Für alle, die gerne mal um eine Sache kämpfen.
Jennas Geheimnis
JolinaNervös rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her. Lane saß neben mir, doch ausnahmsweise war nicht er der Grund für meine Unruhe. Jenna und Mr. Adams standen auf der Bühne und tuschelten leise miteinander, während wir Schauspielstudenten mucksmäuschenstill auf unseren Plätzen klebten, es vor Spannung kaum mehr aushielten und jegliche Götter und das gesamte Universum anflehten, sie mögen Jenna endlich dazu bringen, ihr Geheimnis zu lüften.
„Liebe Freundinnen und Freude der Theaterkunst", ergriff Mr. Adams höchst dramatisch das Wort. Wir verfluchten ihn jetzt schon für die Rede über die Wichtigkeit unseres Einsatzes, die nun folgen aber noch nicht das eigentliche Geheimnis preisgeben würde. Er sollte im schweißtreibenden Licht aller Scheinwerfer schmoren.
„Im Laufe eurer Ausbildung werdet ihr viele Hürden meistern müssen, denn wenn ihr es nicht tut, werdet ihr scheitern, was in unserem Business nicht selten der Fall ist. Doch egal, wie aussichtslos eure Situation zu sein scheint, ruft euch zwei Dinge in Erinnerung: Erstens, ihr habt es an diese Schule geschafft, was nicht viele Leute von sich behaupten können. Die Schule erteilt nur wenigen Leute die Chance, hier zu studieren und diese Gelegenheit dürft ihr nicht sausen lassen, nur weil euch etwas im ersten Moment ein bisschen schwierig erscheint. Wenn ihr scheitert, dann sollt ihr davor alles versucht haben und nicht bereuen müssen, was ihr nicht getan habt. Zweitens, die Hürden, die euch im Laufe des Studiums begegnen sind vergleichsmäßig klein gegenüber denen, mit welchen ein professioneller Schauspieler tagtäglich kämpft. Also genießt jede Lektion, die ihr im geschützten Rahmen eures Studiums lernen könnt, um euch bestmöglich an das echte Leben danach zu gewöhnen."
Mr. Adams verstand sich wirklich darauf, ermunternde Reden zu halten. Wenigstens konnte man ihm nicht vorwerfen, er hätte uns nicht gewarnt vor dem Druck, der auf uns zukommen würde. Korrektur; vor dem Druck, den wir jetzt schon auf unseren Schultern spürten.
„So, jetzt haben wir euch genug auf die Folter gespannt", schritt Jenna ein und lächelte jedem von uns aufheiternd zu. Ihr Blick schwenkte vielleicht ein bisschen länger als nötig über Lane und mich und ich fragte mich für einen kleinen Augenblick, ob Pam ihr vielleicht mehr verraten hatte, als mir lieb war. Dann war der Augenblick vorübergezogen und ich hing wieder wie alle meine Mitstudenten an Jennas Lippen.
„Ich durfte euch in der letzten Wochen genauer unter die Lupe nehmen und mir ein vages Bild von euch machen. Gemeinsam mit Mr. Adams, der bereits mehr über eurer Können weiß als ich, habe ich entschieden, dass ihr meiner Herausforderung gewachsen seid. Mein Team und ich werden in einem knappen Jahr mit den Dreharbeiten zu einem neuen Film beginnen und wie einige vielleicht wissen, versuche ich mich gern an neuen Dingen. Dieses Mal will ich den Cast aus komplett unbekannten Schauspielern zusammenstellen. Und wer weiß, vielleicht werden auch einige von euch darunter sein."
Wir starrten sie mit offenen Mündern an. Eine Rolle in einem echten Film und das schon zu Beginn unseres Studiums? Ich weiß nicht, was ich mir unter Jennas Überraschung vorgestellt hatte, aber das bestimmt nicht. Was sie uns anbot, was schlicht und einfach unglaublich!
„Aber träumt nicht zu früh von einem Durchbruch in der Filmbranche", fuhr sie fort. „Eine Rolle zu ergattern wird kein leichtes Unterfangen sein. Insgesamt haben nehmen acht der renommiertesten Schauspielschulen an diesem Projekt teil und ich bezweifle nicht, dass jeder Student und jede Studentin alles geben wird, um letztlich als Gewinner dazustehen."
Und wie recht sie hatte. Ich musste mich nicht mal umsehen und in die entschlossenen Mienen auf all den Gesichtern blicken, um zu wissen, dass der Kampf um die Rollen schon begonnen hatte, bevor wir überhaupt wussten, wie wir darum zu kämpfen hatten.
„Das Projekt sieht folgendermaßen aus: Einige talentierte Drehbuchautoren haben sich zusammengesetzt und acht komplett neue Theaterstücke verfasst, die hochgeheim bleiben, bis sie in einem halben Jahr von den Theaterschulen aufgeführt werden. Wer welche Rolle übernimmt, wird schulintern ausgetragen, doch es muss euer Ziel sein, euch bei diesen Aufführungen von eurer besten Seite zu zeigen. Es handelt sich bei fraglichem Film um einen Streifen meinerseits, doch insbesondere da meine eigene Nichte bei diesem Wettbewerb keinerlei Vorteile genießen soll, habe ich eine zehnköpfige Jury engagiert, die allen Aufführungen beiwohnt und dann die besten unter allen Anwärtern herauspickt. Niemand der Studenten wird erfahren, wer in dieser Jury sitzt, sodass ihr bei den Aufführungen nicht wisst, wen ihr eigentlich beeindrucken wollt. Es gilt das gesamte Publikum in seinen Bann zu ziehen und nicht nur ein paar wenige Jurymitglieder."
Gerne möchte ich behaupten, dass wir auf die Offenbarung meiner Tante höflich geklatscht und uns gesittet miteinander unterhalten hätten. Jedoch wäre das erstunken und erlogen. Erst herrschte das absolute Chaos. Wir klatschten stürmisch los wie ein Rudel wildgewordener Seehunde und vereinzelte Studenten brachen in Jubelschreie aus. Der Lärmpegel hätte nicht höher steigen können, als er plötzlich und wie aus dem Nichts komplett zusammenfiel. Schweigen legte sich über den Saal. Jeder malte sich aus, wie er aus der Masse herausstach und sich eine der Rollen ergatterte.
Jenna räusperte sich. „Nun, da ihr euch ein bisschen beruhigt hat, möchte ich einige organisatorische Angelegenheiten klären. Eure Aufführung wird auf den Tag genau in dreiundzwanzig Wochen stattfinden. Wer glaubt, dass bis dahin noch viel Zeit bleibt, hat sich gehörig geschnitten. Dreiundzwanzig Wochen sind nicht viel, um ein kompletten Stück zu besetzten, zu inszenieren und dann bis zur Perfektion zu proben. Dieses Projekt wird euch einiges abverlangen, das kann ich euch versichern."
Nur ein vollkommener Idiot hätte an ihren Worten gezweifelt. Schauspielerei war nichts für zarte Gemüter. Man musste hin und wieder Nerven aus Stahl beweisen, um mithalten zu können.
„Wie ihr die Rollenverteilung organisiert, überlasse ich den fähigen Händen von Mr. Adams." Sie nickte ihm zu und er schien unter ihrem Kompliment fast zu schmelzen. „Auch sonst, werde ich nur selten vorbeischauen, da ich das Projekt nicht maßgeblich beeinflussen will. Kurzgesagt: Ihr seid mehr oder weniger auf euch alleine gestellt, selbstverständlich mit aller Hilfe, die euch das Studium zur Verfügung stellt."
Wie ich es nur zu gut von ihr kannte, faltete Jenna die Hände, als sie endete. Eine Geste, die mir so vertraut war wie meine eigene Handynummer. Meine Tante war bereits dabei, die Bühne zu verlassen, als sie plötzlich innehielt. „Oh, und etwas hätte ich fast vergessen. Ich weiß, dass euer Unterricht noch nicht zu Ende ist, aber ich lasse vor der Saaltür einen Stapel mit den Drehbüchern liegen. Nehmt euch je eins mit, wenn ihr nachhause geht."
„Nichts gegen deine Tante, aber das ist einfach nur grausam", flüsterte Lane mir zu. Ich seufzte als Antwort lediglich. Es schien meine Entrüstung über die Tatsache, dass wir noch geschlagene eineinhalb Stunden hier drinnen irgendwelche Übungen absolvieren mussten, während nur eine Tür von uns entfernt die Drehbücher für ein entscheidendes Stück in unserer Karriere warteten, am besten zur Geltung zu bringen.
„Ihr habt sie gehört", übernahm Mr. Adams wieder. „Keine Drehbücher, bevor ihr euch nicht ordentlich angestrengt habt. Ich würde euch vorschlagen, dass ich euch eher gehen lasse, wenn ihr euch mehr reinkniet, aber ich erwarte, dass ihr jeden Tag euer Bestes gebt. Gleichgültig, ob da ein Drehbuch auf euch wartet oder nicht."
Ich konnte voller Überzeugung behaupten, dass ich bestimmt nicht die einzige war, die sich gerade ausmalte, dass einer der Scheinwerfer sich von der Decke löste und Mr. Adams auf den Kopf fiel. Vielleicht eine durchaus makabrere Vorstellung, aber wenigstens hätten wir dann den Saal verlassen und die Drehbücher lesen können.
„Diese Schule wird von einem Haufen Sadisten geleitet", fluchte Lane weiter und ich stimmte ihm mit ganzem Herzen zu.
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Jaune Canari
Novela JuvenilJolina ist eine junge Frau mit dem grossen Traum die Bühnen für sich zu erobern. Ihre Wünsche scheinen schon fast in greifbarer Nähe zu sein, als sie das Stipendium für eine der renommiertesten Kunsthochschulen gewinnt. Dass sie dafür ihre Familie v...