💠Agony💠

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"Warum gehen wir nochmal zurück in unser Zimmer?", wollte er wissen und betrachtete die Elfe von der Seite. Kurz vor Mitternacht meinte Gaya, sie müsse ganz dringend in ihr Zimmer. Alleine wollte sie nicht gehen, also hatte sich der Blauhaarige erbarmt ihr zu folgen.
"Weil Uranus morgen Geburtstag hat und in zehn Minuten ist Mitternacht."
Jisung begann zu grinsen, während er mit seinen Augenbrauen wackelte und die Elfe beobachtete, wie sie rot wurde.
"Du magst ihn. Du mochtest ihn schon immer", stellte der Mensch fest, was jedem bekannt war, der nicht vollkommen blind oder blöd war. Ihre Blicke, ihr Ärger über den Elf, es ist so offensichtlich, dass sie es gar nicht verstecken konnte.
"Und du magst Minho", entgegnete Gaya und grinste ebenfalls, wobei sie genau seine Gesten nachäffte. Jisung war für einen Moment perplex über ihre Direktheit und über die Tatsache, dass es der Wahrheit entsprach. Scheinbar konnte man es dem Blauhaarigen auch anmerken. Von der Neugier gepackt, kam die Braunhaarige auf ihn zu, ganz nah, hauchte ihm an den Hals und wollte wissen, wann er den Mut besaß es der Sirene zu sagen. Der Mensch verkniff sich ein 'Nie' und wandte sich stattdessen ihrem Zimmer zu. In Dunkelheit gehüllt lag es im spärlich belichteten Gang. Ein kalter Luftzug schwirrte durch die Luft und ließ den Blauhaarigen zusammenzucken. Hatte irgendjemand ein Fenster vergessen zu schließen? Er zuckte die Achseln und schob die Gedanken beiseite. Lieber konzentrierte er sich auf Gaya, welche ein kleines Päckchen in ihrer Hand hielt. Es war kaum größer als seine Handinnenfläche und so befremdlich es in seinen Augen klang, Gaya war wirklich klein. Er merkte es erst jetzt.
"Los geht's! Uranus sucht mich bestimmt schon, manchmal kann er eine wirkliche Nervensäge sein!", kicherte sie und er sah, wie glücklich dieser Gedanke sie machte und das stimmte den Menschen fröhlich. Mehr als das, er freute sich für seine Freundin und diese Liebe, welche Jisung für die Elfe empfand, wurde in diesem Augenblick übermächtig. Gaya flog vor ihm, weswegen sie die Tränen in seinen Augen nicht sehen konnte. Mit einer schnellen Handbewegung wischte er sie beiseite. Heute war nicht der Tag zum Weinen, heute wurde gefeiert, all jene Sorgen der letzten Tage vergessen. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Er war glücklich sie zu kennen. Alle an diesem Internat kennengelernt zu haben. Das Leben war schon komisch. Er wollte hier nie her und jetzt konnte er keinen Fuß mehr nach draußen setzen, ohne den verrückten Haufen, seinen verrückten Haufen zu missen. Sie waren mittlerweile ein Teil von ihm. Jeder Atemzug war einer seiner Gruppe und das schätzte er.

Sie waren gerade dabei wieder zur Turnhalle zu spazieren, als ein Kreischen sie herumfahren ließ. Dieser gequälte, alles zerreißende Schrei erschütterte Jisung bis ins Mark. Sein Blick streifte den von Gaya und ohne Wortwechsel rannten sie in die Richtung, aus der der Laut stammte. Es war ein innerlicher Drang zu helfen, den der Blauhaarige überkam. Ihr Weg führte sie immer tiefer in das Gebäude, Treppe um Treppe, Gang um Gang, bis Jisung merkte, dass er in diesem Teil der Schule noch nie gewesen war. Überall zierten Spinnenweben und Staub die Wände. Der alte Teppich, welcher ihre Schritte dämpfte, thronte auf dem Boden wie ein längst vergessenes Artefakt.
"Warst du hier schon mal?", flüsterte er, um das Haus nicht zu erzürnen. Jisung hatte sich die ersten Worte von Minho damals zu Herzen genommen. Das Haus war magsich, es besaß ein Eigenleben. Und er wusste, dass es seinen Namen kannte, dass es ihn wahrscheinlich nie wieder vergessen würde.
Deswegen versuchte er Frieden zu wahren.
"Nein", antwortete Gaya neben ihm genauso leise.
"Ich habe von diesen Gängen gehört, doch man versicherte uns Elfen, dass diese längst verschlossen seien."
Diese Aussage machte diese ganze Situation nicht besser. Jisung beschlich das Gefühl, diese Rettungsmission war eine blöde Idee gewesen und wenn er jetzt darüber nachdachte, hatte ihn seine Vernunft wahrscheinlich vollends verlassen. Er war ein Mensch! Ohne besondere magischen Kräfte! Zwar hatte er dieses Licht in sich, doch das war viel mehr ein kleiner Schimmer, als das er nützlich sein könnte. Und Gaya selbst konnte es vielleicht mit einem oder zwei Gegnern aufnehmen, aber niemals mit einer Meute.
Je tiefer sie in das Gebäude eindrangen, desto kühler wurde es. Jisung begann zu frösteln, dass dünne Hemd an seinem Körper half nicht gegen die Kälte. Gaya griff nach seiner Schulter. Diese Geste bestärkte ihn ein bisschen. Die Panik, welche durch seinen Körper flutete, wurde zurückgedrängt, zumindest so weit, bis er das sah, was ihm die Galle in den Rachenraum trieb. Sie betraten einen runden Raum, Regale säumten den Saal, an den Wänden befanden sich uralte, mächtige Bücher und in mitten des Wissen befand sich eine Art Altar aus Gold gegossen, mit den schönsten, filigransten Verzierungen, die der Blauhaarige je gesehen hatte. Doch das war nicht, dass, was ihn so erschrocken hatte, sondern diese Wesen, diese Monster, welche von einer in dunklen Robe, gehaltenen Person gefüttert wurden. Mit Blut.
Die Kreaturen sahen aus, als seien sie dem Alptraum einer alten Gottheit entsprungen. Nackte graue Haut spannte sich um die unförmigen Köpfe, die aufgerissenen Mäuler stellten schwarze Reißzähne zur Schau. Reißzähne, die anders als die der Spinnen, anders als die der Schlange, herausragten. Diese rissen Gedärme und Organe, saugten Blut und jegliche Flüssigkeiten aus einem Körper. Die entfernt an einen Menschen erinnernden Körper sanken herab, die langen Arme schleiften über den Boden, die Beine ähnelten nach hinten gebogenen Hinterläufen eines Tieres. Erst als sich Jisung abwenden wollte, um so schnell und weit zu fliehen, wie er nur konnte, merkte er die Galle in seinem Mund. Der Mensch beugte sich vorne über und ergab sich auf dem Boden. Die Säure äzte sich durch seinen Rachenraum und strömte unangenehm in seine Nasenflügel. Er tauschte einen Blick mit Gaya, die ihn ebenso verstört musterte, wie die Wesen, die auf den Befehl warteten ihn töten zu können. Jisung wusste es. Das hier war das Böse, schlicht und einfach. Mit trockenem Mund und laut in den Adern pochendem Blut machte er einen Schritt rückwärts.
Die schwarz-gehüllte Person wirbelte herum und entdeckte ihn. Sofort schossen die Köpfe der Bestien hoch, die schlitzförmigen Nüstern schnüffelten zweimal.
"Eigentlich warst du heute noch nicht dran", säuselte es, die Stimme war fremd und doch bekannt. Der Blauhaarige wandte die Augen nicht von den Kreaturen, die nun zu schnauben begannen.
"Aber eine solche Gelegenheit kann ich mir wohl nicht entgehen lassen, letztendlich komme ich so oder so an das, was du besitzt."
Die Augen der Monster, so etwas hatte er noch nie gesehen. In ihnen tobte Hunger, grenzenloser, unstillbarer Hunger. Diese Wesen waren nicht von dieser Welt. Da kamen ihm plötzlich die Worte von Changbin in den Sinn. Mit dem Sarg konnte man Gestalten beschwören, Bestien aus anderen Welten. Der Mensch bewegte sich immer weiter nach hinten, Gaya folgte ihm, während die Biester auf ihren vier langen, spinnenhaften Gliedmaßen hin und her staksten. Jisung wirbelte herum und begann zu rennen, so schnell er konnte, im Zick-Zack, weil er keine Ahnung hatte, ob er jemals lebend aus dieser Gruft kam. Er schnaufte, taumelte und fing sich wieder. Gaya neben ihm rief Befehle, doch die hörte er bei seinem trommelnden Herzen nicht.
Dann ertönte ein donnerndes Dröhnen. Bum, Bum, Bum, gefolgt von mehreren Kreischen. Jisung fiel zu Boden, die Elfe neben ihm schrie, er solle Aufstehen. Er konnte nicht. Seine Beine waren wie Wackelpudding. Ein beißender Schmerz feuerte durch seinen Oberschenkel und der Schrei aus seinem Hals machte ihn heiser. Eins der Wesen hatte ihn eingeholt, seine Pranke von Klaue in seinen Schenkel gerammt und Mixer gespielt. Das eisige Gefühl, welches ihn erfasste, breitete sich in seinem ganzen Körper aus, bis ihm schwarz vor Augen wurde.
Und dann war er wieder da, als Gaya ein Schwall ihrer Magie durch den Gang schleuderte und die Monster, samt dem, der über Jisung gebeugt, hing, und sein stinkendes Maul aufriss, um ihn zu verspeisen. Das Licht im Raum pulsierte, die Elfe half ihm auf die Beine, schob ihn durch den Gang, weiter und weiter, Jisungs Blut ergoss sich auf dem Boden. Eine Erkenntnis krachte über ihm zusammen.
Er würde, hier und heute, sterben.

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Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen! Die Partystimmung ist vorbei, jetzt geht es ums nackte Überleben! Mal wieder. Irgendwie trifft es stets Jisung, liegt wahrscheinlich daran, dass er der Hauptcharakter ist xd

Was haltet Ihr von dem Kapitel? Wer war wohl die verhüllte Gestalt? Konntet Ihr Euch die Wesen vorstellen?

Feel free to comment!

Erin🌸

PS: Es könnte sein, dass man im nächsten Kapitel Taschentücher braucht!

Pearls {Minsung}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt