☆Zu viel Unsicherheit um Klarheit zu schaffen☆

56 4 21
                                    

Hin und wieder oder meistens, wenn ich nicht wusste, was ich machen sollte, kam mir in Darios Reaktion auf mein Angebot, bei mir zu übernachten, in den Kopf. Ob es ihm unangenehm war? Bestimmt, sonst wäre er ja nicht rot geworden. Aber warum sollte es ihm unangenehm sein? Wir kennen uns jetzt schon seit einer Weile. Außerdem war es schon halb zwei.
Aber jeder Mensch ist anders und wenn er nicht will, dann akzeptiere ich das. Ich schlafe ja auch lieber in meinem Bett als auf einem Sofa.

Es ließ mich dennoch grübeln.

„Weißt du", meinte Dominik, als wir gerade den Hörsaal verließen und raus gehen wollten, „Dario spricht echt oft von dir." Ich runzelte die Stirn. Was soll mir das sagen? Er redet oft von mir, schön. Erzähle ich oft von ihm, wenn ich mit Dominik rede? Oft nicht, aber eigentlich doch schon einige Male. Aber das ist doch auch irgendwie logisch; immerhin haben wir denselben Freundeskreis.
Mich brennte es dennoch zu wissen, was er über mich sagte, also fragte ich nach, statt auf Dominiks Aussage hin einfach nur mit den Schultern zu zucken, so wie ich es gemacht hätte, wenn Dario mich nicht so verwirren würde.

„Na ja, ihr verbringt oft Abende gemeinsam", antwortete er dann. Das ist alles? Mehr machten wir zwar im Grunde genommen auch nicht, aber um ehrlich zu sein, hatte ich irgendwie mit mehr gerechnet. Ich wüsste nicht mit was, aber ich dachte, da kommt noch was.

Mit anderen Worten: Ich konnte eine dezente Enttäuschung in mir nicht abstreiten.

„Ja und?", gab ich zurück, hoffentlich nicht eingeschnappt klingend. Was ist denn jetzt so Erwähnenswertes dran? Er machte ein ziemlich lang gestrecktes „Na ja" und schmunzelte. „Er ist so gut wie immer hier, wenn deine Lesungen aufhören, er bringt dir was zu Essen mit, wenn du sehr spät abends hin musst, er wird oft rot in deiner Nähe..." Er machte eine kurze Pause. „Und bei keinem anderen macht er all das." „Sowas machen gute Freunde, oder nicht? Ist doch schön." Ich hätte gar nicht erst hinterfragt, warum ich das schön fand, wäre da nicht Manu mit seinem Verhalten gewesen.

„Gute Freunde?", lachte Dominik. Was hatte er denn jetzt? „Ja, gute Freunde. Was interpretierst du denn jetzt so? Wir sind halt Freunde!" Ich blieb stehen und er seufzte: „Red es dir halt weiter ein."

„Wo wir schon dabei sind: Kannst du mir vielleicht eigentlich sagen warum Manu mich vor ein paar Wochen gefragt hat, ob ich mich gut mit Dario verstehe?" Ungläubig sah er mich an. „Aber ich interpretiere?", echauffierte er sich, wenn auch lachend. Genervt stöhnte ich. „Er hat dabei gegrinst, Dominik. Es ist nie gut, wenn Manu grinst. Und außerdem hat er vor kurzem auf meine Frage, was er meinte, nur mit ‚Du brauchst noch Zeit, wenn du es noch nicht weißt' geantwortet." Er lachte bloß weiter und schüttelte den Kopf. „Dass dein Ex es dir sogar andeuten muss..."

Ich kam mir wie für dumm verkauft vor.

„Tim, das kannst du mir nicht erzählen! Du kannst mir nicht erzählen, dass dein langes Nachdenken über eine ganz normale Frage gerechtfertigt ist, aber mein Darlegen an offensichtlichen Zeichen zu viel Interpretation ist!" Er schlug sich gegen die Stirn und sein Lachen verstummte langsam. „Ich muss zugeben, dass ich letztens seine Röte im Gesicht bemerkt habe", gestand ich. „Aber ich mein, das muss doch nichts heißen. Er steht doch nicht..." Das muss ja nichts heißen.

Doch, so unwahrscheinlich war das nicht. Mein Freund hatte recht und ich wusste das. War diese Tatsache auch schön? Ja, ganz vielleicht war sie das.
Vielleicht stieg mein Selbstwertgefühl auch gerade, wegen diesem Gedanken. Und ganz vielleicht musste ich mir ein Lächeln verkneifen.

Dominik grinste. „Wetten wir, dass er draußen auf uns - oder viel mehr auf dich - wartet?" Ich seufzte. Einerseits hoffte ich, dass er falsch lag, denn dann müsste ich mir nicht in den nächsten Tagen anhören, wie recht er doch hatte. Andererseits wollte ich, dass er recht hatte. Die Gründe sollten ziemlich klar sein.

Die Uni verändert einenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt