Wenn er mich gebraucht hat?

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Nachdem Marina satt ist, lasse ich sie ein Bäuerchen machen, streiche durch ihre Haare und setze mich mit ihr im Arm auf die Couch. Sie ist so ein ruhiges Baby. Fast nie weint sie, sie hält mich nachts nicht unendlich lange wach und einschlafen funktioniert bei ihr innerhalb von wenigen Minuten. Lächelnd streiche ich über ihren Bauch, während ihre blauen Augen mich interessiert mustern und alles in sich aufnehmen, was ihr Blickfeld bietet. Sie wird sicherlich mal ein wissensbedürftiges Mädchen, wenn sie älter ist. Mit einem Lächeln auf den Lippen halte ich ihr meinen Zeigefinger hin, welchen sie sofort mit ihrer Hand umschließt und zu sich zieht. Müde fallen ihre Augen immer wieder zu, aber sie kickt mit ihren Beinchen und zieht an meinem Finger, um wach zu bleiben, aber scheitert nach einigen Versuchen und schläft in meinen Armen ein.

Um sie nicht zu wecken, bleibe ich noch ein paar Minuten sitzen, ehe ich aufstehe und Marina wieder in ihre Wiege lege. „Schlaf gut, Maus", hauche ich fast schon stimmlos. Das leere Fläschchen nehme ich mit in die Küche, wo Louis mit vor der Brust verschränkten Armen an die Theke gelehnt steht. Unbeeindruckt spüle ich das Fläschchen auf und stelle es mit der Öffnung nach unten neben die spüle, damit es trocknet. „Harry, du bist doch jetzt nicht ernsthaft angepisst, weil du gestern nicht deinen Mund auf machen konntest", murmelt er und sieht mich herausfordernd an. Fassungslos von seiner Aussage drehe ich mich zu ihm und schüttle meinen Kopf: „Nein, es ist das alles zusammen. Das Geschirr bleibt an mir hängen, ich hab den Stress die Kinder anzuziehen, Taschen zu packen und heute Morgen noch die Waschmaschine anschmeißen, damit du morgen dein Lieblingshemd hast an deinem ersten Arbeitstag."

Louis sieht mich an, zuckt mit den Schultern und holt sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. Wie mechanisch hole ich ihm ein Glas aus dem Schrank neben mir und stelle es ihm wortlos hin. „Du hättest was sagen können." – „Also ist es meine Schuld?", frage ich und streiche mir die Haare aus der Stirn.

Da er nichts sagt, ist es für mich Antwort genug und ich schüttle den Kopf. „Lass gut sein" Damit gehe ich wieder an ihm vorbei, die Treppe herunter und in die Waschküche, wo ich die Waschmaschine ausräume, die Wäsche sortiere und das was kann, in den Trockner werfe. Den Rest hänge ich ordentlich auf den Wäscheständer und nehme mir die Wäschekörbe, welche ich wieder in Jaspers und unser Schlafzimmer bringe. Louis liegt als ich ins Zimmer komme zu einer Kugel zusammengerollt auf unserem Bett, weshalb ich unbemerkt die Augen verdrehe und den Wäschekorb abstelle. Einfach ins Bett legen würd ich gerne machen, aber ich hab genug zu tun, um es nicht machen zu können. Kopfschüttelnd gehe ich wieder aus dem Zimmer, laufe die Treppen herunter und mache mich daran, das Mittagessen zuzubereiten, ehe wir Jasper wieder abholen.

Schnell ist das Gemüse geschnippelt und die Kartoffeln geschält. In Blick auf die Uhr verrät, dass ich jetzt losmuss, um Jasper pünktlich abholen zu können. „Ich hol Jasper ab", rufe ich durchs Haus und gehe, ohne eine Antwort abzuwarten mit meinem Handy und Portemonnaie in der Hand zum Auto. Er wird sich schon denken können, wo ich bin.

Wie schon vorhin brauche ich nicht lange zum Gebäude. Schmunzelnd steige ich aus, betrete das Gelände und klingle bei der Entchen Gruppe. Wie Doris und Ernest, ist auch mein Sohn in dieser Gruppe. Wie sollte es auch anders sein? Sofort lässt Niall mich rein und ich hocke mich lachend hin, als Jasper mir bereits angezogen entgegenrennt. „Papi!", ruft er, fällt mir um den Hals und kichert leise gegen meinen Hals. Schmunzelnd hebe ich ihn hoch, setze ihn auf meine Hüfte und sehe ihn abwartend an. „Ich habe mit Niall und Max gespielt", erzählt er, sieht mich grinsend an und kuschelt sich wieder an mich. „Alles gut", beantwortet Niall meine unausgesprochene Frage, weshalb ich erleichtert nicke und Jas einen Kuss auf die Stirn drücke.

Auf der Fahrt hört er gar nicht auf zu erzählen und das Louis nicht da ist, interessiert ihn nicht im Geringsten. Er erzählt von Bauklötzen, von neuen Freunden und davon, dass Niall ihm einen extra Keks gegeben hat. Darüber muss ich nochmal mit dem Iren reden. Ich möchte nämlich nicht, dass er meinen Sohn bevorzugt, weil er mein Sohn ist, oder aus sonst einem Grund. Und er soll Jasper nicht immer Süßigkeiten geben. Nicht jeder kann hundert Chicken Nuggets am Stück essen, nicht zunehmen und trotzdem weiterhin Hunger haben. Er ist ein Phänomen, wirklich.

Zuhause angekommen stürmt Jasper sofort zur Tür, aber ich halte ihn lächelnd an der Schulter zurück, während ich aufschließe. „Erst die Schuhe aus, Jas", ermahne ich meinen Sohn, sehe ihm dabei zu wie er meiner Bitte nachkommt, und lasse ihn dann ins Haus rennen. Da er nach kurzer Zeit wiederkommt vermute ich, dass Lou unverändert im Bett liegt, aber auch damit liege ich falsch. „Papi! Papi, komm her", ruft Jasper aufgeregt und erscheint daraufhin am Kopf der Treppe. Meine Sachen lege ich alle ab, ehe ich hochlaufe und von ihm durchs Schlafzimmer ziehen lasse, wo Louis regungslos am Boden liegt. Meine Augen werden riesengroß und für einen Moment gefriert mir das Blut in den Adern, aber dann schüttle ich mir den Schock bestmöglich von den Schultern, schiebe Jasper aus dem Zimmer und streiche ihm durch die wuscheligen Haare. Gott, dieses Bild werde ich nie wieder los. Kurz dachte ich er wäre tot oder so, aber nein, das kann einfach nicht sein.

„Geh ruhig runter und spiel ein wenig, ich komme gleich zu dir" Nicht mal meine Eigene Stimme erkenne ich grade. Geistig vollkommen abwesend gehe ich zurück ins Zimmer und schließe die Tür hinter mir. Das könnte alles heißen. Verdammte scheiße, was ist nur passiert. Ich war nur eine halbe Stunde weg. Nur dreißig Minuten. Und als ich zurückkehre, liegt Louis still am Boden. Fuck. Wenn irgendwas passiert ist, ist das meine Schuld. Ich hätte auf seine Antwort warten müssen. Was, wenn er gesagt hat, ich soll bleiben? Oder nach mir gerufen hat? Wenn er mich gebraucht hat? Meine Hilfe? Fuck!

Sofort Knie ich neben Louis, streiche ihm die Haare aus der Stirn und drehe ihn aus der Seitlichen Position auf den Rücken. Freudig stelle ich fest, dass er noch atmet – trotzdem treten mir langsam die Tränen in die Augen. „Lou", flüstere ich, rüttle an seiner Schulter und beiße fest auf meine Lippe als Lou blinzelt und mich verwirrt ansieht. „Gott Lou, du hast mir so einen Schrecken eingejagt", murmle ich, streiche ihm über die Stirn und lege meine Hand auf seine Brust. „Mir ist schlecht", flüstert er, drückt sich von mir weg und übergibt sich in die Toilette. Sofort setze ich mich neben ihn, halte ihm die Haare aus der Stirn und streiche beruhigend über seinen Nacken. „Pscht, alles ist gut Lou", flüstere ich und male weiter kreise auf seinen Rücken. Als er fertig ist setzt er sich auf, wischt sich über den Mund und sieht mich unsicher an. Schnell fülle ich meinen Zahnputzbecher mit Wasser, gebe ihn ihm und mache dann einen Waschlappen nass, um ihm diesen zusätzlich in den Nacken zu legen. Seufzend wische ich Lou mit einem Handtuch die Lippen trocken, nehme den Becher wieder an mich und sehe ihn mitleidig an. „Seit wann geht's dir so schlecht?" – „Mittag", erwidert er, beißt auf seine Unterlippe und sieht mich so an. „Tut mir leid, falls ich dir einen Schrecken eingejagt habt, ich bin eingeschlafen", murmelt er und sieht mich wirklich schuldig an. Sofort schüttle ich meinen Kopf. „Egal wie sauer ich auf dich bin, wenn du krank bist, bist du krank und ich kümmere mich um dich. Ich liebe dich Louis."

Er nickt, kuschelt sich an mich und seufzt. „Möchtest du schlafen?", frage ich, streiche durch seine Haare und drücken einen Kuss auf seine Stirn. Er nickt in meinen Armen, drückt sich enger an mich und drückt immer wieder zarte Küsse gegen meine von einem Strickpulli verdeckten Brust. Vorsichtig lege ich meine Arme um ihn, hebe ihn hoch und trage ihn vorsichtig ins Bett. Sobald ich ihn ablege, kuschelt er sich in die Kissen, rollt sich zusammen und zieht sich die Decke bis zum Kinn. Aus dem Kleiderschrank nehme ich einen Pullover von mir, eine seiner Sporthosen und Fuzzy Socken, die er so sehr liebt. Vorsichtig setze ich mich neben ihn, ziehe die Decke weg und lasse ihn seine Sachen bis auf die Boxershorts ausziehen, damit ich ihm dann meinen Pullover anziehen kann, ehe die Hose und Socken folgen. Sobald er all das anhat, hebe ich ihn wieder hoch, trage ihn die Treppen runter und sehe lächelnd zu, wie Jas sich vorsichtig zu ihm legt, seinen Kopf auf seiner Brust bettet und die Augen schließt. „Papa gesund kuscheln", flüstert er mir zu, weshalb ich leicht lächle, und mich daran mache, Mittagessen zu machen. Die Kartoffeln koche ich, stampfe sie und reibe etwas Apfel dazu, damit Louis' Magen nicht strapaziert wird. Damit es auch Jasper schmeckt, mache ich in seine Portion noch einige Gewürze und gekochte Karotten.
Jasper setzt sich an den Couchtisch um zu Essen, ich lege mich zu Louis und ziehe ihn zwischen meine Beine, wodurch er mit seinem Rücken an meiner Brust ruht. Vorsichtig ziehe ich eine Decke über uns, stelle seine Schüssel in seinen Schoß und streicht ihm sanft über die Arme.

Sauer bin ich noch immer, aber das ist grade unwichtig.


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hi

ich hoffe ihr habt spaß an dem Kapitel und ich habe euch nicht zu sehr erschreckt. Was haltet ihr von der Situation?


love, j x

midnight memories III ⎜L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt