Für alle, die es nicht fassen können, dass ich schon wieder ein Kapitel hochlade.
Akt Drei, Szene Sieben
JolinaAls mittwochs dann die gefürchtete Probe anstand und Elenora nichts Besseres zu tun hatte, als mich schief anzusehen mit diesem wissenden Ausdruck in den Augen, den ich am liebsten nie wieder sehen wollte, fiel es mir doch nicht mehr ganz so leicht meine Gelassenheit aufrecht zu erhalten.
Viel Zeit um Panik zu schieben blieb mir jedoch nicht. Ehe ich mich versah, hatte Mr. Adams uns schon auf die Bühne gerufen und die vermaledeite Szene angekündigt (ich hatte ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil ich so ein riesen Ding um diese Szene machte, immerhin war es ja tatsächlich nur eine Szene, aber nachdem jeder meiner Freunde beschlossen hatte, aus dieser Mücke einen Elefanten zu machen, wusste ich nicht mehr, wo mir der Kopf stand).
Ich sah noch, wie Lane als Mathis auf der gegenüberliegenden Seite der Bühne hinter dem Vorhang hervortrat, ehe ich Jolina zurückließ und meiner Rolle Manon Platz machte.
»Ich möchte dich küssen, Manon.« Er lächelte sie an, ein zartes, einfühlsames Lächeln, weil er wusste, dass sie es brauchte, die Aufmunterung, die Besänftigung. Hätte sie ihr Herz nicht längst vollkommen an ihn verloren, wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass sich sein Lächeln nicht bis in die Augen ausbreitete. Seine Augen blieben kalt und leer, während ihre im Schein des Feuers noch mehr funkelten.
»Was hält dich davon ab?«, fragte sie unschuldig. Die Unsicherheit hinter ihren Worten war noch immer zu hören, doch er beschloss nicht hinzuhören. Fast flehentlich öffneten sich ihre Lippen. Als könnte sie den Kuss bereits fühlen. Er strich ihr über die Wange, liebkoste ihre warme Haut.
»Nichts.« Und dann küsste er sie. Zurückhaltend wie ein wahrer Gentleman, den er nun mal zu mimen versuchte. Seine Lippen waren weich und legten sich zärtlich auf ihre.
Seine Lippen legten sich zärtlich auf meine. Ich wusste, dass es Mathis war, der Manon küsste, doch zum ersten Mal in meinem Leben vermochte ich nicht zwischen meiner Rolle und mir unterscheiden. Da war Manon, da war Jolina, da war Mathis. Und vor allem war da Lane.
Der Kuss dauerte nicht lange an, doch Lanes Lippen brannten auf meinen wie glühendes Eisen. Ich hatte das Gefühl zu verglühen und mein Magen schlug Purzelbäume. Ich hätte mich konzentrieren sollen. Ich hätte meine nächsten Zeilen aufsagen sollen. Ich hätte Manon bleiben sollen. Vielleicht hätte ich das auch tatsächlich hinbekommen. Unter anderen Umständen. Doch als ich meine Lieder blinzelnd öffnete, sah ich nicht Mathis' kalte, leere Augen. In Lanes ozeanblauen Augen tobte derselbe Sturm, der auch mich vollkommen durcheinanderbrachte.
Ich bin dein.
Das wäre mein Text gewesen. Ich hätte ihn mit starker und aufrichtiger Stimme verkünden sollen, weil Manon ihn aus vollstem Herzen sprach. Es wären nur drei Wörter gewesen. Drei kleine Wörter und doch brachte ich kein einziges über die Lippen. Ich konnte nichts weiter tun, als mich an Lanes Hand zu klammern und ihn anzustarren. Ihn anzustarren und zu warten, bis der Sturm abebbte.
Da hätte keine Spannung sein sollen. Keiner von Mathis' und Manons Küssen hätte derart elektrisierend sein sollen. Manon war leidenschaftlich; sie durfte Mathis bewundern und verehren. Aber dieser sollte kalt wie Stein bleiben. Was Lane nicht blieb.
Definitiv nicht.
Im Gegenteil, er sah eher aus, als hätte er gerade gesehen, wie die Welt unterging. Und zwar nicht auf die gute Art. Ich hätte deswegen vielleicht beleidigt sein sollen, fairerweise lag auf meinem Gesicht vermutlich kein sonderlich weniger panischer Ausdruck.
DU LIEST GERADE
Jaune Canari
Novela JuvenilJolina ist eine junge Frau mit dem grossen Traum die Bühnen für sich zu erobern. Ihre Wünsche scheinen schon fast in greifbarer Nähe zu sein, als sie das Stipendium für eine der renommiertesten Kunsthochschulen gewinnt. Dass sie dafür ihre Familie v...