Der nächste Tag war ähnlich geplant. Wir wollten nach dem Frühstück direkt ins Studio fahren. Raf war bereits im Gym gewesen und ich fragte mich insgeheim, wie er so diszipliniert sein konnte, so früh aufzustehen, nur um Sport zu machen.
Marten kam morgens mit müden Augen aus dem Gästezimmer gewankt. Wortlos ließ er sich neben mir auf der Sitzbank nieder und schaufelte sich einen Berg Pancakes auf den Teller.
Die Schlafsituation hatten wir folgendermaßen gelöst: John und Marten schliefen im Gästezimmer und ich auf der Couch. Für mich war das gar kein Problem, allerdings hatten die anderen so lange darüber diskutiert, dass Raf kurz davor war, selbst auf der Couch zu schlafen.
„Morgen.", richtete ich mich an meinen Cousin, der immer noch stumm neben mir saß.
Er grummelte etwas, das mit viel Fantasie ebenfalls wie ein „Morgen" klingen konnte.
„Harte Nacht?", fragte Raf und erntete nur einen bösen Blick.
„Gib dem erst mal Kaffee.", flüsterte John, der mir gegenüber saß.
Marten sah wirklich aus, als könnt er einen Kaffee gebrauchen. Daher stand ich auf und ging zu Rafs Kaffeeautomaten. Theoretisch wusste ich mittlerweile, wie man dieses Gerät bediente, aber es war mal wieder typisch, dass ausgerechnet jetzt irgendetwas nicht funktionierte.
„Aaaah, verdammtes Teil. Echt jetzt?", fluchte ich missmutig als ein Lämpchen zu blinken begann und sich ansonsten nichts tat.
„Ich will einfach nur einen ganz normalen Kaffee. Warum machst du jetzt wieder solche Faxen?"
Als hätte mich das Gerät verstanden, begann es nun zu piepen, ganz so, als wollte es mich verhöhnen.
„Scheiß überteuertes Teil! Zu deinem nächsten Geburtstag schenke ich dir eine billige Filterkaffeemaschine, das schwöre ich dir. Dieses Ding ist ja kein Zustand!", wandte ich mich nun an Raf, der mich vom Esstisch aus beobachtete.
„Was sagt es denn?"
„Gar nichts. Es blinkt. Wenn es reden könnte, würde es mich vermutlich hämisch auslachen."
„Stehst du jetzt auf Kriegsfuß mit einer Kaffeemaschine?", mischte sich John gut gelaunt ein und stopfte sich seinen restlichen Pancake in den Mund.
„Wenn es nach dem Teil geht, wohl schon."
Raf war in der Zeit aufgestanden und musterte seinen Kaffeeautomaten, ehe er in den Schrank griff und eine neue Packung Kaffeebohnen rausholte.
„Muss nur nachgefüllt werden, mehr nicht. Ich mach das schon. Setz dich ruhig wieder hin."
Ich ging zurück zu Marten, der immer noch an seiner Portion Pancakes aß.
„Danke für den Einsatz. Falls du und die Maschine noch mal Streit habt, klatsch ich der eine. Geht ja so nicht.", witzelte er leise, da ich nach wie vor böse zum Kaffeeautomaten blickte.
Nachdem Marten seinen Kaffee endlich bekommen und getrunken hatte, wirkte er gleich viel fitter. Auch er wollte heute wieder zu seinen Leuten fahren, weshalb nach dem Frühstück Aufbruchsstimmung herrschte.
Wie auch schon am gestrigen Tag verbrachten Raf und John die meiste Zeit mit Aufnehmen. Ich las weiter in den Büchern, die ich gestern im Studio gelassen hatte.
„Kommt ihr gut voran?", fragte ich Raf, als sich mein Bruder zum Telefonieren in die Küche verzogen hatte.
„Ja man, extrem. Wir haben eine ganze Zeit nichts zusammen aufgenommen und jetzt haben wir umso mehr Ideen. Wird ein krasses Album. Wir überlegen gerade, wen wir gerne als Feature hätten."
„Kontakte habt ihr ja genug."
Raf stand von seinem Stuhl auf, streckte sich und kam zu mir auf die schwarze Ledercouch.
„Das auf jeden Fall. Muss aber auch passen."
„Mhm, stimmt. Aber das sollte bei euch ja kein Problem sein. Ihr kennt da ja genug Leute."
Raf nickte und ich beobachtete, wie er gedankenverloren durch Instagram scrollte. Er blieb bei kaum einem Bild oder einer Nachricht länger als eine Sekunde hängen. Bei WhatsApp ging er im Anschluss ähnlich vor und steckte sein iPhone letztendlich wieder weg, ohne etwas zu beantworten.
„Gar keine Lust, das alles zu lesen. Muss aber sein.", murmelte er erklärend „Alle wollen was, aber ich hab keinen Nerv, mir das jetzt zu geben. Ich will gerade nur aufnehmen, mehr nicht."
Ich nickte leicht, denn ich konnte nicht viel zu dem Thema sagen. Mir schrieben höchstens Freunde oder Arbeitskollegen und denen antwortete ich meist gerne und direkt.
„John hängt auch immer nur am iPhone.", fügte ich jedoch hinzu, was Raf leise lachen ließ.
„Wenn es bei mir so extrem wird, wie bei ihm, schmeiß ich das Teil aus dem Fenster, echt man."
Die Überzeugung in seiner Stimme brachte mich zum Grinsen, denn ich wusste genau, dass auch er sein iPhone niemals weggeben würde.
„Will ich sehen, machst du eh nicht."
Genau in dem Moment kam John zurück in den Raum, nicht mehr am Telefonieren, aber dabei, eine weitere Insta-Story aufzunehmen.
„Vielleicht verstecke ich seins aber einfach mal.", flüsterte ich Raf zu, der mit hochgezogener Augenbraue zwischen mir und meinem Bruder hin und her sah.
„Das Risiko würde ich an deiner Stelle nicht eingehen. Wobei, lustig wäre es schon. Seine Reaktion würde ich schon gerne sehen."
Bevor ich jedoch weitere Pläne schmieden konnte, die ich sowieso niemals in die Tat umsetzen würde, drehte sich John zu uns um und musterte uns argwöhnisch.
„Was tuschelt ihr so, heh?"
Ertappt starrten wir beide zurück, was John noch misstrauischer werden ließ.
„Aha, erwischt. Lästerschwestern, alle beide."
„Du siehts Gespenster, Bruder. Lass weiter machen, bevor die Ideen weg sind."
Raf stand schnell auf, während ich John einen Kussmund zuwarf, den er mit zusammengekniffenen Augen erwiderte.
„Hast du hier echt gar nichts Süßes?", fragte ich Raf sicher zum dritten Mal, denn ich konnte es nicht fassen, dass er überhaupt keine Süßigkeiten in seinem Studio gelagert hatte.
In Hamburg gab es im Studio immer irgendwo was zu naschen und das auch nicht gerade in geringen Mengen.
„Immer noch nicht, nein. Esse ich nicht so viel und ist sowieso nur ungesund."
„Ich versteh ihn da auch nicht.", pflichtete mir wenigsten John bei und warf Raf einen skeptischen Blick zu, bevor er in die Tasche seiner Jogginghose griff und einen fünfzig Euro Schein hervorkramte.
„Hier. An der nächsten Ecke ist ein Späti. Hol uns beiden mal genügend Süßigkeiten für die nächsten Tage. Für Ragucci-„Ich-ernähre-mich-gesund-und-mache-soo-viel-Sport" kannst du ja eine Stange Sellerie mitbringen oder so."
John wich dem Stift, den Raf nach ihm geworfen hatte, mit etwas Glück aus und rollte mit seinem Stuhl näher zu mir.
„Nimm von allem was. Ich hab richtig Bock auf Süßes."
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Hey Brother (Bonez MC)
Fanfiction(Fortsetzung von „Long Long Way") „Reg dich nicht auf Jari, du hast jetzt ja ein paar Tage frei und kannst dich erholen." „Oder mit uns Party machen." Ein blonder Lockenkopf schob sich in mein Sichtfeld. Ihn und Raf hatte ich fast ausgeblendet. „Was...