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Mit wachsender Unruhe beobachtete Minho die Tür, durch welche Jisung mit seiner Zimmerelfe vor knapp zwei Stunden verschwunden war. Irgendwas stimmte nicht, weswegen er alarmierende Blicke Richtung der Rektorin sendete. Diese hatte ihn zur Kenntnis genommen und einen Lehrer losgeschickt, der ebenfalls bisher noch nicht zurückgekommen war.
"Beruhige dich!", mahnte Chan an seiner Seite.
"Wenn du weiter so dreinschaust, kühlst du den ganzen Raum runter."
Die Sirene seufzte und trank ein Schluck von dem Punsch. Alkohol wäre ihm lieber, doch das war Wunschdenken an dieser Schule. Eine Erinnerung sprang in sein Gedächtnis, weswegen er grinsen musste.
"Denkst du auch gerade an Kuba?", lachte Chan vergnügt und begann Felix und Jeongin beim Tanzen zu betrachten.
"Er ist mein Enaid, weißt du?"
Minhos Augen wurden ungewollt größer.
Das hatte er nicht vermutet. Gut, um fair zu sein, scherte er sich nicht besonders um andere. Obwohl sich dieses Verhalten mittlerweile gebessert hat. Mit Überraschung und Sorge verfolgte er die Verwandlung in sich selbst. Auch wenn er stets ein Einzelkämpfer gewesen war, mittlerweile fand er Gefallen daran mit diesem bunt gemischten Haufen von Individuen zusammen zu sein. Zu wissen, dass sie ihn unterstützten, ihn beschützten, ihm zuhörten. Gefühle regten sich in ihm, Gefühle, die sein Jahrhunderten tief in ihm verschlossen waren. Und nicht nur diese sechs Meermänner und Sirenen hatte das bewirkt, sondern allen voran Han Jisung.
Sein Enaid.
"Wann hast du es gemerkt?", wollte Minho wissen und blickte zur Tür, in der Hoffnung Jisungs Lächeln zu sehen.
Dieses Strahlen, dessen Kraft ihm stets eine Gänsehaut bescherte.
"Als wir von dieser Schlange angegriffen wurden. In diesem Moment, als sie mit ihrem Laserstrahl aushohlen wollte, durchfuhr mich dieser Stich, dieses Wissen. Und das Verlangen, dass ich es Jeongin erzählen musste."
Minho schmunzelte. Er freute sich für den Älteren. Wenn es jemand verdient hatte, dann Chan, denn er hatte so vielen geholfen. So viele verlorene Seelen wieder auf den richtigen Weg gebracht.
Beinahe wie ein Messias.
Ehe der Blonde ihn ebenfalls fragen konnte, öffnete sich die Flügeltür. Minhos Kopf wirbelte herum und erblickte Jisung, dessen Augen ihn voller Leere ersuchten. Mit trägen Schritten kam er näher.
Die Musik hatte gestoppt, die Schüler hörten auf zu Tanzen. Irgendwas stimmte nicht.
Minho schlang die Arme um Jisung, fühlte das Zittern seines Körpers. Und in diesem Moment merkte die Sirene, wie zerbrechlich der Blauhaarige wirklich war. Sein zerrissenes Hemd, seine geschwollenen, roten Augen brachten eine böse Vorahnung in ihm auf.
"Leute, darf ich vorstellen, meine biologischen Eltern", hauchte er erschöpft und zeigte zum Eingang.
Durch die Flügeltür traten zwei Gestalten, die die Sirene nur allzu gut kannte. Ein Raunen drang durch den Saal und füllte jeden Anwesenden mit Ehrfurcht. Es war Seungmin, der als Erstes auf die Knie sank, dann folgte Jeongin und Felix, bis jede einzelne Meerjungfrau und jeder Meermann sich vor ihrem Königspaar verbeugte.
Auch die Sirenen sanken zu Boden.
Der Braunhaarige merkte Jisung an, dass er keine Ahnung hatte, was gerade geschah, bis seine Augen sich vor Überraschung weiteten.
"IHR SEID DAS KÖNIGSPAAR DER MEERJUNGFRAUEN UND HABT ES MIR NICHT ERZÄHLT?", spie er zischend und erntete empörte Äußerungen seitens der Fraktion ihrer Rasse. Minho konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Das war Han Jisung wie er leib und lebte. Auch wenn er angeschlagen war. Er merkte, dass der Mensch zu schwanken drohte, weswegen die Sirene zu seiner Seite eilte und ihn stützte.
Die Königin kratzte sich verlegen an der Wange, während sich die restlichen Schüler wieder erhoben. Noch immer sprachen alle durcheinander, dass man beinahe kein Wort verstand.
"Weißt du, wir haben dir vor einigen Minuten so viel eröffnet, da wollten wir dir nicht noch mehr zumuten."
Jisung verdrehte die Augen und seufzte genervt.
"Aber sie es positiv, Champ, du bist jetzt ein Prinz!", versuchte der König die Situation zu retten, doch er machte es nur noch schlimmer. Jisung entsandte ihm einen wütenden Blick, der so viel besagte wie:
Noch ein Wort und ich töte dich.
Nicht das er eine Chance hätte, aber die Geste zählte. Erleichterung durchflutete Minho, als sein Körper endlich verstand, dass Jisung bei ihm war, er lebte. Die Möglichkeit, dass etwas passiert sein musste, schien in ihm erst jetzt wieder präsent zu werden. Aber es war Uranus, der fragte, wo Gaya war.
"Wo ist sie, Kleiner? Ihr seid doch gemeinsam gegangen, oder?"
Augenblicklich legte sich Traurigkeit und Schmerz über das Gesicht des Blauhaarigen, weswegen Minho versucht war sich zu beruhigen. Er hatte das Bedürfnis irgendwas zu zerschmettern, denn diesen Blick, diesen Blick voller Trauer und Angst wollte der Braunhaarige nie wieder an Jisung sehen. Nie wieder.
Der Mensch atmete zittrig ein und aus, ehe er von seiner Begegnung in der Gruft berichtete, von der Verfolgungsjagd, von Gayas Aufopferung, von Jin-Aes Verrat, von der Tatsache, dass er die Perle war. Einfach alles, was in den letzten zwei Stunden weit unter ihnen geschehen war, während sie hier munter gefeiert hatten.
Minho begann auf Durchzug zu stellen, denn er ahnte was gleich geschehen würde. Uranus kam auf Jisung zu. Mit erhobenem Finger. Mit wutverzerrtem Gesicht und Tränen, die einen ganzen See fühlen konnten.
"DU! DU HAST SIE IM STICH GELASSEN! DU HÄTTEST SIE RETTEN KÖNNEN, DU DUMMER, DUMMER MENSCH! FAHR ZUR HÖLLE!", brüllte er und bündelte seine Kraft, jedoch ließen das Felix, Seungmin und Jeongin nicht zu. Auch Minho nicht. Niemand würde seinen Enaid verletzen, und niemand würde den Prinzen der Meeresbewohner angreifen ohne glimpflich davon kommen zu können.
"Es tut mir leid, es tut mir so schrecklich leid, ich wollte, ich konnte, es tut mir so leid", murmelte der Blauhaarige und wischte sich über das Gesicht.
"Sie hatte dich mit ihrem ganzen, vollen, großartigen Herzen geliebt, genau wie ich sie und ich hätte sie daran hindern sollen und es tut mir so schrecklich leid!"
Minhos Herz krampfte sich zusammen. Er ballte die Hände zu Fäusten. Hin- und Hergerissen blickte er zwischen Uranus und Jisung hin und her. Den Elf kannte er seit Jahrzehnten und Jisung, Jisung war sein Seelenverwandter. Er biss sich auf die Unterlippe. Er konnte sich auf keine Seite stellen.
Das würde sein Herz nicht ertragen.

Pearls {Minsung}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt