Rafs Wohnung war wirklich stilvoll und elegant eingerichtet. Das passte genau zu meinem ersten Eindruck, den ich von Raf gewonnen hatte. John ließ unsere Taschen an Ort und Stelle fallen und warf sich erst mal auf die Couch, die seitlich zur großen Fensterfront stand. Ich bewunderte derweil die Sammlung der goldenen Platten und einen kleinen Schrank neben der Couch, dessen oberer Stein aussah, wie ein Stück der Berliner Mauer. Raf erklärte mir, dass ich mit meiner Vermutung recht hatte und zeigte mir schnell den Rest seiner Wohnung. Seine offene Küche gefiel mir besonders gut, da man von hier einen guten Blick auf das Wohnzimmer und den Balkon hatte. Auf dem Balkon standen zwei Palmen und ein paar andere Pflanzen. Mein Blick schweifte weiter durch das Wohnzimmer, vorbei am Esstisch zu den Regalen, in denen Bücher und Fotos standen.
„Du spielst Klavier?", fragte ich interessiert, als ich das Instrument erblickte.
„Und Gitarre und Geige. Spielst du auch Klavier?"
„Hab mal als Kind, ist aber lange her."
Raf winkte ab.
„Das hast du schnell wieder drauf. Ganz verlernt man das nicht."
Es gab ein Gästezimmer, das mein Bruder mir überließ. Ich hätte auch auf der Couch geschlafen, aber John war der Meinung, dass ich noch mehr Gast sei, als er, und mir deshalb das Gästezimmer eher zustände.
Da es schon nach zwei Uhr war und wir alle müde von der Fahrt waren, beschlossen wir, direkt schlafen zu gehen.
„Brauchst du sonst noch was?", fragte mich Raf, als er mir eine Flasche Wasser gab.
„Hm, nee, danke. Gute Nacht."
„Gute Nacht, schlaf gut."
Ich ging noch mal zu John, der gerade aus dem Bad kam.
„Gute Nacht.", wünschte ich auch ihm.
Er zog mich in eine Umarmung und legte seinen Kopf auf meinem ab.
„Tut mir leid wegen heute Morgen. Yassin ist ein guter Kerl und ich bin froh, dass du ihn immer an deiner Seite hattest. Aber es macht mich gleichzeitig auch rasend, dass nicht ich an seiner Stelle war."
Ich gab einen zustimmenden Laut von mir und legte meine Arme etwas fester um Johns Rücken.
„Ich will einfach nicht, dass du ihn als Konkurrenten oder so ansiehst. Ich brauche euch beide. Du kannst nichts dafür, dass du nicht da warst. Und Yassin ebenso wenig."
„Hast ja recht. Richte ihm mal aus, dass das heute Morgen echt unnötig von mir war."
Über Samuel und sein Verhalten ihm gegenüber hatte er kein Wort gesagt, aber das war wohl ein anderes Thema, dass ich nicht jetzt mitten in der Nacht anfangen wollte.
Ich genoss noch einen Moment die Umarmung meines großen Bruders. Die letzte richtige Umarmung von ihm war schon viel zu lange her und ich hatte ihn in den letzten Monaten wirklich vermisst. Wir wünschten uns eine gute Nacht und ich ging in Richtung Gästezimmer.
„Du kommst zu mir, wenn was ist, ja?", versicherte sich mein Bruder noch einmal, ehe ich das Zimmer verließ.
Ich wusste sofort, was er meinte. Falls ich nicht schlafen konnte, sollte ich mich nicht stundenlang rumquälen, sondern zu ihm kommen. Dankbar bejahte ich und schloss leise die Tür hinter mir.
Anstatt zu schlafen, schrieb ich noch ein bisschen mit Yassin und mit Samuel. Hannes hatte ich auch noch kurz geantwortet, er wollte ja wissen, was aus meinem Arztbesuch geworden war.
Ich schlief erstaunlich gut. Meine Alpträume hatten seit Anfang des Jahres fast komplett nachgelassen und kamen nur noch äußerst selten vor. Seitdem ging es mir wieder deutlich besser.
Am nächsten Morgen frühstückten wir entspannt. Raf hatte Rührei und Pancakes gemacht, die wir uns nun gierig reinschaufelten.
„Was steht heute eigentlich an?", fragte ich die beiden, weil ich null Ahnung hatte, ob es irgendwelche Pläne gab.
„Heute Abend treffen wir meine Jungs. Ansonsten eigentlich nichts. Willst du ein bisschen was von Berlin sehen?"
Mit noch vollem Mund wiegte ich meinen Kopf unentschlossen hin und her, ehe ich runterschluckte und antwortete.
„Ich war schon ein paar Mal in Berlin. Muss also nicht unbedingt sein."
„Lass lieber mal ins Studio. Du wolltest mir doch ein paar neue Sachen zeigen.", schlug mein Bruder daher vor.
Ich stimmte zu, denn ich war neugierig, wie Raf, im Vergleich zu den 187ern, arbeitete. Ich schätze ihn da ganz anders ein. Mehr fokussiert und perfektionistisch, weniger am Rumhängen und Kiffen.
Rafs Studio war unglaublich und mal wieder das absolute Gegenteil vom Studio der Hamburger. Alles war dunkel gehalten und wirkte beeindruckend edel. So langsam fragte ich mich, ob es zwischen John und Raf überhaupt irgendwelche Gemeinsamkeiten gab. Bis jetzt hatte ich eher weniger den Eindruck. Vielleicht waren aber auch genau diese Gegensätze das Geheimnis ihrer engen Freundschaft.
Während die beiden arbeiteten und sich Rafs neue Songs anhörten, war ich mit meinem iPhone beschäftigt. Yassin hatte Johns Entschuldigung mehr oder weniger angenommen, meldete sich seit heute Morgen aber nicht mehr, da er arbeiten war. Es war Freitag und auch der Rest meiner Freunde war um diese Uhrzeit noch auf der Arbeit. Samuel hatte mir zwischendurch geantwortet, schien jetzt aber auch wieder beschäftigt zu sein.
„Drehen wir später noch eine Runde im Fefe?" Raf hatte sich mit seinem Drehstuhl in meine Richtung gewandt und sah mich abwartend an.
„Im was?"
„In seinem Ferrari, du Nuss." Mein Bruder schnippte mir im Vorbeigehen gegen den Kopf, woraufhin ich ihm einen genervten Blick zuwarf.
„Gerne. Hey, lass das."
John hatte sich mein iPhone geschnappt, was ich ihm direkt wieder aus der Hand riss.
„Hat der Schnösel dir schon wieder geschrieben, oder was? Hat der nichts Besseres zu tun?"
„Boah, nenn ihn nicht so. Samuel ist vieles, aber kein Schnösel."
„Jaja, wenn du meinst."
Raf unterbrach schließlich unser Blickduell.
„Ich muss noch was bei Abudi vorbeibringen. Können wir ja dann später schnell machen."
„Kommt der heute Abend nicht mit?", hakte John nach und widmete seine Aufmerksamkeit endlich wieder Raf.
„Doch, denk mal schon. Aber ich will keinen Papierkram mitschleppen."
Ich war schon gespannt auf Rafs Freunde, seine Jungs, wie er sie die ganze Zeit nannte. Das Wort ‚Jungs' sprach er meist ganz seltsam aus, worüber ich immer noch jedes Mal schmunzeln musste. Ich kannte bisher keinen von ihnen, bis vor zwei Tagen hatte ich ja nicht mal Raf persönlich gekannt. Aber wenn sie alle so entspannt waren, wie er, konnte ja nichts weiter passieren. Dachte ich jedenfalls.
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Hey Brother (Bonez MC)
Fanfiction(Fortsetzung von „Long Long Way") „Reg dich nicht auf Jari, du hast jetzt ja ein paar Tage frei und kannst dich erholen." „Oder mit uns Party machen." Ein blonder Lockenkopf schob sich in mein Sichtfeld. Ihn und Raf hatte ich fast ausgeblendet. „Was...