C.S Lewis schrieb einmal:
"Ihre Abwesenheit ist, wie der Himmel, verstreut über alles."
Zu Beginn verstand Jisung diese Worte nicht, erkannte keineswegs die Nachricht dahinter, welche ihn mittlerweile umzingelte, welche ihn festhielt und nicht frei gab. Und die Wahrheit war: Er wünschte sich der Autor hätte Unrecht, läge falsch mit dieser zutreffenden, alles niederschmetternden Aussage. Denn die Abwesenheit seiner Eltern riss ein Loch in ihn, so groß, dass er das Gefühl besaß, jemand könnte durch ihn hindurch starren, als hätte er in einem Krieg gekämpft und wäre dem Kugelhagel erlegen. Und überall, wo er hinblickte, sah er seine Eltern. Nicht als Geister oder formlose Körper, sondern in den Kleinigkeiten, die sie für ihn getan hatten. Wann immer er einen Baum entdeckte, musste er automatisch an seinen Dad denken, der im Herbst für ihn seinen Drachen aus dem Geäst fischte, wobei er beinahe selbst hinuntergefallen war. Oder wenn er die Tasse betrachtete, welche seine Großmutter Ihm gerade in die Hand drückte, erschienen Erinnerungen von seiner Mum in seinem Kopf. Wie sie im Winter heißen Tee für ihn kochte, nachdem er von einem langen Tag im Schnee nach Hause kam. Oder an die Geburtstage, an denen sie gemeinsam in den Tierpark gingen, picknickten und den Tag genossen.
Es waren diese kleinen Dinge, welche sie ausmachten und die Erkenntnis, welche damit einherging: Er würde niemals wieder mit ihnen bei schlechtem Wetter Fernsehen, kein gemeinsames Weihnachtsfest mehr feiern, kein schiefen Töne beim Karaoke singen oder Geburtstage zelebrieren, wie sie es gewohnt waren.
Jisung merkte, wie die Tränen sich über seine Wangen ergossen, wie sie das aussprachen, was er nicht konnte.
Schmerz. Verlust. Einsamkeit.
"Möchtest du erstmal deine Koffer hochbringen?", fragte seine Großmutter und strich ihm durch sein Haar. Ein Erinnerungsfetzen durchzuckte ihn, seine Mum hatte das Gleiche getan, wann immer es ihm miserabel ging.
Der Blonden atmete zittrig ein und aus. Er hatte das Gefühl, die Luft in der Küche reiche nicht aus, um ihn mit Sauerstoff zu versorgen. Und er wusste nicht, wie er das überstehen sollte, wie er diesen Verlust, diese Abwesenheit seiner wundervollen Eltern überdauern konnte. In diesem Moment fühlte er, als würde er in sich zusammen zu fallen, als wäre er ein Kartenhaus, dass durch einen Orkan himweggefegt wurde. Einfach so. Sein Schluchzen brachte ihn schier um den Verstand. Das war nicht richtig. Das war nicht fair.
Jisung begann zu japsen, er bekam keine Luft mehr, keinen Sauerstoff. Schwarze Punkte tanzten vor seinem inneren Auge.
"Shhh. Atme, Jisung. Atme. Tief ein....."
Seine Großmutter zeigte ihm, wie es funktionierte und er versuchte es ihr gleich zu tun, doch es scheiterte kläglich. Ein weiterer Klagelaut, der nicht von dieser Welt klang, erschütterte ihn.
"Und tief aus", sprach sie, strich behutsam, als könne er zerbrechen durch sein Haar.
Ihre Wärme war tröstend, auch wenn er nichts außer Kälte verspürte. Nach Minuten beruhigte er sich langsam. Er spürte die getrockneten Tränen auf seiner Haut, merkte, wie sich seine Haut spannte und das Salz abbröselte, nachdem er sie rieb.
"Vermisst du sie?", krächzte er und für einen Momemt fragte er sich, wer seine Oma war. Er konnte sich nicht daran erinnern oft mit ihr zutun gehabt zu haben, geschweige denn, dass seine Eltern über sie gesprochen hatten. Doch so schnell dieser Gedanke kam, so war er auch wieder weg. Er schüttelte den Kopf.
"Natürlich, Schätzchen. Und jetzt bring deinen Koffer nach oben. Wir müssen bald los."
Er nickte träge und startete seinen Weg ins Gästezimmer. Er brauchte lange, länger als jeder normale Mensch, denn das Weinen und die stetigen Gedankengänge zu seinen Eltern erschwerten seinen Gang. Er seufzte und griff nach mehreren Taschentüchern. Wie viele Tränen würde er noch vergießen? Könnte er ein Becken damit füllen? So hatte er das Gefühl. Er zog eine Grimasse.
Was dachte er da bitte?
Mit einem Ruck schob er seinen Koffer aufs Bett, um ihn kurzerhand zu öffnen.
"LUFT!"
Jisung sprang zurück und schrie auf. Der Laut hallte durch das ganze Haus, jedoch schien seine Großmutter das nicht mitbekommen zu haben. Zu seiner Überraschung schwebte ein ihm allzu bekanntes Wesen aus dem Koffer. Gaya.
"Was zum Heiligen Fischwasser suchst du hier?", zischte er die Elfe an, die gerade händeringend nach Luft schnappte. Wenige Minuten später beruhigte sie sich. Ihr grünes Kleid hatte sie gegen eine luftige braune Hose und eine grüne Korsage getauscht.
"Na was wohl! Dir versuchen zu helfen!"
Jisung ließ sich entkräftet auf das Bett sinken. Sein Kopf sackte nach unten, während eine neue Welle an Tränen durch ihn hindurchjagte.
"Mir kann man nicht helfen!", motzte er lautstark. Im selben Moment, wie die Worte seinem Mund verließen, verfluchte er sich. Gaya blieb unbeeindruckt. Der Blonde biss sich auf die Unterlippe und betrachtete das Zimmer. Überall hingen Bilder. Von ihm als Baby, von seinem Dad mit seiner Mum, von seiner Mum mit einer bildhübschen, jungen Frau, die eine Meerjungfrauen war! Jisung konnte seine Irritation nicht verbergen.
Was bedeutete das?
Er wandte sich an Gaya.
"Du könntest eingesperrt werden oder von der Schule fliegen! Du hast unser Zimmer und damit das Internat verlassen!"
Die Braunhaarige zuckte die Achseln, als wäre dieser Ausflug das normalste der Welt, als würde es nicht gerade um ihr Leben gehen.
"Ich begleitete dich zu der Beerdigung, nur das du Bescheid weißt. Ich lass dich das nicht allein durchstehen. Ich bin hier. Und das werde ich immer sein."
Jisung fragte sich, woher diese Sturheit in ihren Augen herkam, aber insgeheim war er froh, dass sie ihn unterstützte, ihm Kraft spendete in dieser Zeit voller Kummer und Leid.In Jisungs Herz war kein Platz für noch mehr Trauer. Es war ein Loch ohne Luft, ohne Leben, ohne Licht. In seinem Kopf herrschte nichts als Stille. Nur Stille, auch dann noch, als er anfing zu schreien. Er schrie und er schrie und schrie. Und es war ihm egal, dass die Gäste ihn anstarrten. Er tat so, als gäbe es nur ihn und seine Eltern.
Die Leere in seiner Brust, in seiner Seele verstärkte sich, als er die Särge seiner Eltern sah. Das Fehlen des Lebens in ihnen, in Jisung selbst, höhlte ihn von innen heraus aus, ließ nur zerstörte Scherben zurück.
Viele der Anwesenden waren ihm fremd, den ein oder anderen Arbeitskollegen seiner Eltern erkannte er. Es schockierte ihn ein wenig, dass die Direktorin hier war. Doch es gab weitaus schlimmere Probleme, die er bewältigen musste. In sich selbst.
Erstaunlicherweise entdeckte er auch die ein oder andere Meerjungfrau und Sirene. Doch der König der Sirenen und das Königspaar der Meerjungfrauen beehrte sie nicht mit ihrer Anwesenheit, obwohl es ein Begräbnis hoher Regierungsmitglieder war.
Jisung unterdrückte die Wut in seinem Inneren, unterdrückte sein Leuchten, welches hervorbechen wollte. Seine Großmutter umfasste seine Hand, sandte ihm etwas von ihrer Kraft. Er atmete durch.
Und dann kam der Zeitpunkt, wo die Särge seiner Eltern in die frisch, aufgebetete Erde gehoben wurde. Davor hatte er sich den ganzen Tag gefürchtet. Vor diesem Abschied.
Noch vor Minuten hatte er gedacht, das wäre alles ein Traum, das konnte nicht echt sein. Niemals. Er klammerte sich an die Stimme in seinem Kopf, die hoffte, dies alles sei Einbildung. Ein Gedankenspiel seiner Fantasie. Aber es war nicht so. Und diese Gewissheit brachte ihn zum Bersten.
Ein Zittern durchfuhr ihn, wie ein Erdbeben. Er schluchzte erneut, bis die Klagelaute aus seiner Kehle hervorbrachen. Ihn zum Zusammenbruch führten.
Jisung sank auf das Gras. Gayas milde Kreisbewegungen in seine Anzugtasche halfen nicht. Er kreischte, und brüllte und gab sich die Blöße, dass ihn dieser Verlust zerstörte, pulverrisierte und nichts außer Asche zurückließ.
"Es sind diese Verluste, wie jene, die den Blick auf die Welt neu sortieren. Tode, die die Sicht auf alles ändern, Kummer, der alles niederreißt. Schmerz, der einen in ein vollkommen anderes Universum katapultiert, auch, wenn alle anderen denken, es habe sich nichts geändert."
Die Worte des Redners zerstachen sein Herz, schlitzten es auf, als wäre es eine Puppe.
All der Verlust in ihm schrie stets das Gleiche:
"So sollte es nicht sein, so sollte es nicht sein, so sollte es verdammt nochmal nicht sein!" Und die Welt lachte, hielt seine Hoffnung bei der Kehle und flüsterte:
"So ist es aber."_____________________________________________
Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen! Ich finde es merkwürdig, solche Kapitel gleiten mir viel leichter durch den Kopf bis hin zu meinen Finger, sodass ich sie in meinem Kapitel unrerbrknf kann.
Wieso ist Leid und Schmerz so viel einfacher zu schreiben, als Freude?
Wisst Ihr, manchmal habe ich das Gefühl durch einen Nebel zu blicken. Ab und zu, so wie heute, für einen kurzen Moment, hat er sich gelichtet und ich konnte die Schönheit des Tages erkennen. Ich konnte sehen, was ich besitze. Ein Dach über dem Kopf, eine wunderbaren Freund, eine atemberaubende Wohnunggegend, eine gesunde Familie. Und diese Tatsache stimmt mich traurig, denn an den anderen Tagen sehe ich das nicht, bestimmte, schöne Momente, entgleiten mir, weil meine Gedanken sich hauptsächlich von der Magersucht lenken lassen. Und manchmal frage ich, ob es das alles wert ist? Zu essen, zur Therapie zu gehen, jeden Tag aufs Neue zu kämpfen?
Ich bin ehrlich, ich werde immer Probleme mit dem Gewicht haben, selbst wenn ich nicht mehr im Untergewicht sein sollte, ich werde immer darauf achten müssen, ob ich genug esse, ob ich gesund esse, und das, meine Lieben, ist anstrengend und ermüdend.
Ist es das wirklich wert?Jetzt zum Wesentlichen!
Wie fandet Ihr das Kapitel? War es authentisch oder zu theatralisch? Konnte Ihr mit Jisung fühlen?Feel free to comment!
Erin🌸
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Pearls {Minsung}
FanfictionIch werde dich lieben, so wie die See liebt. In sanften Wellen und grausamen Stürmen. ~Lee Minho~ Mermaid AU Minsung Boy x Boy Don't like, don't read! Nebenpairs: JeongChan Seungjin Changlix