Heute war es soweit. Der Prüfungstag war gekommen. Die letzten Tage lernte ich ununterbrochen. Vor Aufregung konnte ich heute Morgen nicht einmal etwas essen. Als ich über den Campus lief war schon alles anders. Alle Studenten die sich draußen befanden, ganz gleich welchen Jahres waren in ihren Büchern vertieft, anstatt auf dem Telefon herumzuspielen. Niemand rannte auf den letzten Drücker über den Campus.
Mit meinem Kaffee in der einen und meinem Handy in der anderen Hand, lief ich also auch, wie die anderen Studenten, in Richtung Hörsaal. Früh Morgens erschien schon eine Nachricht von Liam auf meinem Display. Da ich heute ausgeschlafen sein wollte, hatte ich mich dazu entschieden, in meinem eigenen Bett zu schlafen. In der Nachricht wünschte mein Freund mir viel Erfolg.
Umso näher ich dem Hörsaal kam, umso größer wurde meine Aufregung. Ich befahl meinem Körper ruhig zubleiben und atmete tief durch. Vorbereitet hatte ich mich bis zum geht nicht mehr, also was sollte schon passieren? Endlich angekommen setzte ich mich hin und holte meinen Stift und meinen Block aus der Tasche.
Ein letztes Mal sah ich mir meine wichtigsten Mitschriften an. Die erste Prüfung würde ich in Literatur ablegen und die Zweite in Medizin. Immer mehr Studenten aus meinem Kurs betraten den Raum. Nicht mehr lange und die Zeit würde beginnen. Ben setzte sich zu mir, als ich meine Blätter zur Seite legte.
„Hey. Bist du vorbereitet?" Ziemlich zuversichtlich nickte ich.
„Und du Ben?" Etwas weniger zuversichtlich als ich nickte er auch.
„Keine Sorge Ben. Du schaffst das schon." Auch die letzten Studenten trafen ein und die Dozentin zog unsere Aufmerksamkeit auf sich.„Heute ist es soweit. Die Prüfungen werden geschrieben. Jetzt könnt ihr beweisen, dass es sich gelohnt hat, das Jahr über soviel Engagement gezeigt zuhaben. Das ganze Jahr über haben wir auf diesen Tag hingearbeitet. Doch keine Angst. Ich bin mir sicher, ihr schafft das. Jeder einzelne von euch weiß die Antwort auf jede der Fragen. Eure Hausarbeiten haben mich im positiven Sinne vom Hocker gehauen. Also macht euch kein Stress und schreibt ganz entspannt diese Prüfung.
Ich werde jetzt die Arbeitsblätter verteilten und bitte ab nun um absolute Ruhe. Ihr habt neunzig Minuten Zeit und bei einem Täuschungsversuch fallt ihr durch. Die zwei Semester harte Arbeit waren nicht umsonst. Ich glaube an Euch. Viel Glück."
Der Zettel auf meinem Tisch lag auf der Rückseite und als wir die Erlaubnis bekamen, drehte ich ihn um. Meine Augen überflogen die Fragen und Unruhe machte sich in mir breit. Eigentlich hatte ich genau das gelernt, aber was war, wenn mir ganz plötzlich die Jahreszahlen nicht mehr einfielen? Mit vor Nervosität zitternden Händen schrieb ich meinen Namen auf das Blatt.
Tief atmete ich durch, ehe ich mich an die erste Frage wagte. Mit Leichtigkeit konnte ich sie beantworten. Die Fragen zwei bis dreizehn folgten. Bisher lief alles gut. Frage vierzehn wurde dann schon etwas schwieriger. Ich war mir sicher, dass ich das gelernt hatte und die Antwort wusste, doch sie viel mir nicht ein. Scharf dachte ich nach.
Es hatte was mit Alfred Tennyson zutun und mit dem Hintergrund der Veröffentlichung seines wohl bekanntesten Werkes. Das war doch was mit seinem Bruder und seinem Freund. Angestrengt dachte ich nach. Das Werk trug den Namen >In Memoriam: A.H.H<. Sein großer Bruder hieß Edward und der Freund...Das durfte doch nicht wahr sein.
Ich hatte vergessen, wie der Freund hieß. Weiter und weiter dachte ich nach, aber es wollte mir einfach nicht einfallen. Das war doch auch der Verlobte seiner Schwester Emma. Genau wie Alfred begann der Name mit einem >A<. So schwer konnte das doch nicht sein.
„Arthur.", flüstere mir plötzlich Ben zu. Arthur war der gesuchte Name. Dankend lächelte ich Ben an, bevor mir alles wieder einfiel und ich es notierte. Aufgabe fünfzehn bestand darin, selber einen längeren Text zu einem literarischen Buch unserer Wahl zuschreiben. Indirekt hatte die Dozentin die Aufgabe erwähnt, weshalb ich mindestens elf Texte zu Hause zur Übung geschrieben hatte. Sofort begann ich. Es verblieben noch sechzig Minuten.
Wort für Wort schrieb ich über meinen Lieblingsroman. Alles geschah so gut wie von alleine. Nachdenken musste ich nicht wirklich, da ich dieses Buch schon ungelogen dreiundzwanzig Mal gelesen hatte. Nach einiger Zeit schmerzten meine Finger und ich sah auf die Uhr. Mir verblieben noch neun Minuten. Neun Minuten um nochmal alles zu geben. Kurz trank ich einen Schluck von meinem Wasser, bevor ich weiter schrieb. Langsam, aber sicher machte ich mich am Showdown zu schaffen, ehe ich den Stift auf den Tisch fallen ließ.
Nach heute war das erste Jahr eigentlich vorbei. Da die Ergebnisse allerdings erst in einer Woche verschickt werden würden, blieb ich eine Woche länger auf dem Campus. Es bestand die Möglichkeit sich das Ergebnis an eine andere Adresse schicken zulassen, falls man schon seine Familie besuchen, oder in den Urlaub fahren wollte, aber eine Woche mehr oder weniger machte mir auch nichts mehr aus.
Jenna fuhr die Ferien über mit zu Ben's Eltern. Laut Erzählungen war deren Anwesen riesig. Ich selber zog die Ferien über bei Liam ein. Auf die ganze Zeit mit ihm freute ich mich schon riesig. Doch noch war die Woche ja nicht rum.
„So meine lieben, ihr habt es geschafft. Die Stifte bitte hinlegen, die Zeit ist vorbei." Mein Kopf ging nach oben und ich sah wie meine Dozentin lächelnd die Zettel einsammelte.
„Ich bin mir sicher, dass die Ergebnisse hervorragend sein werden. Noch nie zuvor hatte ich einen Kurs, der so engagiert gewesen war. Für dieses Semester war es das dann erstmal von mir. Ich wünsche euch allen schöne Ferien und hoffe wir sehen uns nächstes Jahr wieder. Ihr seid entlassen." Erleichtert packte ich meinen Block in meine Tasche.„Ach übrigens, Danke Ben." Ich nahm meine Tasche und verließ zusammen mit Ben den Saal. „Nicht zu danken, du weißt doch ich helfe gerne." Ben war immer so nett und hilfsbereit. Es machte mich froh, ihn einen Freund nennen zu dürfen.
„Nein wirklich. Ohne dich hätte ich das mit Sicherheit nicht geschafft."
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Catch me if I fall
RomanceDie Studentin Rose Hunter kommt an die Universität nach Freiburg um Medizin zu studieren. Voller Erwartungen und auf der Suche nach Freiheit, möchte sie diesen neuen Abschnitt ihres Lebens beginnen. Dabei hat Rose jedoch noch mit ihrer Vergangenheit...