Ich widme dieses Kapitel mxkvth_,weil du mich ungebeten bei der Bekanntmachung von Vert Mousse so wahnsinnig unterstützt hast. Ich kann dir einfach nicht genug danken.
Ausgeflogen
Jolina„Wie viele Gepäckstücke möchten Sie aufgeben?" Ich runzelte die Stirn. Die Tatsache, dass ich mit nur einem Koffer und einer Handtasche am Schalter stand, sprach doch eigentlich für sich. Vielleicht erwartete der Pinguin mit Hochsteckfrisur, ich würde noch einen weiteren Koffer hinter meinem Rücken hervorzaubern. „Nur eins", antwortete ich der Dame, die mich wie schon erwähnt auf Grund ihrer weißen Bluse und dem schwarzen Blazer an einen Pinguin erinnerte.
Sie nickte und wog meinen vollgestopften Koffer. Selbst jetzt erstaunte es mich noch, dass ich alle meine wichtigsten Habseligkeiten in einen Koffer gebracht hatte. Nun gut, ich hatte wirklich nur meine allerliebsten Dinge mitgenommen. Den Rest würde ich bei meinen Eltern zurücklassen.
„Pass und Flugtickets, bitte", verlangte die Dame. Ich legte beides vor ihr auf den Tresen und sie las die Dokumente in einen ihrer Computer ein. Weshalb sie für ihre Arbeit mehrere Bildschirme benötigte war mir ein Rätsel. Einen für die Arbeit und den anderen, um heimlich Computerspiele zu spielen oder mit ihrem Freund zu chatten? Endlich leuchtete ein kleines Feld grün auf und sie gab mir die zwei Dokumente und den Abholschein für mein Gepäck.
Eilig verließ ich die Reihe der Gepäckabgabe. Eine ewig lange Schlage hatte sich gebildet und ich war froh, dass mein Vater darauf bestanden hatte, ein wenig vor dem großen Ansturm aufzutauchen, selbst wenn ich deswegen um eine wertvolle Stunde Schlaf gebracht worden war. Diese würde ich dann einfach im Flugzeug nachholen.
Ich bahnte mir einen Weg durch die Halle zu meinen Eltern. Meine Mutter Lara klammerte sich fast verzweifelt an der Hand meines Vaters fest. Ich wünschte, sie würde den Abschied nicht so schwernehmen, aber ich konnte es ihr nicht übelnehmen. Immerhin zog ihre einzige Tochter aus. Und dann nicht in eine kleine Wohnung um die Ecke, sondern gleich auf einen anderen Kontinent. Wäre es nicht die beste Möglichkeit, wie ich meinem Traum näherkommen konnte, würde sie mich wahrscheinlich nicht gehen lassen - aber was sein musste, musste nun mal sein.
Nicht nur ihr, sondern auch mir fiel der Abschied schwer, doch ich war schon immer ein eigenständiger Mensch gewesen und daher freute ich mich darauf, ganz aus dem Elternhaus auszufliegen. Als ich meine Eltern entgegenlief, um mich dann noch ganz von ihnen zu verabschieden, pikste es nichtsdestotrotz ganz schön in meinem Herzen. Ich würde beide sehr vermissen.
„Hat alles gut geklappt?", fragte mein Vater Sam. „Dad, ich musste nur das Gepäck aufgeben, da kann noch nicht viel falsch laufen!" Ich verdrehte die Augen und er lächelte und breitete die Arme aus. Mit einem Seufzer ließ ich mich in eine Umarmung ziehen und auch meine Mutter schloss sich dem großen Knuddeln an. „Ich soll dir von Tante Jenna noch liebe Grüße ausrichten und sie rät dir auf keinen Fall Kaffee im Flugzeug zu trinken. Ungenießbar sei noch gelinde ausgedrückt, sagte sie." Ich nickte und versuchte mich an die Abflugzeiten zu erinnern. Was es Viertel vor oder Viertel nach Neun? Ich musste dringend nachsehen auf dem Ticket oder einer dieser großen Tafeln.
„Sie kommt dich dann wie abgemacht in ein paar Wochen besuchen, okay?" Ich lächelte meine Mutter an. „Klar, ich freu mich schon, wenn sie kommt!" Falls jetzt jemand auf die Idee kam, das sei gelogen und ich nur meine Mutter beruhigen wollte, musste ich dem Unrecht geben. Ich freute mich wirklich schon sehr auf den Besuch meiner Tante. Okay, Jenna war nicht meine richtige Tante - meine Eltern waren beides Einzelkinder - aber sie stand mir näher als es eine richtige Tante. Mit ihr hatte ich schon unzählige lustige Tage erlebt. Früher im Kinderzoo; heute eher beim Shoppen oder Ähnlichem. Sie war auch diejenige gewesen, die mich inspiriert hatte diesen mutigen Schritt in Richtung meines Traums vorzunehmen.
„Mitte Juli?", fragte ich nochmals nach. Ich hatte es nicht so mit Zeitangaben. „Genau, sie ist dann sowieso geschäftlich in deine Nähe und bleibt gleich noch ein paar Tage länger, um dich zu sehen. Jolina-Maus, musst du dich nicht langsam auf den Weg machen?"
Ich grinste meinen Vater breit an und streckte ihm meine Handfläche entgegen. „Ich habe gewonnen!", eröffnete ich feierlich und während er eine Münze aus der Tasche kramte und sie mir gab, stimmte er in mein Lachen ein. Meine Mutter hingegen verstand nicht. „Wir haben gewettet, dass du meinen alten Spitznamen verwenden wirst", klärte ich sie auf. „Ach, ihr und eure Wetten", lachte sie.
„Aber deine Mutter hat Recht, du solltest dich langsam aber sicher aufmachen, damit du noch genügen Zeit hast!", steuerte mein Vater bei. „Okay", seufzte ich und drückte meine Eltern noch einmal fest. Wenn ich es mir genauer überlegte, wollte ich sie doch nicht loslassen. Schlussendlich siegte aber die Lust nach Freiheit und Abenteuer und so löste ich mich von ihnen. Ich musste meiner überaus besorgten Mutter noch versprechen anzurufen, sobald ich gelandet wäre. Vielleicht ging ich ja zwischen den vielen bösen Menschen verloren, weil ich mit meinen Zweiundzwanzig Jahren und stolzen Eins-Einundachtzig oft dazu neigte, unterzugehen. Ja, das war purer Sarkasmus, denn ich fiel so gut wie überall auf, was aber eher an meinem Talent in Menschen hinein zu prallen lag und nicht an meiner leicht überdurchschnittlichen Größe (welche ich von meinem Großvater väterlicherseits geerbt hatte; die Familie meiner Mutter überragte ich schon, seit ich Fünfzehn war).
„Hab euch lieb", rief ich winkend über die Schulter und meine Eltern erwiderten die Liebesbekundung mit einer Brise Mein-Kind-wird-erwachsen-Stolz in der Stimme. Dann wandte ich mich von ihnen ab und stolzierte beflügelt auf die Passkontrolle zu. Ich war wirklich gespannt, welche Überraschungen mich in meinem neuen, selbstständigen Leben erwarteten. Es waren mehr, als ich mir an diesem Tag auf dem Flughafen hätte ausmalen können.
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Jaune Canari
Teen FictionJolina ist eine junge Frau mit dem grossen Traum die Bühnen für sich zu erobern. Ihre Wünsche scheinen schon fast in greifbarer Nähe zu sein, als sie das Stipendium für eine der renommiertesten Kunsthochschulen gewinnt. Dass sie dafür ihre Familie v...