Die letzten Tage vergingen wie im Flug. Ich verbracht viel Zeit in der Bücherei um den Stoff aus den Vorlesungen zu wiederholen und traf mich viel mit Jenna und Finn im Leisure.
Über die Party sprachen wir nicht. Darüber war ich allerdings auch sehr froh. Einmal hatte Jenna eine Anmerkung gemach, warum ich nicht wirklich was getrunken hatte, aber das ignorierte ich. Nachdem ich damals meine Probleme im Alkohol ertränkt hatte, wollte ich ich das nie wieder tun. Allerdings konnte ich ihr das ja schlecht erzählen. Meine Vergangenheit war meine Vergangenheit. Was jetzt wichtig war, war meine Zukunft.
Heute wollte ich mich wieder mit Jenna zum lernen treffen. Finn hatte leider keine Zeit. Was Liam anging hatte sich alles wieder einigermaßen beruhigt. Er fing an zu akzeptieren, dass ich nicht an Dates interessiert war und ich fing an zu akzeptieren, dass er nunmal im Leisure arbeitete und somit in meiner Nähe war.
Ich bestellte Liam's besonderen Kakao, der es mir echt angetan hatte und gesellte mich wieder zu Jenna an den Tisch. Wenig später brachte Liam uns unsere Bestellungen. „Und ihr zwei, wie läuft es so an der Uni?" Jenna stand auf. „Ich muss mal für kleine Mädchen." Mit diesen Worten machte sie sich davon.„Tja eigentlich läuft alles super." Er stellte meine Tasse vor mir ab. „Das freut mich Roseanne." Ich erstarrte. Es fühlte sich für eine Sekunde an als würde mein Herz still stehen. „Alles Okay?" So hatten mich immer nur meine Eltern genannt.
„Alles okay?" Liam fuchtelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. „Woher weißt du?" Meine Stimme versagte. „Ich habe auf der Website der Uni herumgestöbert und da haben sie eine Liste mit allen Namen der neuen Studenten veröffentlich. Da stand zwar nur Rose, aber als ich Rose und deinen Nachnamen bei Google eingab fand ich sehr viele Bilder von dir und die Website einer großen und sehr bekannten Firma.
Eines verstehe ich nicht, deine Eltern sind steinreich und du könntest bedingungslos die Firma übernehmen, also wieso studierst du?" Er setzte sich an den Tisch. „Ich fasse es nicht! Du hast mich gestalkt.
1. Ich hasse es, wenn man mich Roseanne nennt, 2. Stalking ist strafbar und 3.Mein Leben geht dich nichts an, kapiert?" Er blickte drein wie ein Kind, dass etwas ausgefressen hatte. „Ganz ruhig, ich habe dich nicht gestalkt, ich habe lediglich ein wenig recherchiert, aber wieso plötzlich so aufgebracht?"
Ich spürte, wie meine Hände sich verkrampften. „Hättest du richtig "recherchiert", hättest du gewusst das ich eine Schwester habe. Sie wird alles erben." Jetzt wäre der perfekte Moment für Jenna von der Toilette zurückzukommen. „Wieso das denn, ihr seid doch beide gleichberechtigt?"
Ich trank einen Schluck aus meiner Tasse. Meine Hände zitterten und die Tasse drohte mir aus den Händen zufallen, aber das war mir egal. „Ich bin enterbt."
Liam verzog das Gesicht. „Wieso das denn?!" Jetzt hatte ich schon so viel erzählt, dass mir wohl nichts anderes übrig blieb, als den Rest auch noch zu erzählen. „Meine Eltern haben mich vor die Wahl gestellt. Entweder ich bleibe bei ihnen wohnen und mache weiter mit bei ihren falschen Spielchen, oder ich gehe, studiere und werde enterbt."
Ihm klappte die Kinnlade runter. „Nicht im Ernst!" Ich weiß, dass mein Leben eine Katastrophe ist, Danke. „Wenn du Geld brauchst, ich suche eine Aushilfe." Das kam sehr überraschend. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, er hatte mich eindeutig überrumpelt. Hätte ich trinken im Mund gehabt hätte ich es wahrscheinlich -mal wieder- ausgespuckt.
„Interesse? Recht gute Bezahlung und immer gratis Getränke." Nicht, dass ich das Geld nicht gebrauchen könnte, aber arbeiten und lernen für die Uni. „Ich weiß ja nicht." War Jenna in die Toilette gefallen oder was? „Wir wären sicher ein gutes Team." Liam musterte meine Hände die von dem Gespräch zuvor immer noch zitterten. „Also gut, wann fange ich an?"
Er grinste. „Von mir aus gleich morgen." Er hielt mir die Hand hin und ich schlug ein. „Abgemacht!" Ich nippte an meinem Kakao als Jenna wiederkam. „Habe ich irgendwas verpasst?" Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl. „Nein wieso?" Sie grinste schelmisch. „Mal überlegen, vielleicht weil du grinst wie ein Honigkuchenpferd." Ich konnte mich vor lachen kaum halten. „Nicht dein Ernst, Jenna! " Sie sah mich perplex an. „Was denn?" Meine Freundin nahm einen Schluck von ihrem Kaffee.
„Wer sagt heutzutage noch Honigkuchenpferd?" Sie sah beschämt auf den Boden. „Ich." Jenna tat so als wäre Sie beleidigt, aber nach ein paar Sekunden stimmte meine beste Freundin in mein Gelächter mit ein. „Also was habe ich verpasst?" Sie war aber auch echt hartnäckig.
„Ich arbeite ab morgen hier im Leisure." Sie verschluckte sich und ich klopfte ihr auf den Rücken. „Bitte was?" In ihren Augen war Erstaunen zu erkennen. „Ich habe mich ein bisschen mit dem Herr Geschäftsführer unterhalten und er hat mir einen Job als Aushilfe angeboten." Wie merkwürdig sich das anhörte. Bisher war mein einziger Job ein vierjähriges, trotziges, nerviges Kind zu betreuen. Würden meine Eltern wissen, dass ich jetzt in einem kleinem Café kellnerte würden Sie mit Verachtung auf mich herabsehen.
An meine Eltern zu denken verpasste mir einen kleinen Stoß in die Magengrube. „Wie geil ist das denn?!" Jenna stürzte sich auf mich. Normalerweise hasste ich es erdrückt zu werden, aber gerade tat ihre Umarmung mehr als gut. Ich hatte echt Glück, so eine tolle Freundin wie sie kennenzulernen. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich frei. Unabhängig. Und ich liebte dieses Gefühl.
Als ich heute Morgen aufwachte war ich komplett fertig. Jenna hatte darauf bestanden meinen neuen Job zu feiern. Wir blieben lange wach. Zu lange. Es viel mir schwer aufzustehen, deshalb entschloss ich einfach liegen zu bleiben. Wieso auch das Leben schwerer machen als es ist?
„Aufstehen du Schlafmütze, wir müssen los!" Wie konnte Jenna nur so abartig munter sein? „Ich will nicht, es sei denn du kannst einen Kaffee heraufbeschwören!" Da ich mir sicher war, dass Sie dies nicht konnte, drehte ich mich auf die Seite und kuschelte mich tiefer in meine Decke. „Jetzt komm schon!" Ich spürte, wie meine Beine schlagartig kälter wurden. Diese Nervensäge hatte sich doch tatsächlich erlaubt mir die Decke wegzuziehen!
„Mir ist kalt!" Aufstehen war noch nie meine Stärke. „Dann steh auf und geh warm duschen." Jetzt war es amtlich. Diesen Kampf hatte ich verloren. Jenna 1, Rose 0. Als ich mich erbarmte aufzustehen und in den Spiegel sah, erlitt ich einen halben Herzinfarkt. Wer mich nicht kannte konnte mich durch meine Augenringe doch glatt mit einem Panda verwechseln. Ich stellte mich unter die Dusche und drehte das Wasser auf. Es war schön warm und fühlte sich unglaublich gut auf meiner Haut an. In der Dusche war keine andere Studentin weit und breit.
Wen wundert's, war ja auch sonst keiner so geisteskrank um sechs Uhr aufzustehen. Vor allem, da die meisten Vorlesungen erst um neun Uhr begannen. Nachdem ich mich unter der Dusche aufgewärmt und gewaschen hatte, ging ich wieder ins Zimmer. Ich zog meine weiße Bluse und meinen schwarzen, engen Lederrock an.
Anschließend überlegte ich, was ich mit meinen Haaren anfangen konnte. Keine Chance. Sie waren nicht zu bändigen. Letzten Endes gab ich die Hoffnung auf und band sie zu einem einfachen Zopf zusammen. Mit etwas Schminke konnte ich meine Augenringe ganz gut kaschieren, sodass ich wenigstens ansatzweise menschlich und nicht wie ein Zombie aussah.
Das würde ein harter Tag werden. Ich hatte noch etwa eine Stunde bis zu meiner ersten Vorlesung und beschloss mir einen Kaffee auf dem Campus zu holen. Mit dem warmen Becher zwischen den Händen machte ich einen kleinen Spaziergang um frische Luft zu schnappen. Es war warm und sonnig. Ich genoss die angenehme Wärme auf meiner Haut. Insgesamt war der Sommer dieses Jahr wunderbar. Es war nicht zu kalt und die Temperaturen stiegen nicht ins Unermessliche. Es war genau richtig.
Die Zeit verging wie im Flug und ich machte mich auf den Weg zum Hörsaal. Als ich ankam war so gut wie noch niemand da und ich setzte mich in eine der hinteren Reihen. Ich schlug meine Unterlagen auf und las mir noch einmal meine Mitschriften vom Tag zuvor durch. Als ich wieder aufsah waren schon mehr Studenten eingetrudelt. Die Dozentin stand bereits am Pult und ordnete die Unterlagen. „Kannst du mir einen Stift leihen?"
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Catch me if I fall
RomanceDie Studentin Rose Hunter kommt an die Universität nach Freiburg um Medizin zu studieren. Voller Erwartungen und auf der Suche nach Freiheit, möchte sie diesen neuen Abschnitt ihres Lebens beginnen. Dabei hat Rose jedoch noch mit ihrer Vergangenheit...