verstehen – würde mich hier sowieso niemand. Der Gedanke daran nach der Entlassung wieder Tag und Nacht allein in der Wohnung zu hocken, machte mich wahnsinnig. Ich wusste bei der nächsten Gelegenheit würde ich es wieder tun. Und dann würde ich sichergehen, dass mich niemand fand. Warum war Sherlock überhaupt gekommen, um nach mir zu sehen? Ihm war doch sonst auch egal, wie es seinen Mitmenschen ging. 

„John?“ 

Die Tür ging auf und Sherlock trat herein. „Das Krankenhauspersonal ist nicht besonders umsichtig, wie mir scheint.“, sagte ich genervt, als ich ihn erblickte. „John. Hör mir zu. Ich will, dass du wieder in die Bakerstreet ziehst.“ Wollte mich Sherlock Holmes etwa tatsächlich in seiner Nähe haben? „In eurer alten Wohnung gibt es zuviele Erinnerungen an... sie.“ „Vielleicht will ich ja genau das - mich an sie erinnern! Denkst du nur, weil du jetzt auf einmal auftauchst, würde das verdammt noch mal irgendetwas ändern?“, schrie ich ihn an. „Ja, das denke ich. Deine Augen haben sicht geweitet, du hast kurz gelächelt, als ich den Raum eben betrat. Du hast dich offensichtlich gefreut mich zu sehen.“ Ich schwieg. Was sollte ich jetzt auch antworten? Natürlich freute es mich, dass ich Sherlock Holmes scheinbar doch nicht so egal zu sein schien, wie ich es gedacht hatte. Und wenn ich darüber nachdachte – der Vorschlag wieder in die Bakerstreet zu ziehen, erschien mir gar nicht schlecht. Vielleicht konnten mich einige Fälle ja von meiner Realität ablenken. „Beeil dich John. Das Taxi wartet unten.“ „Wie? Ich kann hier nicht weg.“ „Natürlich kannst du. Hab mir mit Mycrofts Karte Zugang zu der Datenbank verschafft. Und jetzt hör auf mich so anzugucken und komm endlich.“ Während Sherlock vor der Tür wartete, zog ich mich rasch an und versuchte vorsichtig in meine Jackenärmel zu kommen, ohne dabei Druck auf die beiden Verbände an meinen Handgelenken auszuüben. 

Wir verließen das Krankenhaus und fuhren mit dem Taxi in die Bakerstreet. „Warte. Alle meine Sachen sind in der al-“ „Hab Wiggins beauftragt deine Sachen zu holen.“ Er tat es ein weiteres Mal. Er und Mary – die beiden Personen, die mein Leben um hundertachtzig Grad gewendet hatten. Die beiden Person, die mich auf dieser Welt am Meisten liebten. Und eine der beiden war tot. Sherlock war alles was mir jetzt noch blieb. Und er wirkte entschlossen, mein Leben wieder komplett umzukrempeln. 

Das Taxi hielt vor Speedy’s Cafe. Ich öffnete die Tür, stieg aus, lief zur Tür mit der Aufschrift 221B und musterte sie. Sherlock schritt an mir vorbei die wenigen Stufen nach oben, drehte den Schlüssel im Schloss und lief die Treppen im Flur bis hoch zu seiner Wohnung – unserer Wohnung. Ich stand noch immer regungslos vor der Eingangstür. Ich erinnerte mich an unsere erste Begegung im Labor im Bart’s – er hatte sofort erkannt, dass ich im Krieg gewesen war. Dass mein Hinken psychosomatisch gewesen war. Mein Hinken – es war wiedergekommen, nachdem Mary... gestorben war... Genauso wie damals, als ich dachte ich hätte ihn verloren. Damals war es Mary gewesen, die mich wieder aufgebaut hatte, die mir den Weg zurück ins- 

„Oh John! Greg hat mir davon berichtet! Komm doch herein!“, Mrs Hudson riss mich aus meinen Gedanken. „Ähm... Natürlich, ja.“, stammelte ich verwirrt. „Soll ich Tee kochen? Ich hab auch Kekse da...“ „Gerne.-“ „Ich bring es euch hoch.“ Sie lächelte. Ich hinkte die Stufen hinauf zu unserem Appartment. Sherlock saß in seinem Sessel und zupfte an den Seiten seiner Geige herum. Nichts hatte sich verändert, seit ich ausgezogen war. Alles war an seinem Platz, selbst der Staub schien genau derselbe zu sein. Ich spürte, dass Sherlock mich anstarrte, aber ich wich seinem Blick aus. „John! Dein Ärmel!“ Ich sah an mir hinab und erschrak. Der linke Ärmel meines Hemdes war blutdurchtränkt. Erst jetzt spürte ich den pulsierenden Schmerz in meinem Handgelenk. Die Naht ist aufgerissen, dachte ich bevor mir schwarz vor Augen wurde. Dann fiel ich. 

*Johnlock* Sein letzter SchwurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt