Ich will dich nicht sehen.

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Es ist, als würde meine Lunge sich zuschnüren, während die Decke gleichzeitig mit dem Boden über bzw. unter mir zusammenbricht. Ein ersticktes Schluchzen kommt über meine Lippen, als all die Erinnerungen an diese Zeit auf mich hineinbrechen.

Um nicht vollkommen in mir zusammenzubrechen, stütze ich mich mit beiden Händen an der Spüle ab und lasse meinen Kopf nach vorne Fallen. Es ist Muchs Mäuschen Still, man würde eine Stecknadel hören, würde man sie fallen lassen. Mit jeder Sekunde, die vergeht, sinkt meine Hoffnung, dass er seine Worte zurücknimmt. „Sag mir, dass du das nicht ernst meinst", flüstere ich. Ich weiß nicht, ob er es hört, aber die Stille klärt mich genau so wenig auf, wie die Wand vor mir. „Das meinst du nicht so." wiederhole ich lauter, während ich mich umdrehe und ihn mit wässrigen Augen ansehe. Er zuckt nur mit den Schultern, aber die Schuld steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Scheiße.

„Es ist doch fast dasselbe...", murmelt er und verschränkt seine Arme vor der Brust. Ich kann es nicht fassen. Ich drehe mich um und entferne die Scherben aus der Spüle, um sie dann in den Müll zu werfen. Diese Ablenkung brauchte ich, sonst hätte ich ihm in all meiner Wut noch eine gescheuert. „Es ist nicht fast dasselbe!" Ich drehe mich wieder um, sehe ihm aber nicht in die Augen. Meine Sicht ist so oder so verschwommen. Bei den Mengen an Tränen ist das aber auch kein Wunder. „Du bist so ein Arsch, Louis. Mir das vorzuwerfen...?!", ich atme tief durch, ehe ich flüstere „Wie kannst du nur...? Wie kannst du mir das nur vorwerfen, Louis? Ich habe versucht dich zu schützen, ich wurde erpresst verdammte Scheiße!" Er weiß das doch.

Er weiß, wie sehr ich unter alledem gelitten habe, wie deprimiert ich im Gerichtsverfahren gegen meine ehemalige Kollegin war, weil Männer ja nicht sexuell belästigt werden können. Er war die ganze Zeit über für mich da, er weiß all das. „Verdammt Louis, wie kannst du es wagen, das gegen mich zu verwenden?!" Er reibt sich übers Gesicht und schüttelt den Kopf. „Ich meinte es nicht so, das weißt du." – „Fick dich, Louis." Ich ziehe mir meinen Mantel wieder über und schließe mit leicht zitternden Fingern die Knöpfe. „Das mit deinem Glas tut mir leid, aber fick dich, Louis. Melde dich, wenn du wieder zu Verstand gekommen bist"

Verdattert sieht er mir hinterher, während ich an ihm vorbei aus der Wohnung stürme.

Zwanzig Minuten später sitze ich bei Niall auf der Couch und weine in seine Schulter. Er war sichtlich verwirrt, als er mich mit tränenüberströmtem Gesicht vor seiner Tür stehen sehen hat, aber anstatt zu fragen hat er mich mit einer Umarmung in die Wohnung gezogen. Mit einem warmen Tee in der Hand sitzen wir nebeneinander auf der Couch und ich erzähle ihm alles, während ich an der Tasse herumfummle. „Louis ist ein Arsch", stellt Niall fest und lässt mich leicht lachen. Es stimmt. Louis ist gerade wirklich ein Arsch. Ich will etwas erwidern, werde aber durch Nialls klingelndes Telefon unterbrochen. Ich nicke ihm zustimmend zu, woraufhin er es aus der Tasche holt und den Anruf entgegennimmt. „Hallo... Ja... Mhm... Ja, er ist hier... Nein... Ja, okay, mache ich." Dann legt er auf. Mir ist klar, dass es Louis war, der Niall angerufen hat und so sehr ich ihn auch in diesem Moment hasse, es freut mich, dass er sich Sorgen um mich macht. „Wir legen uns jetzt schlafen, ja? Morgen ist ein neuer Tag und die Welt sieht wieder ganz anders aus...", flüstert er und steht vom Sofa auf. Ich beobachte ihn dabei, wie er eine Decke und Kopfkissen sucht, weshalb ich dankbar anlächle. An meiner Schulter zieht er mich hinter ich her ins Gästezimmer, tut das Bettzeug aufs Bett und nickt mir zu. „Danke"
Er winkt ab und lächelt verstehend. „Schlaf gut, Haz." – „Du auch, Niall. Bist du morgen früh da?" Nach seinem Nicken entschließe ich, ihm morgen früh Frühstück zu machen... als danke, für die Strapazen des Abends. Schnell ziehe ich mich bis auf die Boxershorts aus, gleite unter die Bettdecke und sehe auf mein Handy, ehe ich es ausschalte und mich hinlege. Fast zwei Stunden drehe ich mich von links nach rechts und zurück, setze mich auf, hole ein Wasser, trinke es aber nicht. Ich kann meine Gedanken nicht von Louis' und meinem Streit lösen, aber entgegentreten kann ich ihm noch weniger. Scheiße man. Ich hasse es, mit ihm zu streiten, aber das geht über allen Streit heraus, den wie je hatten.

Er wirft mir meinen größten Fehler vor.

Schlaf finde ich mitten in der Nacht und auch nicht lange, denn mein Wecker reißt mich aus dem nicht gerade erholsamen Schlaf. Aber da rumjammern nicht hilft, raffe ich mich auf und ziehe mir die Anziehsachen von gestern an, ehe ich das Zimmer verlasse und mir meinen Weg in die Küche bahne. Ich nehme die Eier heraus, schlage sie auf und mache zwei Portionen Rührei, ehe ich an Nialls Zimmertür klopfe und ihm Bescheid sage, dass das Frühstück fertig ist. Keine Minute später steht Niall in Boxershorts vor mir und grins mich an. „Steht in der Küche" murmle ich und lasse mich von ihm in die Küche drängen. Gemeinsam frühstücken wir, ich räume alles auf und lasse mich dann von Niall dazu überzeugen, nach Hause zu gehen. Naja, überzeugen war es nicht, Niall hat mich mit den Worten, Ab nach Hause und unter die Dusche mit dir, aus der Wohnung geschmissen. Immerhin wurde ich dadurch nach Hause gefahren, beschweren will ich mich also weniger. Mit einer schnellen Umarmung verabschiede ich mich bei Niall, steige aus dem Wagen und haste die Treppen zu meiner Wohnung hinauf.

Es ist ungewohnt hier zu sein. Ich liebe die Wohnung, aber meist bin ich bei Louis und sehe seine Wohnung mehr als Zuhause an, als meine eigene. Gefühlt wohne ich bei ihm, nicht hier.

Seufzend ziehe ich mich aus, tue alle Sachen in den Wäschekorb und stelle mich unter die Dusche. Sofort entspannen meine verspannten Muskeln sich, ich lasse das Wasser über mich laufen und schließe zufrieden meine Augen. Sobald ich das Gefühl habe, bereit zu sein mich zurück in die äußere Welt zu begeben, wasche ich meine Haare und meinen Körper, dusche den Schaum ab und trete mit einem Handtuch um die Hüfte aus der Dusche.

Von mir selbst genervt stöhne ich. Ich habe vergessen, mir neue Kleidung rauszulegen. Da ich allerdings meinte, alle Fenster aufreißen zu müssen, muss ich nur im Handtuch und mit nassen Haaren durch meine Wohnung laufen – klasse. Das nächste Mal sollte ich wirklich mitdenken, bevor ich irgendwas tue. Unzufrieden vor mich hin grummelnd laufe ich durch die Wohnung, ziehe mir frische Boxershorts an und wühle dann durch meine Klamotten. Ich ziehe Yogashorts und eins meiner Sweatshirts an, da ich beschlossen habe, dass das hier zu einem auf dem Sofa sitzen, Filme gucken und Eis essen Tag zu machen. Gemütliche Klamotten habe ich bereits an, also mache ich mich jetzt daran mein Gefrierfach nach Eis zu durchforsten. Erbsen, Früchte, Buttergemüse... ah, doch! Eis. Erdbeereis. Jackpot! Mit dem Becher und einem Löffel in der Hand gehe ich ins Wohnzimmer, kuschle mich unter eine Decke und öffne Netflix auf meinem Fernseher.

Die Film Wahl fällt auf Great Gatsby (die Verfilmung mit Leonardo, alias den besten Film, den es gibt). Den ganzen Film über stopfe ich Löffelweise Erdbeereiscreme in mich hinein, weine mehrmals fast an den unpassendsten Stellen und wickle mich fester in meine Decke. Pünktlich als der Film endet, klingelt es an meiner Haustür. Mit der Decke um die Schultern laufe ich zur Tür und drücke auf den Summer. Unzufrieden lehne ich am Türrahmen – wer stört denn jetzt noch? Ein Blick auf die Treppen verrät es mir. Louis. Er steht in seinem Anzug und Mantel vor mir und sieht mich stumm an. „Ich will dich nicht sehen", murmle ich, gehe ein paar Schritte zurück und will die Tür wieder schließen, werde allerdings von Louis dabei aufgehalten. Sein Fuß steht in der Tür damit sie auf bleibt, ehe er sie wieder aufdrückt und in meine Wohnung schlüpft. „Louis", ermahne ich ihn, drehe mich dann aber um und laufe zurück ins Wohnzimmer. „Mach wenigstens die Tür zu." Damit lasse ich mich zurück aufs Sofa fallen und kuschle mich wieder so in die Decke ein, dass sie eng um meine Schultern liegt.

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1386 Worte

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hi Freunde der Sonne,

Es kracht ziemlich zwischen Louis und Harry, nicht? Findet ihr, Harry reagiert über, oder ist es gerechtfertigt? Und was denkt ihr, will Louis jetzt bei Harry tun?

love, j x

midnight memories III ⎜L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt