Kageen

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Müde öffnet sie ihre Augen. Ihr pinkes kinnlanges Haar verdeckt die Sicht. Sie blinzelt ein paar Mal. Wie an jedem Morgen blickt sie zur weißen Decke. Ohne ihre Augen abzuwenden sucht sie mit ihrer rechten Hand nach ihrem Handy. Das Licht blendet sie. Obwohl sie die Helligkeit so minimal wie nur möglich eingestellt hat. Die Uhrzeit zeigt 07:43 Uhr an. Anders als an anderen Samstagen ist sie früh wach geworden.

Ihre Rollos sind noch immer unten. Also wurde sie nicht von der Helligkeit geweckt. Ihr gutes Gehör ist der Grund dafür. Trotz ihrer geschlossenen Zimmertür kann sie die Stimmen ihrer Eltern klar und deutlich hören. Als wären sie mit ihnen in einem Raum.

Ihr Handy weg legend seufzt sie. Langsam steht sie aus ihrem Bett auf und geht zu ihrem Fenster. Sanft und so leise wie nur möglich zieht sie ihre Jalousienen hoch damit ein paar Lichtstrahlen in ihr Zimmer gelangen. Dann setzt sie sich auf ihr Bett. Auf die Wand blickend lauscht sie gewollt oder ungewollt ihren Eltern. Sie streiten schon wieder.

Sie hat keine Zeit in Erinnerung an der ihre Eltern nicht stritten. Sie weiss, dass es eine gegeben haben muss, weil sie sonst niemals leben würde, aber erlebt hat sie die leider nie. Es ist immer der selbe Grund. Vater ist wütend, weil er auf der Arbeit Stress hatte. Mutter ist überfordert, weil sie nicht weiss, wie etwas funktioniert. Streit. Schon seit sie dazu in der Lage ist sich an Personen und Ereignisse zu erinnern ist das so.

Für Kageen ist deren Geschrei unerträglich. Früher brauchte sie sich nicht sorgen, dass etwas wirklich schlimmes passieren könnte. Seitdem sie zwölf Jahre alt war ist das anders. Damals hat ihr Vater angefangen ihre Mutter zu schlagen. Nicht jedes mal. Aber, wenn dann sehr aggressiv.

Kageen hat Mutter schon oft versucht eine Scheidung einzureden. Doch Mutter hat nie zugehört. Irgendwie scheinen die Erwachsenen in ihrem Leben nie zuzuhören. Mutter hat immer behauptet, dass Kageen oder Annas sie hassen würden.

Seit dem schmerzt Kageens Herz. Sie hat das Gefühl als wäre sie schuld. Schuld daran, dass alle leiden.

Annas ist ihr Bruder. Er ist sieben Jahre jünger und geht in die Grundschule. Auch er bekommt alles mit. Sicherlich ist er gerade wach und lauscht genauso wie Kageen. Keiner der beiden trauen sich gerade aus ihren Zimmern zu gehen. Denn wenn es eskaliert, dann... Kageen wüsste niemals was sie tun würde.

Ein mal da hat Kageen die Polizei angerufen. Vater ist wieder gewalttätig geworden und sie sollte Hilfe rufen. Kageen dachte damals, dass ihr Leiden endlich ein Ende gefunden hätte. Doch sie irrte sich. Vater durfte für zwei Wochen nicht nachhause und musste sich von ihnen fern halten. Mutter hat Kageen immer wieder gefragt, ob sie ihm verzeihen soll oder nun endgültig die Ehe beenden soll. Und jedes Mal versicherte Kageen ihr, dass sie für das letztere ist. Dass Kageen ihr immer helfen wird. Kageen flehte sie zwei Wochen lang an. Mutter hörte jedoch nicht zu und entschied für das erstere.

Und seitdem hasst Kageen ihr Zuhause. Sie mochte es zuvor auch nicht, doch noch nie hatte sie es so sehr gehasst, wie sie es die letzten zwei Jahre tat. Und sich selber.

Plötzlich hört sie ein Glass auf den Boden fallen. Sie kann hören, wie sich die Scherben verteilen. Und sie hat sorge, dass Vater Mutter verletzt. Also sammelte sie ihren ganzen Mut zusammen, rennt aus dem Zimmer und steht nun im Wohnzimmer.



Ares (bnha ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt