💠Fight💠

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"Ich bin nicht überzeugt von ihrer Ankunft. Irgendwas führt sie im Schilde", äußerte Chan seinen Unmut in die Gruppe. Gemeinsam saßen sie, während der Mittagspause, an einem Tisch. Wie diese Konstellation zusammengekommen war, erschien dem Blauhaarigen schleierhaft. Zu Beginn saßen nur Felix, Jeongin, Seungmin und er an der großen Tafel. Nach und nach füllte sich die Cafeteria, bis Chan, Hyunjin und Changbin zu ihnen herantraten und fragten, ob sie nicht dazu gesellen könnten. Minho blieb zum dritten Tag infolge verschwunden. Niemand wusste, wo er war, was er tat oder ob er überhaupt noch lebte. Letzteres hatte Jisung sofort wieder verworfen.
Lee Minho würde nicht einfach so den Löffel abgeben. Er war zäh.
"Sie wirkt auf mich auch ziemlich unheimlich. Ich meine, wo war sie all die Jahre, in denen Minho sie gesucht hat? Und was sucht sie jetzt hier? Bestimmt keine Vergebung, schließlich hat ihr Vater Minho getötet."
Felix zog scharf die Luft an. Sein Unverständnis war verständlich. Hyunjin tauschte einen Blick mit Chan und Changbin, wobei beide nickten. Dann erzählten er ihnen die Kurzversion von Minhos vergangenem Leben, welches Jisung ausführlich gehört hatte.
"Scheiße", entfloh es Jeongin, der sich kurzerhand die Hand vor den Mund schlug.
Jisung nickte.
"Das ist wirklch übel", äußerte sich auch Seungmin zu der Geschichte.
"Minho ist seit dem Eröffnungsjahr dieses Internates hier und hat es bisher nie wieder verlassen. Manchmal habe ich das Gefühl, er versucht eine Sünde abzuarbeiten", murmelte Changbin und blickte vorsichtig zum Tisch auf der anderen Seite, wo Jin-Ae mit einigen Sirenen gemeinsam tuschelte.
"Wir sollten Sie im Auge behalten und Minho vor ihr beschützen", sagte Felix.
Jisung zog sich in seine Gedanken zurück. Dort, in seinem erschaffenden Vakuum aus Gedanken, konnte er in Ruhe nachdenken. Er fragte sich, wie Minho sich fühlte. Zerfraß diese Schuld ihn? Wollte er wieder mit Jin-Ae zusammen sein? Oder hatte er längst mit der Vergangenheit abgeschlossen? Nein, so, wie sich der Braunhaarige vor zwei Tagen gegeben hatte, konnte es nicht vorbei sein. Er hing an ihr. Und das führte Jisung zu der Frage, welche Rolle er in diesem Konstrukt spielte? Von außen betrachte, hatte Lee Minho nicht das geringste Interesse an ihm. Von Jisungs Warte aus, würde er meinen, der Mensch habe eine Art Verliebtheit entwickelt, die seinen Bauch mit Schmetterlingen füllte. Und das war kein gutes Zeichen.
Noch mehr Herzschmerz würde er nicht ertragen.

"ACHTUNG!", schrie irgendwer.
Jisung blickte auf. Und nachdem er das gesehen hatte, was auf die große Glasfensterwand zu geschossen kam, wäre er am liebsten weggerannt.
Doch sein Körper blieb an Ort und Stelle.
Der Kopf einer gigantischen Schlange jagte mit einer Geschwindigkeit auf sie zu, dass Jisung keine Zeit bekam, alle Einzelheiten des Geschehnisses zu verarbeiten. Das Geräusch von einem Körper, welcher auf Glas traf, dröhnte durch seine Ohren, bis die Druckwelle ihn und einige Schüler durch den Raum stieß. Mit einem dumpfen Aufprall landete der Blauhaarige auf irgendeinem Tisch, der unter der Wucht seines Landens zerbrach. Die Luft aus Jisungs Körper wich, wie aus einem Luftballon. Unter großer Überwindung richtete er sich auf, den stechenden Schmerz in seinen Gliedern ignorierend.
Wo waren die anderen?
Observierend stahl sich sein Blick durch den Raum. Mehr als Rauch und Staub und Glassplitter konnte er nicht ausmachen.
Bevor er jedoch einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, tönte das Kreischen der riesigen Schlange durch den Saal, sodass sich der Blauhaarige die Ohren zu halten musste. In diesem Moment konnte der Mensch ein Blick auf dieses monströse Wesen werfen. Enorme Augen, mehrere Augen, mindestens fünf Paar Augen, messerscharfe Zähne, die aus dem Maul des Reptils hervorstachen. Ihre rot-gelbe Färbung schimmerte im Angesicht der Mittagssonne, wie ein Kristall. Nichtsdestotrotz hatte dieses Ding nichts mit einer normalen Schlange gemein. Das war ein Monster, wie es im Buche stand. Ihr Kopf schwankte durch den Raum, sie schien irgendwas zu suchen. Jisung taumelte aus den Bruchstücken des Tisches, um wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, doch das war ein Fehler. Die Aufmerksamkeit der Schlange richtete sich auf ihn. Die Zunge von ihr hing aus dem Maul. Das Zischen bereitete ihm Gänsehaut, weswegen der Schweiß sich seinen Rücken hinunter bahnte. Sein Herz drehte sich wie eine Flugzeugturbine kurz vor dem Abflug.
"Jisung!", murmelte Beomgyu, welcher zwei Meter von ihm entfernt auf dem Boden lag, ein Schrank bedeckte den unteren Teil seiner Beine. 
"Beweg dich nicht."
Er wollte nicken, als Zeichen, dass er verstanden hatte, doch er unterdrückte den Zwang. Innerlich kochte der Mensch, zwar nicht vor Wut, aber vor Angst, die seinen kompletten Körper zum Pumpen brachte. Er konnte sich keinen Schritt bewegen. Er merkte, wie er aschfahl wurde, als das Vieh ihren Kopf auf ihn zu bewegte.
Jetzt nur nicht bewegen.
Jetzt nur nicht atmen.
Tausend Gedanken strömten durch seinen Kopf. Er dachte an seine Eltern. Und er hörte den Zug, auf welchem er noch immer saß. Noch immer war er auf einem Gleis, dass geradeaus durch die Dunkelheit fuhr. Vielleicht war es an der Zeit dem Lokführer zu begegnen.
Dem Tod höchstselbst.
Er schüttelte den Kopf.
Ein Geräusch zerrte Ihn aus seinen Gedanken. Es war Changbin, dessen Schlachtruf quer durch die Cafeteria hallte. Binnen Sekunden waren Hyunjin, Felix, Seungmin, Jeongin und Chan auf den Beinen. Chanyeol kam von seiner rechten und ließ riesige Pfeile aus Geröll auf das Monster niedersausen. Changbin stürzte nach vorn, gefolgt von Felix, dessen Magie den Raum erzittern ließ. Jedes Metallstück im Saal löste sich, flog auf die Schlange zu und lenkte sie ab. Jisung hatte Changbin bisher noch nicht in Aktion gesehen, umso überraschter war er, als er merkte wie jedwede Art von Sand und Dreck aus allen Ecken und Kanten des Schlosses sog und zu einem gigantischen Ball formte. Mit einer einfachen Handbewegung schleuderte die Sirene seine Magie auf die Schlange. Mit voller Kraft wurde ihr Oberkörper samt Kopf umgeworfen. Der dumpfe Aufprall prachte den Boden zum Zittern, während der Blauhaarige Halt suchte, um, aufgrund seiner wackeligen Beine, nicht umzufallen.
Jisung blickte an ihr vorbei und merkte, dass der restliche Teil des Monsters sich außerhalb des Internates befand. Das Ausmaß des Wesen war gar nicht zu überblicken. Der Mensch schluckte. Das war einer seiner bösen Alpträume. Gleich würde er aufwachen und alles wäre gut. Selbst nach unzähligen Malen, in denen er blinzelte, änderte sich die Lage nicht. Sie waren noch immer in gleichen Raum mit diesem Ding. Gefangen.
Jisung überkam das Bedürfnis zu weinen.
"Vorsicht!"
Ehe er reagieren konnte, sah er, wie der Kopf des Reptils in seine Richtung wankte.
Beweg dich!
Du wirst zerquetscht!
Jisung, reiß dich zusammen!
Er konnte nicht. Vielleicht war es der Tod seiner Eltern und die Tatsache, dass noch immer diese Stimmen in seinem Körper nisteten. Die Gedanken zu sterben.
Vielleicht war es auch Angst.
Er schloss die Augen, atmete tief durch.
Bald sind wir vereint, Han-jae.
Ein gewaltiger Stoß riss ihn zu Boden, bevor der Kopf der Schlange ihn zerquetschen konnte.
Jisung spürte einen Körper auf sich liegen.
Er riss die Augen auf und erstarrte.
Jin-Ae hatte ihn gerettet.
Minhos Ex-Freundin.
Für einen Moment schien die Welt zu schwanken unter dieser Erkenntnis. Er sah Sterne und das Universum. Und die Galle kämpfte sich seine Speiseröhre hinauf.
Er drängte sie zurück.
Zumindest versuchte er es.
"Bist du in Ordnung?"
Stumm nickte er, unfähig ein Wort zu sagen. Es war Jimin, der zu ihnen geeilt kam, und ihnen aufhalf. Danach folgten Seungmin und Felix. Gemeinsam standen sie dem Wesen gegenüber. Es rührte sich nicht, doch sie wussten alle, dass es nicht vorbei war. Wie aufs Stichwort regte sich das Vieh.
Ihr Kreischen ließ beinahe sein Trommelfell zerplatzen.
Jetzt war sie wütend. Richtig wütend.
"Wo zum Henker sind die Lehrer? Das schaffen wir niemals!", schrie eine Schülerin panisch. Jisung torkelte zur Tür. Sie war, aufgrund von Tischen und Stühlen verschlossen. Die Erkenntnis sickerte zäh zu ihm hindurch. Sein Kopf schmerzte ungeheuerlich, als würde ein Affe mit einer Trommel darauf herumklopfen.
"Wir sind gefangen", äußerte Jin-Ae seine Gedanken. Felix stüzte ihn, sodass er nicht zur Seite klappte.
Eins wurde auf jeden Fall klar:
Han Jisung war körperlich überhaupt nicht für so eine Situation geschaffen. Er war nicht so robust, wie Sirenen oder so wendig, wie Meerjungfrauen.
Das Monster richtete sich auf, ihr Maul öffnete sich, ein beißendes Licht erfüllte den Rachenraum. Jisung riss die Augen auf.
"Wir müssen hier weg! Sofort! Das Ding wird uns zu Pulver verarbeiten!", kreischte er. Panik brach aus.
Nur das Problem war, dass sie nicht weg konnten. Wie aus dem Nichts trat eine Person auf die Bildfläche. Jisung erkannte schemenhaft die Körperstruktur.
Das Hinken. Ha-Yoon.
Sie begann ihre Arme zu bewegen, als würde sie tanzen. Sie wiederholte sie immer und immer wieder. Die Schlange hielt inne, beobachtete faszinierend die kleine Person vor ihren Augen.
"Versteckt euch! Alle! Auf der Stelle!", brüllte sie. Seungmin reagierte als erster, stieß mehrere Tische um, damit sie sich darunter verstecken konnten. Hyunjin schleppte ihn jetzt an Stelle von Felix, der Changbin half hinter ihren errichten Wall zu treten. Beomgyu, Soobin und Taehyun waren ebenfalls mit dabei. Seulgi und Wendy schienen leichte Verletzungen aufzuweisen, trotz dessen waren sie okay. Das erleichterte den Blauhaarigen irgendwie.
Und mit einem Mal wurde es dunkel in der Cafeteria. Vollkommene Finsternis überbrückte sie, überbrückte jede Art von Licht. Und Jisung war froh, dass er nicht zu leuchten begann. Seine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit, doch das, was er zuerst sah, ließ ihn, im Angesicht der Situation, lächeln. Chan schützte Jeongin mit vollem Körpereinsatz.
Und dann schallte eine riesige Druckwelle durch den Saal, ließ Putz abbröckeln und Staub aufsteigen. Die Nacht versiegte und zurückblieben verängstigte Schüler und ein Haufen Asche.
Asche, eines Wesens, welches längst nicht mehr in diese Zeit gehörte.

Pearls {Minsung}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt